Instanzenzug: S 26 R 1038/11
Gründe:
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin - ein Omnibusunternehmen - gegen die Feststellung von Versicherungspflicht des Beigeladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund dessen (abhängiger) Beschäftigung als Fahrer.
2Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
4Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
6Die Klägerin wirft auf Seite 7 der Beschwerdebegründung die Frage auf, "ob dem Merkmal der Verwendung eines Fahrzeugs des Auftraggebers, bei Beschäftigung eines Fahrers ohne eigenes Fahrzeug, im Rahmen der Gesamtabwägung unter dem Gesichtspunkt des Tragens eigenen unternehmerischen Risikos des Auftragnehmers, ein höheres Gewicht beizumessen ist, als den Übrigen, nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, einzubeziehenden Merkmalen."
7Die "Rechtsfrage" sei klärungsbedürftig. Sie sei weder vom BSG noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden. Zumindest ergebe sich dies aus den vom BSG bisher entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht eindeutig.
8Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin mit dieser Frage überhaupt eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet, über die in einem späteren Revisionsverfahren entschieden werden könnte, oder lediglich eine Rechtsanwendungsfrage (= Tatfrage) stellt. Jedenfalls legt die Klägerin deren Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dar, weil sie sich insoweit mit der - vom LSG teilweise auch zitierten - umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Abgrenzungskriterien und zur Abwägungsentscheidung (vgl ua - Juris; - Juris; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15) jedenfalls in diesem Punkt der Beschwerdebegründung - anders im Rahmen der Divergenzrüge - nicht auseinandersetzt. Als höchstrichterlich "geklärt" muss eine Rechtsfrage nämlich auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
92. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
10a) Die Klägerin entnimmt auf Seite 3 der Beschwerdebegründung dem angefochtenen Urteil den abstrakten Rechtssatz, dass fremdbestimmte vorgegebene Eckpunkte einer Tätigkeit sich regelmäßig nicht zu Gunsten eines Auftraggebers bei der Beurteilung der Weisungsgebundenheit in Bezug auf die Prüfung der Frage einer abhängigen Beschäftigung auswirken und damit im Ergebnis regelmäßig als Argument für die Annahme einer Versicherungspflicht zu werten seien. Dieser Rechtssatz des LSG weiche von den vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätzen ab (Hinweis auf - Juris RdNr 23).
11b) Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung trägt die Klägerin vor, das LSG stelle den abstrakten Rechtssatz auf, dass die zur Verfügungstellung der wesentlichen Arbeitsmittel immer tragendes Argument einer abhängigen Beschäftigung sei, ohne dass eine weitere Betrachtung des Tragens eines unternehmerischen Risikos nötig sei. Dieser Rechtssatz des LSG weiche von den vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätzen ab (Hinweis auf - Juris RdNr 27).
12Dadurch legt die Klägerin eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG in zulässiger Weise dar. Sie übersieht, dass hierzu die Darlegung erforderlich ist, dass das LSG seiner Entscheidung divergierende Rechtssätze tragend zugrunde gelegt hat. Einen abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt zeigt die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auf, sondern stellt lediglich darauf ab, dass die konkrete Entscheidung (als Ergebnis eines Entscheidungsprozesses) ihrer Ansicht nach von der Rechtsprechung des BSG abweiche. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das LSG zunächst auf Seite 5 des Urteils die Rechtslage, auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, allgemein darstellt und dann unter Punkt 2. "in Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu den entscheidenden Fall" seine Entscheidung konkret begründet. Dabei berücksichtigt die Klägerin in der Beschwerdebegründung auch nicht, dass das LSG die für und gegen eine (abhängige) Beschäftigung des Beigeladenen sprechenden Umstände festgestellt hat und sodann "im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung" unter Zurücktreten der für eine Selbstständigkeit sprechenden Umstände zum Ergebnis einer (abhängigen) Beschäftigung gekommen ist.
13Hinsichtlich der von der Klägerin unter a) gerügten Divergenz ist schon ihrem eigenen Vorbringen kein entscheidungstragender Rechtssatz zu entnehmen, denn sie führt selbst aus, dass das LSG - nach ihrem Verständnis - das Vorliegen fremdbestimmter Eckpunkte nur "regelmäßig" als Argument für die Annahme von Versicherungspflicht werte. Darüber hinaus legt die Klägerin nicht in der gebotenen Weise dar, dass dieser Punkt eine Abweichung darstellt, auf der die Entscheidung "beruht". Die Klägerin berücksichtigt auch insoweit nicht, dass das LSG die Entscheidung aufgrund einer Gesamtabwägung getroffen hat.
14Hinsichtlich der von der Klägerin unter b) gerügten Divergenz macht die Klägerin wiederum nicht hinreichend geltend, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, wonach es auf das Tragen eines Unternehmerrisikos nicht ankommen solle. Die Beschwerdebegründung hätte insoweit der naheliegenden Frage nachgehen müssen, ob das LSG im vorliegenden Fall hierzu nur deshalb keine vertieften Ausführungen gemacht hat, weil ein nennenswertes Unternehmerrisiko im Sinne von Einsatz von Eigenkapital, Bürgschaftsübernahme, Kreditgewährung, Verlustrisiko usw beim Beigeladenen überhaupt nicht gegeben war. Weiterhin berücksichtigt die Klägerin nicht, dass das LSG im Rahmen der Feststellung der für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände ausdrücklich die Möglichkeit der Ablehnung von Aufträgen durch den Beigeladenen und das Fehlen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall eingestellt hat.
153. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.
164. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
175. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstelle(n):
NAAAE-84463