Instanzenzug: S 25 R 5319/10
Gründe:
1Mit Urteil vom hat das Thüringer LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen verneint.
2Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. F. beantragt.
3Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, sodass auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts ausscheidet.
4Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Es ist weder unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin noch nach Durchsicht der Akten zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
5Dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht zu erkennen.
6§ 22b Abs 1 S 1 FRG (§ 22b FRG eingefügt mit Wirkung vom durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - vom [BGBl I 1461], Abs 1 S 1 neugefasst mit Wirkung vom durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom [BGBl I 1791], Abs 1 S 1 geändert durch das RVOrgG vom [BGBl I 3242]), nach dem für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte (EP) der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt werden, gilt unzweifelhaft auch für Vertriebene iS des § 1 BVFG. Dies ergibt sich aus § 1 Buchst a FRG, nach dem dieses Gesetz auf den genannten Personenkreis Anwendung findet, in Verbindung mit § 22b FRG, der keine Bestimmung erhält, dass die von ihm getroffenen Regelungen nicht für Vertriebene gelten. Auch ist die Anwendung des § 22b FRG auf Personen, die wie die Klägerin erstmals nach dem in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, unzweifelhaft nicht durch Art 6 § 4b FANG ausgeschlossen. Kriegsgefangene gehören dagegen ausweislich § 1 FRG nicht zu dem Personenkreis, auf den das FRG anzuwenden ist, sodass die Vorschriften dieses Gesetzes insgesamt nicht auf den durch den Status des Kriegsgefangenen beschriebenen Personenkreis anwendbar sind. § 22b Abs 1 FRG steht mit der Verfassung in Einklang (vgl BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1; BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3; BSG SozR 4-5050 § 22b Nr 3; BVerfG SozR 4-5050 § 22b Nr 9).
7Ebenso wenig klärungsbedürftig ist die Frage, ob § 100 Abs 1 BVFG umfassend die Anwendung der vor dem geltenden Vorschriften, und damit des bis zum geltenden § 90 BVFG auf Personen iS der §§ 1 bis 3 BVFG anordnet. Wie das BSG bereits entschieden hat (SozR 4-5050 § 22 Nr 12 RdNr 18), regelt § 100 Abs 1 BVFG lediglich die weitere Geltung der Vorschriften des BVFG im Hinblick auf die den besonderen Status als Vertriebener, Emigrant, Um- oder Aussiedler begründenden Tatbestände, befasst sich jedoch nicht mit den gemäß § 90 Abs 3 BVFG aF ohnehin in einem eigenen Bundesgesetz gesondert geregelten sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen dieser Personengruppe.
8Gleichfalls ist durch die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG geklärt, dass die durch § 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom (BGBl I 1461) erfolgte Absenkung der auf dem FRG beruhenden EP um 40 vH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG SozR 4-5050 § 22 Nr 5) und Personen, die wie die Klägerin erstmals nach dem aus den Vertreibungsgebieten in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, trotz geringerer Rentenwertfestsetzungen im Vergleich zu früher zugezogenen FRG-Begünstigten und Rentnern im Beitrittsgebiet nicht gleichheitswidrig benachteiligt werden (BSGE 88, 274, 285 ff = SozR 3-5050 § 22b Nr 1).
9Ebenso wenig besteht Klärungsbedarf unter Berücksichtigung Europäischen Rechts, das die Klägerin aufgrund der Kürzung der EP um den Faktor 0,6 durch § 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom (BGBl I 1461) als verletzt ansieht.
10Sozialleistungsansprüche fallen nur dann in den Anwendungsbereich von Art 1 (Schutz des Eigentums) des Zusatzprotokolls zur EMRK vom (BGBl II 1956, 1880) und damit in den Schutzbereich von Art 14 EMRK (Diskriminierungsverbot), soweit sie durch nationales Recht begründet sind ( - Juris RdNr 35).
11Die vom FRG Betroffenen erhalten gegen den Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erst durch das FRG einen vermögenswerten Rechtsanspruch, der frühestens mit dem Tag des Zuzugs entsteht (§ 30 FRG - BVerfG SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 79). Fremdrentenrecht, das vor ihrem Zuzug in Deutschland gegolten, zum Zeitpunkt ihres Zuzugs aber bereits außer Kraft gesetzt war, kann keinerlei Rechtsansprüche der Betroffenen begründen und unterfällt damit nicht dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG (BVerfG aaO mwN). Betroffene, die wie die Klägern erst im Dezember 1997 in das Bundesgebiet zugezogen sind, haben § 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom (BGBl I 1461) bei Begründung ihres gewöhnlichen Aufenthalts vorgefunden. Ein höherer Rentenanspruch auf der Grundlage des alten Fremdrentenrechts ist daher zu ihren Gunsten nicht begründet worden, sodass der Anwendungsbereich von Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK und der Schutzbereich des Art 14 EMRK nicht berührt sind.
12Schließlich ist auch nicht klärungsbedürftig, "ob Zeiten, die allein wegen der Verfolgung beitragslos in der BRD geblieben sind, nach § 250 SGB VI nur teilweise oder gar nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn es sich um die im FANG geregelten Personen handelt". § 250 SGB VI regelt, welche Zeiten Ersatzzeiten im Sinne der Norm sind. Fällt eine Ersatzzeit - wie im Fall der Klägerin - mit einer Beitragszeit iS von § 15 Abs 1 FRG zusammen, geht Letztere vor (BSG SozR 2200 § 1251 Nr 89 S 238).
13Sonstige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind gleichfalls nicht ersichtlich.
14Der Zulassungsgrund der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Vielmehr hat sich das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zur Stützung seiner Auffassung auf Entscheidungen sowohl des BSG als auch des BVerfG berufen.
15Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
Fundstelle(n):
ZAAAE-84446