WP Praxis Nr. 3 vom Seite 1

Neue Sachlichkeit in der Wirtschaftsprüfung

Prof. Dr. Hansrudi Lenz | Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Seit mehreren Jahren wird im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer eine harte berufspolitische Auseinandersetzung geführt, die in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird. Hierbei wird das machtpolitische Instrumentarium vielfältig benutzt, etwa bei der Besetzung von Ämtern und Gremien, der Mediennutzung, der Beeinflussung von Aufsichtsgremien und politischen Entscheidungsträgern durch Lobbyarbeit und Klagen bei Gerichten. Die tieferliegenden Ursachen des Streits liegen in wirtschaftlichen und regulatorischen Entwicklungen, die große bzw. sehr große WP-Praxen begünstigen und zu einer zunehmenden Marktkonzentration führten. Die dominierende Marktstellung dieser Praxen fördert ihren fachlichen und berufspolitischen Einfluss.

Ausschließlich in eigener Praxis tätige Wirtschaftsprüfer, kleine und mittlere Praxen sehen das prägende Leitbild des eigenverantwortlich ausgeübten Freien Berufes mit öffentlichem Auftrag bedroht und befürchten eine unverhältnismäßige Belastung durch zunehmend komplexere Prüfungs- und Unabhängigkeitsstandards. Ein bedeutender Teil dieser Kritiker hat sich in wp.net organisiert; das IDW ist nicht mehr die alleinige Stimme der Wirtschaftsprüfung. Die zu Tage getretenen Interessenkonflikte und Auffassungsunterschiede über den weiteren Weg des Berufsstandes beruhen auf realen ökonomischen Ursachen, sind damit unvermeidlich und müssen ausgetragen werden. Bedenklich stimmt allerdings die Form der Kontroversen. Es ist bemerkenswert, dass jüngst die Bundesregierung in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage mit Sorge die „andauernden und zum Teil unsachlichen Auseinandersetzungen innerhalb des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer [verfolgt], die die Selbstverwaltung in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnten.“ Die Presseberichterstattung hierüber trägt nicht dazu bei, das Ansehen eines Berufes zu steigern, der in hohem Maße vom Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Leistungen lebt.

Im Leitbild des wirtschaftsprüfenden Berufes heißt es, dass Wirtschaftsprüfer mit ihrer Berufsausübung hohe ethische und fachliche Anforderungen erfüllen. Zu den Berufspflichten nach § 43 WPO gehört, dass Wirtschaftsprüfer sich jeder Tätigkeit zu enthalten haben, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs unvereinbar sind und sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen haben, die der Beruf erfordert. Generell haben sich Wirtschaftsprüfer sachlich zu äußern (§ 13 Abs. 1 BS WP/vBP). Diese ethischen Normen wurden in der aktuellen Debatte nicht eingehalten, obwohl der bei der Bestellung geleistete Berufseid der Wirtschaftsprüfer (§ 17 WPO) dies fordert.

Die strittigen Probleme sollten insbesondere in den Gremien der WPK in berufswürdiger Form diskutiert und entschieden werden; sie sollte der Ort der demokratischen Willensbildung sein. Nach dem Leitbild der WPK trägt sie „maßgeblich dazu bei, die berufspolitische Meinungsbildung zu entwickeln, zu fördern und zu koordinieren“. Gelingt dies zukünftig nicht, sägt der Berufsstand den Ast ab, auf dem er sitzt.

Hansrudi Lenz

Fundstelle(n):
WP Praxis 3/2015 Seite 1
NWB TAAAE-84328