Instanzenzug: S 46 SO 441/11
Gründe:
I
1Der Kläger hat mit einem am beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schreiben für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt, "ggf. unter Wiedereinsetzung in Fristen". Dazu trägt er vor, den Umschlag mit dem Urteil, der am in seinen Briefkasten eingelegt worden sei, habe er erst am geöffnet, weil er "alle Hände voll zu tun" gehabt habe. Den Vordruck für die PKH-Bewilligung müsse er zunächst beim Amtsgericht Rosenheim beantragen. Sein Internetanschluss funktioniere erst seit Mitte November 2014 wieder; sein PC-Bildschirm sei aber ausgefallen, sodass er nichts ausdrucken könne. Mit einem weiteren, am eingegangenen Schreiben vom trägt er außerdem vor, der Anspruch auf PKH gehe unmissverständlich aus dem angefochtenen Urteil sowie aus einem (von ihm erstellten) "Berechnungsbogen 5/2011" hervor, den er in Kopie vorgelegt hat. Der Kläger hat das mit dem durch die PKH-Formularverordnung vom (BGBl I 34) eingeführte (vollständig ausgefüllte) Formular sowie die entsprechenden Belege zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erst danach, am , vorgelegt.
II
2Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird PKH für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt, ist jedoch erforderlich, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 117 Abs 2 und 4 ZPO) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden, sofern der Antragsteller nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war. Wird PKH für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt, ist im Grundsatz die Vorlage des vollständig ausgefüllten PKH-Formulars innerhalb der Beschwerdefrist erforderlich, dessen Benutzung § 117 Abs 4 ZPO ausdrücklich bestimmt. Diese Anforderung ist verfassungsgemäß (vgl nur BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 6). Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann dem Beschwerdeführer wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG) Wiedereinsetzung gewährt werden (§ 67 Abs 1 SGG). Denn auch derjenige, der ohne sein Verschulden infolge wirtschaftlicher Bedrängnis an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert ist, hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um die Beschwerdefrist einzuhalten. Andernfalls würde er besser als ein nicht der PKH bedürftiger Beschwerdeführer gestellt.
3Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Das vollständig ausgefüllte Formular und die entsprechenden Belege hat der Kläger erst am vorgelegt; zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Einlegung der Beschwerde bereits verstrichen. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Zustellung am nämlich durch Einlegen in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung erfolgt (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 180 ZPO). Zum Nachweis der Zustellung ist eine Urkunde ordnungsgemäß angefertigt worden (§ 63 Abs 2 SGG, § 178 Abs 1 Nr 1, §§ 180, 182 ZPO); der Kläger trägt nichts vor, was deren Beweiskraft (§ 202 SGG iVm § 418 ZPO) entkräften könnte. Mit der Zustellung hat die Beschwerdefrist des § 160a Abs 1 Satz 2 SGG zu laufen begonnen und endete am .
4Die innerhalb der Monatsfrist des § 160a Abs 1 Satz 2 SGG eingereichten Erklärungen erfüllen inhaltlich nicht die an sie gestellten Anforderungen. Zwar gilt auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse das Verbot überspannter Anforderungen, damit der Zugang zu den Gerichten nicht übermäßig erschwert wird (zuletzt etwa -, juris RdNr 17 f); eine Ausnahme von der Pflicht zur Vorlage des Formulars kann insoweit aber allenfalls in Betracht gezogen werden, wenn sich das Gericht der Sache nach durch die Erklärungen des Antragstellers und entsprechende Belege ein abschließendes, zuverlässiges Bild über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse machen kann. Daran fehlt es vorliegend.
5Der vorgelegte "Berechnungsbogen 5/2011" bezieht sich nicht auf die aktuellen Verhältnisse, schon weil dort weder die aktuelle Höhe der (Renten-)Einkommen noch die aktuellen Wohnkosten eingestellt sind. Es fehlen überdies Angaben zu Rechtsschutzversicherungen oder zur Mitgliedschaft in Organisationen, die die Rechtsschutzkosten tragen könnten, sowie zu möglichen Unterhaltsansprüchen gegen Dritte ebenso wie Belege zu sämtlichen Angaben. Eine Bezugnahme auf die Feststellungen im Urteil des LSG scheidet, weil es sich insoweit nicht um eigene Erklärungen des Klägers handelt, schon unabhängig davon aus, dass auch die Feststellungen des LSG eine abschließende Entscheidung über die PKH nicht erlauben.
6Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er ohne Verschulden gehindert war, innerhalb der Beschwerdefrist das vollständig ausgefüllte Formular vorzulegen. Das LSG hat den Kläger mit zutreffenden Erläuterungen zur PKH ausdrücklich darüber belehrt, dass sowohl das PKH-Gesuch als auch die formgerechte Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist beim BSG einzureichen sind. Der Kläger hat - wie seinem Vortrag zu entnehmen ist - erkannt, dass das angefochtene Urteil am zugestellt worden ist. Selbst wenn er der Meinung gewesen sein sollte, für den Lauf der Frist komme es auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Urteils durch ihn an, kann dies eine Wiedereinsetzung nicht begründen. Mangelnde Rechtskenntnis stellt in aller Regel kein unverschuldetes Hindernis dar; ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss vielmehr juristischen Rat einholen (vgl nur BVerwG Buchholz 310 § 120 VwGO Nr 6). Die behaupteten technischen Schwierigkeiten können nicht verhindert haben, dass der Kläger auf andere Weise, etwa durch persönliche Vorsprache beim Amtsgericht Rosenheim, rechtzeitig ein Formular erhalten konnte. Dem Gericht ist auch kein mitwirkendes Verschulden vorzuwerfen. Das vom Kläger vorgelegte Formular war ihm vom Senat (unaufgefordert) zwar erst mit Schreiben vom zugesandt worden; dem Senat war aber eine frühere Zusendung nicht möglich, weil der PKH-Antrag erst am eingegangen war und somit eine angemessene Bearbeitungszeit eingehalten war.
7Mit der Ablehnung der Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstelle(n):
XAAAE-83615