Arbeitslosengeldanspruch - Erfüllung der Anwartschaftszeit - Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses im arbeitsgerichtlichen Vergleich - keine nachträgliche Verschiebung der Rahmenfrist - Arbeitslosengeldbezug im Wege der Gleichwohlgewährung - Restleistungsanspruch - Rückabwicklung
Leitsatz
Die Gewährung von Arbeitslosengeld - auch im Wege der Gleichwohlgewährung - legt die Rahmenfrist fest, auch wenn später gerichtlich entschieden oder vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis noch für einige Zeit fortbesteht und Arbeitsentgelt gezahlt wird.
Gesetze: § 24 Abs 1 SGB 3, § 24 Abs 2 SGB 3, § 24 Abs 4 SGB 3, § 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 118 Abs 1 SGB 3 vom , § 123 Abs 1 S 1 SGB 3, § 124 Abs 1 SGB 3, § 124 Abs 2 SGB 3, § 143 Abs 1 SGB 3, § 143 Abs 3 SGB 3, § 115 SGB 10
Instanzenzug: SG Frankfurt Az: S 16 AL 200/09 Urteilvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 7 AL 141/12 Urteil
Tatbestand
1Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.
2Der Kläger stand ab im Bezug von Alg (Bescheid vom ), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.
3Am meldete sich der Kläger zum erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom Alg ab für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III in der bis geltenden Fassung <im Folgenden: SGB III aF> iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch <SGB X>) geltend. Am schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.
4Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom , wonach der Anspruch auf Alg vom bis wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom ).
5Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am , sondern erst am eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom ).
6Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom bis sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.
7Die Beklagte beantragt,die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8Der Kläger beantragt,die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
9Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Gründe
10Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
111. Der Kläger hat zum kein neues Stammrecht auf Alg erworben.
12Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.
13Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am . Sie würde - zurückgerechnet - am enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am , also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom bis hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.
14Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.
152. Der Kläger hat zum kein neues Stammrecht auf Alg erworben.
16Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.
17Der Kläger stand in der Zeit ab zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (<BA>; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).
18a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.
19Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis fortbestanden.
20Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).
21Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.
22b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF (jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.
23Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.
24Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am ; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF) und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF) und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am , weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).
25In der maßgeblichen Rahmenfrist vom bis hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
26c) Dem Urteil des Senats vom (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.
27Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.
28Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.
29Der Senat hat seine Entscheidung vom aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen ( - SozR 4100 § 117 Nr 19; - SozR 4100 § 117 Nr 20; - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.
30d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.
31Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest (noch zu § 117 AFG: - SozR 4100 § 117 Nr 19; - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).
32Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.
33Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).
34Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom Alg ab im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab rechtmäßig Alg gezahlt worden ( - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).
35Da der Kläger auch zum die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.
363. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem entstehen soll.
37Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF (jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom getroffen wurde, nicht getätigt.
384. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
39Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).
40Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).
41Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.
42Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist ( - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f), steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:111214UB11AL214R0
Fundstelle(n):
PAAAE-83314