Grundsteuererlass bei strukturell bedingter Ertragsminderung
Leitsatz
Der Erlass der Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (juris: GrStG 1973) setzt auch in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen grundsätzlich voraus, dass sich der Steuerschuldner nachhaltig, aber vergeblich um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat.
Gesetze: § 33 Abs 1 S 1 GrStG 1973
Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 3 A 673/12 Urteilvorgehend VG Chemnitz Az: 4 K 4/10
Gründe
1Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
21. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
3Die Fragen,
ob ein Eigentümer Marktzugangsaufwand in erheblicher Höhe betreiben muss in der sicheren Erwartung, dass diese Aufwendungen nutzlos sein werden, nur damit seine Argumentation gehört wird, dass nämlich keinerlei Vermarktungsbemühungen erfolgreich sein können, und
ob der Grundsteuererlass nur zugesprochen werden kann, wenn Vermietungsangebote im objektbezogenen Rahmen (hier: bundesweit) geschaltet werden, oder bereits alles Zumutbare getan ist, wenn erkannt wird, dass die Schaltung solcher Vermietungsangebote erfolglos bleiben wird,
zielen auf das in § 33 Abs. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) enthaltene negative Tatbestandsmerkmal des Nichtvertretenmüssens der Ertragsminderung. Hiermit zusammenhängende Fragen sind indes durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - soweit sie einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind und nicht nur im Einzelfall beantwortet werden können - bereits geklärt.
4Beruft sich der Steuerpflichtige - wie hier der Kläger - auf eine wesentliche Ertragsminderung, so kann von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung dann keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Ob der Steuerpflichtige nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen zu prüfen, wobei es auf die Verhältnisse des Erlasszeitraumes ankommt. Steht das Objekt nicht leer, ist im Einzelfall zu untersuchen, ob der Steuerpflichtige die geltend gemachte Ertragsminderung aufgrund der konkret gewählten Vertragsgestaltung selbst herbeigeführt hat. Der Steuerpflichtige ist nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet; er hat insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben (vgl. BVerwG 9 C 1.13 - juris Rn. 19, 22 f. m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs).
5Der Kläger zeigt nicht auf, dass diese Rechtsprechung in Frage zu stellen oder fortzuentwickeln ist. Vielmehr wendet er sich gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Berufungsgericht, das zumutbare Vermarktungsbemühungen - nicht nur bundesweit, sondern für den hier maßgeblichen Zeitraum überhaupt - verneint und die Erfolglosigkeit solcher Bemühungen nicht festgestellt hat.
62. Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch.
7Soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht setze sich in „Widerspruch zur neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Beschluss vom GMS/OBG 1/07“, erfüllt sie schon nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Denn eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Hieran fehlt es.
8Hiervon abgesehen liegt die behauptete Divergenz auch nicht vor. Zwar trifft es zu, dass sich das BVerwG GmS-OGB 1.07 - (Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 27) der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angeschlossen hat, wonach ein Grundsteuererlass nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann (vgl. - BFHE 218, 396; BVerwG 9 C 8.07 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 28 Rn. 11). Jedoch setzt der Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. auch in solchen Fällen voraus, dass der Steuerschuldner die Ertragsminderung nicht zu vertreten hat (Urteile vom a.a.O. Rn. 18 und vom a.a.O. Rn. 30 unter Hinweis auf a.a.O. S. 400 f. sowie - BFHE 238, 535 Rn. 16).
93. Der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.
10Der Kläger rügt, dass das Oberverwaltungsgericht noch im Zulassungsbeschluss vom von dem Erfordernis der Aufklärung der Höhe der ortsüblichen Jahresrohmiete für das Steuerjahr 2007 ausgegangen sei, dieser Frage in dem angegriffenen Urteil aber nicht weiter nachgegangen sei. Hierin liegt entgegen der Auffassung der Beschwerde keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie oben ausgeführt - die Klageabweisung entscheidungstragend auf das negative Tatbestandsmerkmal des Nichtvertretenmüssens gestützt; die Frage der Ertragsminderung hat es hingegen offen gelassen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Im Übrigen hat das Berufungsgericht in dem vorgenannten Zulassungsbeschluss auch bereits auf das zweite Tatbestandsmerkmal ausdrücklich hingewiesen, denn dort heißt es: „Ausgehend davon wird der Kläger nachweisen müssen, dass er alles ihm Zumutbare unternommen hat, einen Pachtzins zu erzielen, der die Erlassgrenze der um 20 vom Hundert geminderten Jahresrohmiete (...) übersteigt.“
114. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2014:031214B9B73.14.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 655 Nr. 4
VAAAE-82862