Strafverfahren wegen schweren Bandendiebstahls: Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei Mittäterschaft an einer Deliktsserie; Annahme der Begehung einer Handlung bei fehlender Feststellbarkeit der Anzahl der die Taten fördernden Handlungen
Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB
Instanzenzug: LG Essen Az: 52 KLs 50/13
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe, wegen Diebstahls und wegen schweren Bandendiebstahls in 7 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen II.3.3 und II.3.4 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte und die anderweitig verurteilten R., K. und M. am nach D. , um dort Wohnungseinbrüche zu begehen. In der Folge drangen mehrere Mitglieder der Gruppe durch eine aufgehebelte Tür in die Souterrainwohnung des Geschädigten A. ein, während die übrigen Gruppenmitglieder die Umgebung absicherten (Fall II.3.3 der Urteilsgründe). Nachdem sie in der unmöblierten Wohnung nichts Stehlenswertes gefunden hatten, brachen sie von außen in die im ersten Obergeschoss desselben Hauses gelegene Wohnung des Geschädigten Ko. ein und entwendeten daraus Gegenstände in einem Wert von 10.000 Euro (Fall II.3.4 der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen dazu, wer aus der Tätergruppe in das Haus eingedrungen ist und wer die Umgebung abgesichert hat, vermochte das Landgericht nicht zu treffen.
4b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ 2013, 641 m. Anm. Kämpfer; Beschluss vom - 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238; Urteil vom - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Lässt sich nicht feststellen, durch wieviele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestellten Taten gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine Handlung begangen hat (, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; vgl. Beschluss vom - 3 StR 138/87, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1).
5Da das Landgericht die einzelnen Tatbeiträge nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er nicht selbst in die Wohnungen der Geschädigten A. und Ko. eingedrungen ist, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbrüchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat er in Bezug auf diese beiden Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. , Rn. 5 mwN).
62. Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. , NStZ 1996, 493 f.). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7Infolge der Schuldspruchänderung entfällt die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.3.3 der Urteilsgründe. Die Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.3.4 der Urteilsgründe bleibt als alleinige Einzelstrafe bestehen. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (, Rn. 8; Beschluss vom - 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom - 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Beschluss vom - 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom - 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren, vier Mal zwei Jahren und sechs Monaten, ein Mal zwei Jahren und drei Monaten, ein Mal zehn Monaten und ein Mal sechs Monaten Freiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Mutzbauer
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Fundstelle(n):
VAAAE-82742