BGH Beschluss v. - IX ZB 56/13

Insolvenzverfahren: Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung durch einen nicht in das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufgenommenen Gläubiger

Gesetze: § 290 Abs 1 InsO

Instanzenzug: LG Verden Az: 3 T 58/13vorgehend AG Verden Az: 11 IK 187/11

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte zu 1 hat eine Forderung aus einem im Jahr 1997 notariell beurkundeten Anerkenntnis der Schuldnerin. Diese beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. In dem von ihr eingereichten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis führte sie die Forderung des weiteren Beteiligten zu 1 nicht auf. Das Insolvenzgericht eröffnete am das Verbraucherinsolvenzverfahren und ordnete das schriftliche Verfahren an. Der weitere Beteiligte zu 1 meldete seine Forderung nicht an. Nachdem er von dritter Seite Kenntnis von dem Insolvenzverfahren erlangt hatte, beantragte er zu dem als Schlusstermin geltenden Zeitpunkt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen.

2Das Insolvenzgericht hat der Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung versagt. Den Umstand, dass der weitere Beteiligte zu 1 seine Forderung nicht zur Tabelle angemeldet hatte, hat es für unerheblich gehalten, weil dies von der Schuldnerin verhindert worden sei. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

4Entscheidet der originäre Einzelrichter - wie hier - in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, über die Beschwerde und lässt er die Rechtsbeschwerde zu, so ist die Zulassung wirksam. Auf die Rechtsbeschwerde unterliegt die Entscheidung jedoch wegen fehlerhafter Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung von Amts wegen, weil der Einzelrichter in Rechtssachen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimisst, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen hat. Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (, BGHZ 154, 200, 201 ff; vom - IX ZB 298/11, ZInsO 2012, 1439 Rn. 3 mwN).

III.

5Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Einzelrichter zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit er die gegebenenfalls nach § 568 Satz 2 ZPO erforderliche Übertragungsentscheidung treffen kann.

6Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der weitere Beteiligte zu 1 nicht befugt war, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, weil er seine Forderung gegen die Schuldnerin nicht zur Insolvenztabelle angemeldet, sich mithin am Insolvenzverfahren nicht beteiligt hat.

71. Die im Streitfall maßgebliche gesetzliche Regelung des § 290 Abs. 1 InsO in seiner bis zum geltenden Fassung gestattet die Versagung der Restschuldbefreiung wegen der Verletzung einer Obliegenheit des Schuldners im Insolvenzverfahren, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nur diejenigen Insolvenzgläubiger befugt, einen Versagungsantrag zu stellen, die ihre Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet haben. Erst die Teilnahme am Insolvenzverfahren begründet die Antragsberechtigung (, NZI 2007, 357 Rn. 2; vom - IX ZB 257/08, NZI 2009, 856 Rn. 3; vom - IX ZB 127/10, NZI 2010, 865 Rn. 4; vom - IX ZB 230/09, NZI 2012, 892 Rn. 10). Da der weitere Beteiligte zu 1 seine Forderung nicht angemeldet hat, war er nicht berechtigt, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen.

82. Der Umstand, dass die Schuldnerin die Forderung des weiteren Beteiligten zu 1 in dem von ihr nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO zusammen mit dem Eröffnungsantrag eingereichten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis nicht angegeben hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

9a) Die Befugnis, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, knüpft, weil es sich um einen Verfahrensantrag handelt, an die objektiv zu bestimmende Eigenschaft des Gläubigers als Verfahrensbeteiligter an. Ist diese nicht gegeben, weil der Gläubiger seine Forderung im Verfahren nicht angemeldet hat, scheidet ein Antragsrecht aus, ohne dass es darauf ankommt, wer das Unterbleiben der Forderungsanmeldung zu vertreten hat. Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass vom Schuldner verschwiegene Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, nicht berechtigt sind, nachträglich während der Wohlverhaltensphase Versagungsanträge nach §§ 296, 297 InsO zu stellen. Erlangt der Schuldner durch bewusstes Verschweigen einer Forderung die Restschuldbefreiung in unredlicher Weise, kann der betroffene Gläubiger seinen Anspruch unter Berufung auf § 826 BGB nur im streitigen Verfahren verfolgen (, ZInsO 2009, 52 Rn. 2). Dementsprechend ist ein Insolvenzgläubiger in einem solchen Fall auch nicht befugt, im Schlusstermin einen Versagungsantrag nach § 290 InsO zu stellen.

10b) Ein Antragsrecht nach § 290 Abs. 1 InsO stünde dem weiteren Beteiligten zu 1 selbst dann nicht zu, wenn von Bedeutung wäre, ob der Gläubiger an der Forderungsanmeldung ohne sein Verschulden gehindert war. Denn die Anmeldung einer Forderung kann noch im Schlusstermin erfolgen (, NZI 2012, 323 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Riedel, 3. Aufl., § 177 Rn. 10; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 177 Rn. 8; HK-InsO/Depre, 7. Aufl., § 177 Rn. 1). Will ein bisher nicht am Verfahren beteiligter Gläubiger im Schlusstermin einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen, kann er deshalb noch rechtzeitig durch Anmeldung seiner Forderung die Stellung eines Verfahrensbeteiligten erlangen.

11c) Die Obliegenheitsverletzung des Schuldners, der im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis unrichtige oder unvollständige Angaben macht, muss deshalb nicht folgenlos bleiben. Neben der dem betroffenen Gläubiger eröffneten Möglichkeit, sich gegenüber dem Schuldner auf § 826 BGB zu berufen, steht es den am Verfahren beteiligten Insolvenzgläubigern frei, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Denn hierzu ist jeder Insolvenzgläubiger berechtigt, der seine Forderung angemeldet hat, nicht nur der im Einzelfall von den unrichtigen Angaben betroffene (, NZI 2007, 357 Rn. 2; vom - IX ZB 164/09, ZInsO 2010, 631 Rn. 15).

12d) Die Beschränkung der Antragsbefugnis nach § 290 Abs. 1 InsO aF auf am Verfahren beteiligte Insolvenzgläubiger ist zwischenzeitlich auch in den Wortlaut des Gesetzes übernommen worden. Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom (BGBl. I S. 2379) wurde § 290 Abs. 1 InsO mit Wirkung vom dahin geändert, dass die Restschuldbefreiung nur zu versagen ist, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte dadurch ausdrücklich die zur bisherigen Gesetzesfassung entwickelte Rechtsprechung nachgezeichnet werden (BT-Drucks. 17/11268, S. 26).

Kayser                           Lohmann                                  Pape

                Grupp                                  Möhring

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Fundstelle(n):
YAAAE-82297