Steuerschuldner
1 Anzahl der Steuerschuldner
1.1 In folgenden Fällen sind mindestens zwei Steuerschuldner vorhanden:
beim rechtsgeschäftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), nämlich der Käufer und der Verkäufer, beim Tausch die Tauschpartner, beim Einbringen der Einbringende und der Empfänger (Pahlke, 5. Auflage, GrEStG, § 13 Rz. 2);
beim Vertrag zugunsten eines Dritten der Verkäufer und der Käufer. Der Dritte ist nicht Steuerschuldner (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 5);
bei der Umwandlung und der Anwachsung sind zwar grundsätzlich zwei Steuerschuldner vorhanden, jedoch geht die Steuerschuld auf den Rechtsnachfolger über (§ 45 Abs. 1 AO), sodass am Ende nur ein Steuerschuldner verbleibt (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 48);
bei der Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) der Auflassende und der Auflassungsempfänger (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 15);
beim Eigentumserwerb kraft Gesetzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) – ausgenommen Enteignungsverfahren – der bisherige Eigentümer und der Erwerber (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 17);
bei der Anteilsvereinigung innerhalb eines Organkreises (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG), und zwar alle Mitglieder des Organkreises (Boruttau, GrEStG, 17. Auflage, § 13 Rz. 42; Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 19) – bis auf die Organmutter, es sei denn, dass diese selbst Anteile an der Gesellschaft hält und so zur Anteilsvereinigung „beiträgt” (Hofmann, 10. Auflage, § 13 Rz. 16);
bei der Übertragung der schon in einer Hand vereinigten Anteile auf einen anderen Erwerber (§ 1 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 GrEStG) der bisherige Anteilsinhaber und der Anteilserwerber (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 14);
bei einer gemischten Schenkung bzw. Schenkung unter einer Auflage die Vertragspartner des Schenkungsvertrages (Hofmann, a. a. O., § 13 Rz. 3).
1.2 Nur ein Steuerschuldner ist in folgenden Fällen vorhanden:
beim Erwerb im Enteignungsverfahren, der Erwerber (§ 13 Nr. 3 GrEStG);
beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren, der Meistbietende (§ 13 Nr. 4 GrEStG);
bei der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot nach § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG, der Benennungsberechtigte (Karte 4 zu § 1 GrEStG der GrESt-Kartei);
bei Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG, die Personengesellschaft (§ 13 Nr. 6 GrEStG);
bei der Vereinigung von mindestens 95 v. H. aller Anteile einer Gesellschaft in einer Hand, der Erwerber (§ 13 Nr. 5a GrEStG);
bei der wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 95 v. H. an einer Gesellschaft (nach § 1 Abs. 3a GrEStG), der Rechtsträger, der die wirtschaftliche Beteiligung innehat (§ 13 Nr. 7 GrEStG).
2 Besondere Fälle
2.1 Miteigentümer
Erwerben mehrere Personen (zum Beispiel Eheleute) ein Grundstück zu gemeinschaftlichem Eigentum (= Miteigentum), so schuldet jeder Erwerber nur die auf seinen Anteil entfallende Steuer. Die Miteigentümer sind untereinander nicht Gesamtschuldner (, BStBl 1995 II S. 174). Das gilt entsprechend für die auf der Veräußererseite beteiligten Miteigentümer (Hofmann a. a. O., § 13 Rz. 5).
2.2 Einheitliche Verträge
Bei einheitlichen Verträgen (Karte 25 zu § 9 GrEStG der GrESt-Kartei) ist der Bauunternehmer, der mit dem Grundstückserwerber nur einen Bauerrichtungsvertrag abschließt, nach dem ( BStBl 2000 II S. 34), nicht Schuldner der auf die Bauleistungen entfallenden Grunderwerbsteuer, wohl aber (neben dem Erwerber) auch der Grundstücksveräußerer für die gesamte Steuer (Hofmann, a. a. O., § 13 Rz. 6; Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 6).
2.3 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Erwirbt eine GbR ein Grundstück, so ist sie selbst – nicht ihre Gesellschafter – Schuldnerin der Grunderwerbsteuer. Der Bescheid ist an die Gesellschaft als solche zu richten. Falls die GbR sich einen Namen zugelegt hat, ist dieser im Bescheid anzugeben; andernfalls müssen die Gesellschafter als solche benannt werden (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 32). Die Bekanntgabe des Bescheids richtet sich nach dem AEAO zu § 122 AO, Tz. 2.4.1.2, 2.4.1.3., AO-Handbuch 2014.
2.3.1 Haftung der Gesellschafter einer GbR
Der Gesellschafter einer GbR haftet nach § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit §§ 421, 427, 705, 714, 718 BGB für die Grunderwerbsteuerschuld der Gesellschaft, sofern er beim Grundstückskauf Gesellschafter war (, BStBl 1995 II S. 300; Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 53). Die Haftung ist durch Haftungsbescheid geltend zu machen (AO-Kartei zu § 191 AO).
3 Heranziehung der Steuerschuldner
In der Regel haben die Vertragsparteien im Kaufvertrag Regelungen darüber getroffen, wer die Grunderwerbsteuer und die sonstigen Kosten zu tragen hat. Nach § 448 Abs. 2 BGB i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom ( BGBl 2001 I S. 3138) hat der Grundstückserwerber (Käufer) grundsätzlich die Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrages, für die Auflassung, Grundbucheintragung und sonstigen erforderlichen Erklärungen zu tragen. Aus diesem Grund enthalten die Kaufverträge seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes oft keine Regelungen mehr darüber, welche Vertragspartei die entstehenden Kosten zu tragen hat. Auch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer enthalten die Verträge keine Abreden mehr.
Ist im Vertrag keine Regelung darüber getroffen, wer Träger der Grunderwerbsteuer und der sonstigen Kosten ist, ist die Steuer zunächst beim Erwerber geltend zu machen, da zivilrechtlich der Erwerber Schuldner der Kaufvertragskosten ist. Gleichwohl kann das Finanzamt aber innerhalb der Festsetzungsfrist auch noch den Veräußerer in Anspruch nehmen.
3.1 Erteilung des Erstbescheids an alle Gesamtschuldner
Sind mehrere Steuerschuldner vorhanden (Ziffer 1.1) sind sie Gesamtschuldner im Sinne von § 44 AO. Zur Heranziehung eines Steuerschuldners ist das Finanzamt verpflichtet; es liegt jedoch in seinem Ermessen, ob es den Steueranspruch von Anfang an gegenüber allen Gesamtschuldnern oder nur gegenüber einem von ihnen geltend macht (= Auswahlermessen). Dabei ist es nicht an die von den Beteiligten getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen gebunden (Boruttau, GrEStG, 17. Auflage, § 13 Rz. 51). Entscheidet sich das Finanzamt für die Inanspruchnahme nur eines Gesamtschuldners, so hat es den zuerst Herangezogenen nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie bitte ich, in aller Regel nur einen Gesamtschuldner zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen (Ziffer 3.2).
In den Fällen, in denen jeder Gesamtschuldner die Zahlung eines Teils der Steuer übernommen hat (z. B. je 1/2), ist der Erstbescheid allen Gesamtschuldnern zu erteilen.
In den Bescheiden ist jeweils auf die Inanspruchnahme des anderen Beteiligten hinzuweisen; sie müssen sich über die Zahlung verständigen. Liegt ein triftiger Grund vor (Ziffer 3.3.2.1), ist nur ein Schuldner in Anspruch zu nehmen. Dies ist im Bescheid zu erläutern.
Werden von Anfang an mehrere Gesamtschuldner in Anspruch genommen, dann ist das Speicherkonto für den Erwerber einzurichten. Die Einrichtung eines zweiten Speicherkontos für einen weiteren Gesamtschuldner ist nicht zulässig. Im Verfahren KONSENS-Dialog ist auf der Registerkarte „Vermerke” die Inanspruchnahme des weiteren (zweiten) Schuldners zu vermerken.
Für den Bescheid an den Veräußerer ist die OpenOffice-Vorlage „GrESt_23” (Einzelsteuern_OFD/GrESt_23_Grunderwerbsteuerbescheid) zu benutzen; der darin eingedruckte Hinweis auf den Grund der nachträglichen Inanspruchnahme ist zu entfernen. Die Bescheiddurchschrift für die Einheitliche Erhebungsstelle entfällt.
3.2 Erteilung des Erstbescheids an nur einen Gesamtschuldner
Sind mehrere Gesamtschuldner vorhanden, ist der Grunderwerbsteuerbescheid – abgesehen von dem Fall gem. Ziffer 3.1 – nur dem Beteiligten zu erteilen, der die Steuer allein zu tragen hat. Das braucht im Bescheid nicht besonders begründet zu werden (Boruttau, a. a. O., § 13 Rz. 60; Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 36, 37). Wenn der Steueranspruch gegenüber dem vertraglich Verpflichteten nicht durchsetzbar ist (Ziffer 3.3.2, 1), ist der Bescheid dem anderen Gesamtschuldner zu erteilen; seine Heranziehung ist zu erläutern.
3.3 Nachträgliche Heranziehung weiterer Gesamtschuldner
Entrichtet der zuerst in Anspruch genommene Steuerschuldner die Steuer trotz Mahnung nicht/nicht vollständig, ist das Finanzamt zur Inanspruchnahme des weiteren Schuldners verpflichtet; ein Ermessensspielraum steht ihm insoweit nicht zu (Pahlke/Franz, a. a. O., § 13 Rz. 40). Der Ansicht des Finanzgerichts Münster ( GrE, EFG 1995 S. 943), eine erfolglose Mahnung berechtigte noch nicht zur Heranziehung des anderen Schuldners, ist nicht zu folgen.
Jeder Gesamtschuldner muss grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist mit seiner Heranziehung rechnen (Ziffer 3). Der Steueranspruch gegen ihn wird weder durch bloßen Zeitablauf noch durch die vorherige (erfolglose) Inanspruchnahme des anderen Steuerschuldners verwirkt.
Ausnahmsweise könnte Verwirkung eintreten, wenn die fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung gegenüber dem zuerst in Anspruch Genommenen auf einer vorsätzlichen oder sonstigen groben Pflichtverletzung des Finanzamts beruht (, BFH/NV 1991 S. 481; Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 41).
Um einer Verwirkung des Steueranspruchs vorzubeugen, ist der andere Schuldner von Stundungen zu unterrichten, die dem bisher in Anspruch genommenen Steuerschuldner ohne Sicherheit und über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten gewährt werden. Er ist darauf aufmerksam zu machen, dass seine spätere Heranziehung vorbehalten bleibt. Die Unterrichtung verstößt nicht gegen § 30 AO (Tipke-Kruse, AO, § 30 Tz. 22 – Stand: Januar 2012).
3.3.1 Zusammenarbeit der Einheitlichen Grundbesitzstelle mit der Einheitlichen Erhebungsstelle
Hat ein Grunderwerbsteuerschuldner die Steuer trotz Mahnung nicht/nicht vollständig entrichtet, so ergreift die Einheitliche Erhebungsstelle nach Eingang der Rückstandsanzeige zunächst keine Vollstreckungsmaßnahmen, sondern benachrichtigt die Einheitliche Grundbesitzstelle vordruckmäßig von der Nichtzahlung. Falls ein weiterer Steuerschuldner vorhanden ist, unterrichtet die Einheitliche Grundbesitzstelle ihn von der Nichtzahlung, damit er seinen Vertragspartner zur Erfüllung der Zahlungspflicht anhalten kann. Ist ein weiterer Steuerschuldner nicht vorhanden oder ist seine Heranziehung zwecklos (Ziffer 3.3.2.1), teilt die Einheitliche Grundbesitzstelle dies der Einheitlichen Erhebungsstelle mit, damit sie die Vollstreckung fortsetzt.
Wird die Steuer innerhalb eines Monats nach Unterrichtung des anderen Vertragsbeteiligten nicht vollständig gezahlt, erteilt die Einheitliche Grundbesitzstelle ihm einen Grunderwerbsteuerbescheid. Die Erteilung ist zurückzustellen, wenn ernsthaft mit einem Scheitern des Vertrags und damit mit dem Wegfall der Steuer nach § 16 GrEStG zu rechnen ist; die Einheitliche Erhebungsstelle ist hiervon zu unterrichten. Kommt es zwischen den Beteiligten zu einem Rechtsstreit, ist die Steuer spätestens vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist gegen den anderen Gesamtschuldner festzusetzen.
Für den Bescheid an den nachträglich in Anspruch genommenen Steuerschuldner ist die OpenOffice-Vorlage „GrESt_23” (Einzelsteuern_OFD/GrESt_23_Grunderwerbsteuerbescheid) zu verwenden. Darin wird der Grund für die nachträgliche Inanspruchnahme erläutert. Die Vorlage enthält außer dem Bescheid eine Festsetzungsverfügung und eine Bescheiddurchschrift (für die Einheitliche Erhebungsstelle).
Die Einheitliche Grundbesitzstelle vermerkt im Verfahren KONSENS-Dialog auf der Registerkarte „Vermerke” die Inanspruchnahme des anderen Schuldners. Sie ermittelt, soweit erforderlich, in Zusammenarbeit mit der Einheitlichen Erhebungsstelle, durch eine Z-Abfrage den bereits gezahlten Betrag, füllt die Abrechnung aus, ergänzt den Fälligkeitstag und sendet den Bescheid ab. Eine Sollstellung erfolgt nicht. Eine Bescheiddurchschrift ist der Einheitlichen Erhebungsstelle zuzuleiten. Anhand der Bescheiddurchschrift überwacht sie den Eingang der Zahlung. Einzelheiten sind in der Kassenkartei 503 Karte 2 geregelt.
3.3.2 Absehen von der Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners
Der andere Gesamtschuldner ist nicht zur Steuer heranzuziehen, wenn
3.3.2.1
der Steueranspruch nicht durchsetzbar ist (Insolvenz, unbekannter Aufenthalt, Wohnsitz im Ausland);
3.3.2.2
dem bisher in Anspruch genommenen Schuldner die Steuer erlassen wird (GrESt-Kartei Anhang A Karte 1).
Der Grund für die Nichtheranziehung ist aktenkundig zu machen.
4 Rechtsbehelfsverfahren
Wurden mehrere Gesamtschuldner zur Grunderwerbsteuer herangezogen und wird der Bescheid nur von einem angefochten, ist/sind der/die andere/n nach § 360 Abs. 3 AO notwendig zum Verfahren hinzuzuziehen (Pahlke, a. a. O., § 13 Rz. 46). Die Hinzuziehung erfolgt durch Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch gegeben ist (Tipke-Kruse a. a. O, § 360 Tz. 3 – Stand: Februar 2011). Nach Bestandskraft der Einspruchsentscheidung im Hauptverfahren ist der Grunderwerbsteuerbescheid des Hinzugezogenen entsprechend zu ändern (Tipke-Kruse a. a. O., § 360 Tz. 9 – Stand: Februar 2011).
5 Steuererstattung bei Bescheidänderungen
Wurde die Steuer von mehreren herangezogenen Gesamtschuldnern entrichtet und ist sie nach Aufhebung der Bescheide in voller Höhe zu erstatten, dann ist jeder Gesamtschuldner bis zur Höhe seiner Zahlung erstattungsberechtigt. Bei teilweiser Erstattung ist jeder im Verhältnis der von ihm geleisteten Zahlung erstattungsberechtigt. Hat ein Dritter (z. B. der nicht zur Steuer herangezogene Veräußerer) die Steuer für den herangezogenen Gesamtschuldner gezahlt, so ist an Letzteren zu erstatten (AEAO zu § 37 AO, Tz. 2, AO-Handbuch 2014 und die Beispiele in Tipke-Kruse a. a. O., § 37 Tz. 74 – 79, Stand: Januar 2014).
Die Einheitliche Grundbesitzstelle hat in diesen Fällen vor der Sollstellung des Aufhebungs-/Änderungsbescheids das Setzen des Sperrvermerks „VE” (Fach 60 Teil 6 Nr. 5.2 DA-ADV) durch die Einheitliche Erhebungsstelle mit Vordruck A 419 zu veranlassen. Die Einheitliche Erhebungsstelle ermittelt anhand der Einzahlungsbelege, wer die Steuer entrichtet hat und erstattet nach Abstimmung mit der Einheitlichen Grundbesitzstelle die anteiligen Beträge an die Berechtigten.
OFD Niedersachsen v. - S 4535 - 5 - St 262
Fundstelle(n):
UVR 2015 S. 107 Nr. 4
JAAAE-81693