BAG Urteil v. - 5 AZR 265/13

Instanzenzug: ArbG Trier Az: 3 Ca 1219/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 2 Sa 171/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des „equal pay“.

2Der 1955 geborene Kläger ist seit dem bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt und seither einem Unternehmen des R-Konzerns als Stromableser überlassen.

3Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag vom enthält ua. folgende Regelungen:

4Im Arbeitsvertrag ist weiter in Nr. 14 vereinbart:

5Die Parteien trafen unter dem eine schriftliche, von der Beklagten vorformulierte „Zusatzvereinbarung“, die wie folgt lautet:

6Der Kläger machte, erstmals mit Schreiben vom rückwirkend ab Beginn des Arbeitsverhältnisses Zahlungsansprüche aufgrund des bei der Entleiherin geltenden Tarifvertrags erfolglos geltend.

7Auf Anfrage des Klägers erteilte ihm die R AG mit Schreiben vom folgende Auskunft:

8Mit der am eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe angesichts der von ihm auszuübenden Tätigkeit Anspruch auf Vergütung als Stromableser nach der Vergütungsgruppe B 1 (anfangs abgesenkte Lohnstufe). Auf Ausschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen.

9Der Kläger hat zuletzt beantragt,

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe nicht vorgetragen, warum er in die Vergütungsgruppe B 1 einzustufen sei. Er habe auch nicht dargelegt, weshalb er aus der abgesenkten Lohnstufe eine Höherstufung nach zwei Jahren nicht in die Basisstufe, sondern direkt in die Erfahrungsstufe beanspruchen könne. Im Übrigen seien die Ansprüche verfallen.

11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsansprüche in verminderter Höhe weiter.

Gründe

12Die Revision des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte (I.). Der Kläger musste keine Ausschlussfristen einhalten (II.). In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden (III.). Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

13I. Der Kläger hat für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Nr. 1 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge. Die Zusatzvereinbarung vom könnte die Beklagte allenfalls für die Zeit ab dem von der Pflicht zur Gleichbehandlung entbinden. Sie ist aber mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl.  - Rn. 11 ff., 18).

14II. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verfallen.

151. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP oder aus den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträgen zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) und Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbunds vom (fortan: AMP-TV 2010) einzuhalten. Derartige „tarifliche“ Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl.  - Rn. 21 f.). Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 14 Arbeitsvertrag. Diese Klausel regelt lediglich eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist ( - Rn. 12).

162. Ob Nr. 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ oder bei einer unwirksamen Bezugnahme auf Tarifverträge zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl.  - BAGE 115, 19; - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66).

173. Die Ansprüche des Klägers sind nicht nach § 16 MTV BZA/DGB verfallen. Die Klausel erfasst (nur) Ansprüche, die nach Änderung der Bezugnahmeklausel fällig geworden sind. Die von der Beklagten intendierte Rückwirkung der Ausschlussfristenregelung wäre - als Vertragsbestandteil gedacht - nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger durch die nachträgliche zeitliche Begrenzung eines bereits entstandenen Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte (vgl.  - Rn. 23; - 5 AZR 920/12 - Rn. 16 ff., 25).

18III. In welcher Höhe dem Kläger Ansprüche auf Differenzvergütung zustehen, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

191. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es unerheblich, ob die Entleiherin tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Fall das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Das gebietet schon die unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 4 AÜG im Lichte des Art. 5 Abs. 1 RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit . Es fehlt zudem jeglicher Anhaltspunkt, dass nach nationalem Recht der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt entfallen soll, wenn der Entleiher für eine bestimmte Tätigkeit nur noch Leih-, aber keine Stammarbeitnehmer mehr beschäftigt ( - Rn. 15).

20Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass - entsprechend der von der R AG erteilten Auskunft - im R-Konzern ein allgemeines Entgeltschema, nämlich die Tarifverträge der Tarifgruppe RWE, Anwendung findet. Maßgeblich ist damit das Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei der Entleiherin angestellt worden wäre.

212. Der Kläger kann sich für die Darlegung des Entgelts vergleichbarer Stammarbeitnehmer auf die Auskunft der R stützen, die diese - auch wenn nicht sie, sondern die R GmbH Entleiherin gewesen sein sollte - „zuständigkeitshalber“ erteilt hat. Die Auskunft ist ordnungsgemäß. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger der R GmbH zur Arbeitsleistung überlassen war und die Auskunft von der R AG erteilt wurde. Denn § 13 AÜG hindert den Entleiher nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der Auskunft Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße Auskunft erforderliche Wissen verfügen ( - Rn. 27 mwN).

223. Das Landesarbeitsgericht wird festzustellen haben, ob der Kläger als Stammarbeitnehmer die tariflichen Voraussetzungen einer Vergütung nach Vergütungsgruppe B 1 erfüllt hätte. Dabei kann sich der Kläger für die Darlegung des Entgelts vergleichbarer Stammarbeitnehmer auf die Auskunft der R insoweit stützen, als sie seine Tätigkeit und eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe A 4 betrifft.

234. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen.

24a) Zutreffend hat der Kläger als Ausgangspunkt für die Berechnung der Differenzvergütung zuletzt ein Monatsgehalt angesetzt.

25Im erneuten Berufungsverfahren wird festzustellen sein, ob der Kläger für die bei der Entleiherin zu beanspruchende Monatsvergütung die dort geschuldete regelmäßige Arbeitszeit (§ 4 MTV RWE) erbracht bzw. durch gesetzliche Entgeltfortzahlungstatbestände „abgedeckt“ hat.

26b) Hat der Kläger nach den von der Beklagten abgerechneten und damit streitlos gestellten Stunden Mehrarbeit iSv. § 5 MTV RWE geleistet - was bislang allerdings nicht ausreichend substantiiert dargelegt ist -, kann er dafür Differenzvergütung nach den tariflich vorgesehenen Regeln beanspruchen. Der Abgeltung von Mehrarbeit kann die Beklagte nicht den Vorrang von Freizeitausgleich (§ 5 Nr. 4 MTV RWE) entgegenhalten, wenn sie keinen Freizeitausgleich gewährt, sondern die Mehrarbeitsstunden - wenn auch zu niedrig - vergütet hat.

Fundstelle(n):
SAAAE-81343