Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der von einer Physiotherapeutin an eine Selbsthilfegruppe erbrachten Leistungen im Bereich von Rehabilitationssport und Funktionstraining
Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG
Es ist gefragt worden, wie Gymnastikkurse einer Physiotherapeutin für eine in der Rechtsform eines Vereins organisierte Selbsthilfegruppe umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen sind. Die Kurse werden mehrfach in der Woche in den eigenen Praxisräumen der Physiotherapeutin durchgeführt. Die Vergütung wird nach der Zahl der erbrachten Einheiten Trockengymnastik (jeweils 45 Minuten) bzw. Wassergymnastik (jeweils 30 Minuten) bemessen. Die Teilnehmerzahl pro Kurs hat keine Auswirkung auf die Höhe des Honorars. Einige Mitglieder der Selbsthilfegruppe verfügen über eine ärztliche Verordnung für Funktionstraining nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. §§ 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX, andere jedoch nicht. Der überwiegende Teil der Mitglieder führt nach Ablauf der üblicherweise für 12 bis 24 Monate gültigen ärztlichen Verordnung das Funktionstraining fort. Unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen der Physiotherapeutin und den Kursteilnehmern bestehen nicht.
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vertreten hierzu folgende Auffassung:
Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Leistungen der Physiotherapeutin nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sind nicht erfüllt, weil die von der Physiotherapeutin gegenüber dem Verein erbrachte, als einheitlich anzusehende Leistung nicht insgesamt aufgrund ärztlicher Verordnungen durch die Kursteilnehmer erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn die Physiotherapeutin in erkennbarer Weise gegenüber der Selbsthilfegruppe ihre Leistung einzeln für jeden Kursteilnehmer unter Berücksichtigung der Tatsache, ob die Teilnahme aufgrund einer ärztlichen Verordnung erfolgt oder nicht, abrechnet.
Rehabilitationssportgruppen und Funktionstrainingsgruppen müssen nach der von den Rehabilitationsträgern getroffenen „Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining” anerkannt sein, damit ihre Träger die Kosten der Übungsveranstaltungen – soweit die Teilnahme ärztlich verordnet wurde – mit den Rehabilitationsträgern abrechnen können. Das durch eine anerkannte Selbsthilfegruppe angebotene Funktionstraining gegenüber Kursteilnehmern aufgrund einer ärztlichen Verordnung ist nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei, wenn die Selbsthilfegruppe ihre Leistungen nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX in Verbindung mit der Rahmenvereinbarung erbringt und somit die Voraussetzungen des Abschn. 4.14.4 Abs. 9 Satz 3 UStAE erfüllt.
Die Leistungen des Vereins an die Kursteilnehmer können insgesamt als sportliche Veranstaltung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei sein, wenn der Verein gemeinnützigen Zwecken dient und das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.
Die Leistungen des Vereins erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, da es sich bei der Erbringung von Funktionstraining nicht um eine Veranstaltung handelt, die als Schul- und Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren ist (vgl. Abschn. 4.22.1 Abs. 2 UStAE).
FinMin Schleswig-Holstein v. - USt-Kurzinfo 07/2014
Fundstelle(n):
HAAAE-80528