BSG Beschluss v. - B 3 KR 15/14 B

Instanzenzug: S 36 KR 2633/08

Gründe:

I

1Die Beteiligten streiten um die Aufnahme von Lagerungsauflagen in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 139 SGB V).

2Die Klägerin vertreibt ua einseitig genoppte Schaumstoffauflagen aus konturiertem viscoelastischem Schaumstoff mit rosa (SAF 60120 rosa) oder gelber (SAF 6060 gelb) Färbung bzw rosa-gelber Stoffkombination (SAF 60120 + 6060) in den Größen von 10 x 10 cm bis 2,20 x 2,20 m. Die Auflagen dienen vor allem der Dekubitusprophylaxe. Sie bezieht den Schaumstoff (SAF-Schaum) von dem Produzenten aus der Schweiz und fertigt daraus Auflagen in jeweils individueller Größe. Der Antrag vom auf "Aufnahme der Produkte SAF-Schaum SAF 60120 rosa, SAF-Schaum SAF 6060 gelb und SAF-Schaum SAF 60120 + 6060 in das HMV" wurde von dem federführenden IKK-Bundesverband namens der damals zuständigen Spitzenverbände der Krankenkassen abgelehnt (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat die gegen den nunmehr zuständigen Spitzenverband Bund der Krankenkassen gerichtete Klage auf Aufnahme der "Lagerungsauflagen aus den drei SAF-Schäumen" abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom ): Es könne offen bleiben, ob die Klägerin Hersteller der Schaumstoffprodukte oder nur ein - nicht zur Antragstellung berechtigter - "Vertreiber" sei (§ 139 Abs 3 S 1 SGB V). Der Aufnahmeanspruch sei unbegründet, weil nur konkrete, vorkonfektionierte und nach Art, Größe und Gewicht spezifizierte Hilfsmittel in das HMV aufgenommen werden könnten. Hier werde nicht die Aufnahme derart spezifizierter konkreter Hilfsmittel begehrt, sondern eine Vielzahl individuell herzustellender Produkte, dh eine Produktart. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin, die ua Lagerungsauflagen, Lagerungshilfen, Sitzkissen und Rollstuhlsitzkissen aus dem importierten SAF-Spezialschaumstoff vertreibe (vgl Internetauftritt www.s.), bislang davon abgesehen habe, zumindest für die dem hauptsächlichen Anwendungsgebiet (Dekubitusprophylaxe) dienenden Matratzenauflagen einen Antrag für gängige Matratzengrößen zu stellen, wie dies auch andere Hersteller von Matratzenauflagen mit Erfolg getan haben.

3Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

4Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2, 160a Abs 2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).

51. Zur Darlegung des Revisionszulassungsgrundes, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), ist es erforderlich, die Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 4), im Falle der Revisionszulassung also entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap RdNr 66 mwN). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

6a) Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Die Klägerin führt lediglich aus, das Urteil des LSG beruhe "auf der Frage der Auslegung des § 139 SGB V"; das LSG habe den Begriff des Hilfsmittels zu eng ausgelegt. Mit dieser sehr allgemein gehaltenen Frage nach der Auslegung einer Rechtsnorm ist jedoch keine konkrete Rechtsfrage aufgeworfen worden.

7Selbst wenn dem Vorbringen der Klägerin entnommen werden könnte, dass sie geklärt wissen will, wie konkret sie die von ihr vertriebenen Lagerungsauflagen je nach Größe und Verwendungszweck spezifizieren müsse, damit sie deren Aufnahme in das HMV erreichen kann, ist damit keine generell klärbare Rechtsfrage bezeichnet. Klärbar wäre allenfalls, ob die Aufnahme von Lagerungsauflagen in das HMV nur dann erfolgen kann, wenn diese - wie das LSG ausgeführt hat - zumindest für das vorrangige Anwendungsgebiet (Dekubitusprophylaxe) nach den gängigen Matratzengrößen spezifiziert sind, sodass eine einzelfallunabhängige, produktbezogene Eigungsprüfung nach § 33 Abs 1 SGB V erfolgen kann.

8b) Wenn wiederum zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, dass sie diese Frage aufwerfen will, ist die Beschwerde gleichwohl nicht zulässig, weil die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Weise dargelegt hat, dass diese Frage klärungsbedürftig ist.

9Mit dem von der Klägerin in Auslegung und Anwendung für unklar gehaltenen Begriff des Hilfsmittels iS des § 33 SGB V hat sich die Rechtsprechung des BSG in zahlreichen Entscheidungen befasst. Ohne auf diese Entscheidungen näher einzugehen, kann nicht dargelegt werden, inwieweit hier noch weiterer Klärungsbedarf besteht. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht mit den - vom LSG ausdrücklich zitierten - Urteilen des erkennenden Senats vom (B 3 KR 6/11 R - SozR 4-2500 § 139 Nr 5) und vom (B 3 KR 22/11 R - BSGE 113, 33 = SozR 4-2500 § 139 Nr 6) auseinander, die das LSG zur Grundlage seiner Auffassung gemacht hat, nur konkrete, vorkonfektionierte und nach Art, Größe und Gewicht spezifizierte Hilfsmittel könnten in das HMV aufgenommen werden. § 139 SGB V kenne nur die Einzelleistung von konkreten Produkten, wie sie in dieser Form auch an die Versicherten abgegeben werden, nicht aber die Sammellistung von Produktarten.

10c) Die Klägerin erklärt auch nicht, aus welchem Grund sie in Anbetracht der von ihr vertriebenen breiten Produktpalette aus "Lagerungsauflagen, Lagerungshilfen, Sitzkissen und Rollstuhlsitzkissen aus SAF-Spezialschaumstoff" (so auch der Aufdruck im Kopf ihres Briefpapiers) im Rechtsstreit nur generell von "Lagerungsauflagen" gesprochen hat. Nach dem reinen Wortlaut ist nur ein Teil der Produktpalette vom Klageantrag erfasst. Denkbar ist aber auch, dass es sich beim Begriff "Lagerungsauflagen" um einen die gesamte Produktpalette umfassenden Sammelbegriff handelt. Es bleibt auf jeden Fall unklar, welche Produkte im Einzelnen gemeint waren. Mit Blick auf die im HMV verzeichneten 38 Produktgruppen hätten die "Lagerungsauflagen" näher konkretisiert werden müssen, um die notwendige Abgrenzung zu den - nicht eintragungsfähigen - bloßen Produktarten sicherzustellen sowie ihren Verwendungszweck bestimmen (zB Matratzenauflagen zur Dekubitusprophylaxe, Liegehilfen für den Kopf, Sitzkissen für Stühle, Rollstuhlsitzkissen) und die Hilfsmittel in die Produktgruppen einordnen zu können, von denen hier wenigstens vier Gruppen in Betracht kommen (11: Hilfsmittel gegen Dekubitus, 20: Lagerungshilfen, 26: Sitzhilfen, 53: Pflegehilfsmittel zur Linderung von Beschwerden).

11Zudem wird nicht erläutert, weshalb die zur Individualisierung der Hilfsmittel dienenden Größenangaben unterlassen worden sind. Aus dem HMV müssen die verfügbaren Größen erkennbar sein, wenn es sich um ein Hilfsmittel handelt, das naturgemäß - wie zB Matratzenauflagen - an die Gegebenheiten eines Bettes angepasst sein muss. Wenn ein Hersteller darüber hinaus - wie hier - Maß- oder Sonderanfertigung anbietet, reicht ein zusätzlicher Hinweis darauf aus.

122. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

133. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 3, § 52 Abs 1 GKG und entspricht der Festsetzung für die zweite Instanz.

Fundstelle(n):
LAAAE-80142