Instanzenzug: S 16 AS 303/10
Gründe:
I
1Im Streit stehen Unterkunftsleistungen nach dem SGB II für eine im Eigentum des Klägers zu 1 stehende Wohnung im Zeitraum vom bis .
2Der Kläger zu 1 lebte bis zum in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 2, der erwerbstätig war. Die gemeinsam bewohnte Wohnung war 126,47 qm groß und bestand aus vier Räumen. Nach den Angaben des Klägers zu 1 hatte er Heizkosten in Höhe von 121,28 Euro, Nebenkosten in Höhe von 388 Euro und sonstige Wohnkosten in Höhe von 74,86 Euro monatlich. Die Schuldzinsen ohne Tilgung betrugen monatlich 349,77 Euro. Es waren drei Darlehen zur Tilgung zu bedienen. Der Beklagte bewilligte Alg II für den streitigen Zeitraum unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2. Bei den Unterkunftsleistungen ging er von kalten Nebenkosten in Höhe von 188,33 Euro und bei den Kosten für das Wohneigentum in Höhe von 305,35 Euro aus (Bescheid vom ). Auf den Widerspruch des Klägers zu 1 änderte der Beklagte seinen Ausgangsbescheid insoweit, als er nunmehr von einem Hausgeld in Höhe von 388 Euro abzüglich einer Warmwasserpauschale von 12,21 Euro ausging. Zudem übernahm er die tatsächlich angefallenen Zinsleistungen (Änderungsbescheid vom ). Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat die Klagen - wegen höherer Unterkunftsleistungen aufgrund von Tilgungszahlungen für das Darlehen zur Finanzierung der Wohnung - abgewiesen (Urteil vom ) und das LSG hat nach Anhörung der Beteiligten vom zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG und vorhergehendem Auskunftsersuchen zu den Tilgungsleistungen des Klägers zu 1 vom die Berufung durch Beschluss vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat sich das Berufungsgericht auf die Entscheidungsgründe des SG gestützt, das im Wesentlichen mit der Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen für die Übernahme von Tilgungsleistungen als Unterkunftskosten argumentiert hat. Tilgungsleistungen seien nur unter Achtung enger Grenzen als Unterkunftsleistungen vom Grundsicherungsträger zu erbringen. Der Gesetzgeber habe die "Härtefall"-Rechtsprechung des BSG auch bestätigt, indem der Bundestag einer grundsätzlichen Ablehnung der Übernahme von Tilgungsleistungen als Unterkunftskosten nicht zugestimmt habe. Ein derartiger Ausnahmefall sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG durch eine Ungleichbehandlung von Mietern und Eigentümern bei der Sicherung des Grundbedürfnisses "Wohnen" sei nicht erkennbar.
3Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde an das BSG gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG. Sie machen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), rügen Divergenzen zwischen der Entscheidung des LSG und Entscheidungen des BSG und des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eine Verletzung rechtlichen Gehörs als Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
4Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
5Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 12, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
6Die Beschwerdeführer haben bereits keine konkrete Rechtsfrage formuliert. Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, dass nach ihrer Auffassung die Fragen danach, ob Mieter und Eigentümer im Hinblick auf die Höhe der Unterkunftsleistungen gleich zu behandeln sowie ob und unter welchen Umständen Tilgungsleistungen für Darlehen zur Finanzierung des Wohneigentums als Unterkunftsleistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II anzuerkennen seien, einer höchstrichterlichen Klärung bedürften, haben sie nicht hinreichend dargelegt, dass sich Antworten auf diese Fragen nicht bereits aus der Rechtsprechung des BSG ergeben. Zwar benennen sie einzelne Aussagen aus Urteilen des 14. Senats des (B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13), vom (B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48) sowie vom (B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65). Es hätte insoweit jedoch einer umfassenden Auseinandersetzung mit den mittlerweile 17 Entscheidungen beider für die Grundsicherung zuständigen Senate des Revisionsgerichts zu diesen Fragen bedurft. So berücksichtigen sie nicht, dass das BSG am (B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 13 RdNr 19) zum "ob" und den Umständen der Übernahme der Tilgungsleistungen als Unterkunftskosten ausgeführt hat: "Bei den Aufwendungen für die Unterkunft sind, da die Kläger in einer selbst genutzten Eigentumswohnung leben, die Schuldzinsen zu übernehmen, nicht aber ... die Tilgungsleistungen, ..., ... (sie) ... (k)ein 'kleines Restdarlehen' im Sinne der Rechtsprechung des Senats zu tilgen hatten". Der 4. Senat des darauf hingewiesen, dass Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt seien und nicht der Vermögensbildung dienen sollten. Zugleich hat er Ausnahmen von diesem Grundsatz im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" in besonderen Fällen erkannt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum gehe, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen sei (B 4 AS 14/11 R - RdNr 23). Ferner hat der 14. Senat ausgeführt, dass sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs 1 SGB II bei Mietern und Hauseigentümern nach einheitlichen Kriterien richte ( - RdNr 17).
7Ebenso wenig legen die Beschwerdeführer hinreichend dar, dass in Ansehung der zuvor benannten Rechtsprechung erneuter Klärungsbedarf eingetreten sein soll. Sie beziehen sich argumentativ insoweit auf die Ablehnung des Vorhabens, Tilgungsleistungen in keinem Fall mehr als Unterkunftsleistungen zu berücksichtigen, im Gesetzgebungsverfahren. Sie setzen sich jedoch nicht mit der Argumentation des LSG auseinander, dass damit keineswegs entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BSG eine Vermögensbildung durch steuerfinanzierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums als zulässig befunden, sondern lediglich die vom BSG gezogenen Grenzen für die Zulässigkeit dessen bestätigt worden seien. Mit ihren Ausführungen, dass sie der Rechtsprechung des BSG nicht zu folgen vermögen, legen sie ebenfalls keine erneute grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der eingangs benannten Rechtsfragen dar. Sie äußern vielmehr Kritik an dieser und stellen ihr die eigene Rechtsauffassung entgegen.
8Auch mit ihrem Vorbringen, dass ungeklärt sei, ob bei der ins Verhältnis zur verbleibenden Darlehensverbindlichkeit zu setzenden ursprünglichen Verbindlichkeit, dem Kaufpreis, auch die bislang bereits gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen hinzuzurechnen seien und ob und inwieweit es bei dem zugrunde zu legenden Kaufpreis eine wertmäßige Grenze geben müsse, gelingt es ihnen nicht, einen abstrakten Klärungsbedarf zu benennen. Insoweit mangelt es bereits daran, dass sie nicht darbringen, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG komme es überhaupt auf die von ihnen als ungeklärt befundene Frage an. Dass die benannte Rechtsprechung des BSG in ihrem Fall, so die Beschwerdeführer, unzutreffend durch das LSG angewandt worden sei, genügt ebenfalls nicht zur Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Ihre Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Rechtsanwendung in dem konkret zu entscheidenden Fall.
9Die gerügte Divergenz haben die Beschwerdeführer ebenso wenig formgerecht dargebracht.
10Zur Rüge des Zulassungsgrundes einer Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
11Es ist den Beschwerdeführern nicht gelungen, Abweichungen in diesem Sinne geltend zu machen. Es mangelt der Begründung der Divergenzrüge bereits daran, dass dort keine abstrakten Rechtssätze des BSG oder des BVerfG bzw des LSG aufgezeigt werden, die voneinander abweichen könnten. Sie machen vielmehr ausschließlich Ausführungen zur Abweichung der Rechtsanwendung durch das LSG von Entscheidungen beider Gerichte im Sinne der unzutreffenden Subsumtion unter die dort aufgestellten Rechtssätze. Es genügt den Begründungserfordernissen einer Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht, nur ausgehend von der Rechtsprechung der Bundesgerichte festzustellen, das LSG habe diese seiner rechtlichen Würdigung unzutreffend zugrunde gelegt. So führen sie aus, das LSG habe bei dem Kläger zu 1 zu Unrecht unterstellt, dass die bei ihm noch bestehende Restschuld zu hoch sei und es deswegen bei ihm nicht darum ginge, dass ein langjährig bewohntes und "fast abbezahltes Wohneigentum erhalten bleibe". Auch dass das LSG die aufgrund von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG bestehende Pflicht des Gesetzgebers, das Existenzminimum zu gewährleisten, wie sie vom BVerfG in der Entscheidung vom (1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) dargelegt worden ist, abstrakt negiert haben könnte, machen die Beschwerdeführer nicht geltend. Sie führen schlussendlich nur aus, dass sie vor dem LSG, wenn es die Entscheidung des BVerfG hinreichend beachtet hätte, mit ihrer Berufung erfolgreich gewesen wären.
12Der von den Beschwerdeführern gerügte Verfahrensfehler ist in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht formgerecht dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
13Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
14Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) geltend, weil das LSG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entschieden habe, obwohl sie vor der Anhörung noch um eine Bezifferung der Tilgungsleistungen gebeten worden seien. Zwar kann durch eine fehlerhafte Anhörung zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt sein sowie eine fehlerhafte Besetzung der Richterbank als absoluter Revisionsgrund (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) vorliegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind dann nähere Ausführungen zur Kausalität entbehrlich ( - RdNr 5). Dies gilt jedoch nicht in einem Fall wie dem vorliegenden.
15Der Revisionsgrund insoweit setzt - wenn eine Anhörung erfolgt ist - Darlegungen dazu voraus, dass sich die Prozesssituation seit der Anhörungsaufforderung entscheidungserheblich verändert habe, etwa die Berufung erst nach Zugang der Anhörungsmitteilung von einem Beteiligten (substantiiert) begründet und auch neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen worden seien ( - RdNr 9). Letzteres haben die Beschwerdeführer hier nicht dargebracht. Sie nehmen zwar auf die Aufforderung des LSG zur Mitteilung der Tilgungsleistungen Bezug, führen allerdings nicht aus, dass diese erst nach dem Erhalt der Anhörungsaufforderung erfolgt und Erkenntnisse hierzu für das LSG entscheidungserheblich gewesen seien. Im Gegenteil weisen sie darauf hin, dass sie aufgrund der Anfrage im Hinblick auf die Tilgungsleistungen vor der Anhörung zur Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG angenommen hätten, dass sich das Gericht mit der Höhe der Tilgungsleistungen auseinandersetzen wolle. Die Höhe der Tilgungsleistungen sei jedoch bei der Entscheidung des Gerichts unberücksichtigt geblieben.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstelle(n):
WAAAE-79568