Instanzenzug: S 35 KR 1134/10
Gründe:
I
1Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung für die bei der beklagten Krankenkasse versicherte K. wegen einer Borderline-Störung in der Zeit vom bis . Die auf Zahlung der Vergütung in Höhe von 43 418,62 Euro gerichtete Klage hatte vor dem SG Erfolg (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die stationäre Krankenhausbehandlung sei während des gesamten Zeitraums erforderlich gewesen. Das Behandlungsziel sei nicht durch andere Behandlungsformen als die vollstationäre Behandlung zu erreichen gewesen. Das LSG ist dabei dem Ergebnis des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens vom und der ergänzenden Stellungnahme vom gefolgt (Urteil vom ).
2Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
3Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
41. Die beklagte Krankenkasse legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beklagte richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
5Die Beklagte formuliert zwar folgende Fragen:
"Ist bei an Borderline erkrankten Versicherten auch bei Nichtausschöpfung der ambulanten und teilstationären Behandlungsmöglichkeiten davon auszugehen, dass eine medizinische Notwendigkeit für eine vollstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gegeben ist?
Wenn bei Aufnahme einer an Borderline erkrankten Versicherten keine medizinische Notwendigkeit für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung besteht, darf diese bei Aufnahme nicht zwingend bestätigte medizinische Notwendigkeit dann von dem aufnehmenden Arzt angenommen werden, zum Beispiel wenn er der Auffassung ist, dass die konkrete Annahme besteht, dass die Versicherte (nach Aufnahme und somit erst während der vollstationären Krankenhausbehandlung) behandlungsbedürftig wird (also auch in die Zukunft gerichtet), sobald sie sich während des vollstationären Krankenhausaufenthalts mit ihren gesundheitlichen und psychischen Beschwerden auseinandersetzt und somit zu befürchten ist, dass sie dann die Mittel des Krankenhauses benötigen könnte?
Was ist, wenn sich die Befürchtung bzw. Annahme des Arztes nicht bewahrheitet und die Versicherte auch nach Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung die Mittel des Krankenhauses eigentlich nicht benötigt? Darf das Krankenhaus die Versicherte dann trotzdem weiterhin vollstationär in dem Krankenhaus behandeln, weil es meint, mit seinem Therapiekonzept und der Struktur im Krankenhaus die Versicherte behandeln zu können und zu müssen?"
6Ob die Beklagte damit überhaupt eine Rechtsfrage oder nicht vielmehr eine Tatfrage im Einzelfall formuliert und dem vom LSG gefundenen Beweisergebnis widerspricht, kann offenbleiben. Denn die Beklagte zeigt zu den aufgeworfenen Fragen jedenfalls den Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Sie gibt im Rahmen der von ihr geltend gemachten Divergenz selbst an, unter welchen Voraussetzungen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegt und verweist in diesem Zusammenhang auf verschiedene Entscheidungen des BSG sowie auf die Entscheidung des Großen Senats (BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10). Sie legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf diese Rechtsprechung noch Klärungsbedarf zur Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung bestehen soll. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch - Juris RdNr 7). Nach der von der Beklagten selbst zitierten Rechtsprechung richtet sich die Frage, ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist oder bereits ambulante Behandlung ausreichend ist, allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 23). Insoweit legt die Beklagte nicht dar, weshalb abweichend von dieser Rechtsprechung die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung bei an einer Borderline-Störung erkrankten Versicherten unabhängig vom Einzelfall abstrakt beurteilt werden soll.
72. Die Beklagte legt auch eine Divergenz nicht ausreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Gesetzesanforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und im herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB Beschluss vom - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; - RdNr 4; - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Erkennbar macht die Beklagte nur geltend, dass das LSG die zitierten Entscheidungen fehlerhaft angewendet habe. Damit rügt sie aber lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, die eine Divergenz nicht begründen kann.
83. Die Beklagte bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 SGG und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), muss die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen, um den Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG; vgl hierzu zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).
9Die Beklagte rügt zwar die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG), legt aber mit ihrer Begründung, das LSG sei dem Beweisantrag in dem Schriftsatz vom nicht gefolgt, die erforderlichen Umstände einer solchen Pflichtverletzung nicht dar. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffend Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB - RdNr 5 mwN; - mwN). Die Beklagte gibt die Rechtsauffassung des LSG, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von den Beweisanträgen umfasst sind, nicht wieder. Sie erläutert nicht einmal konkret, zu welcher streitigen Tatsache ein Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden sollen. Schließlich muss für das Vorbringen, das LSG habe einen entscheidungserheblichen Beweisantrag übergangen, dargelegt werden, dass ein formeller Beweisantrag iS von §§ 373, 404 ZPO iVm § 118 SGG gestellt und bis zur Entscheidung des LSG aufrechterhalten worden ist. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung nämlich vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; - Juris RdNr 9 mwN). Die Beklagte legt demgegenüber schon nicht dar, dass sie einen Beweisantrag zumindest hilfsweise in der mündlichen Verhandlung vom gestellt oder aufrechterhalten hat.
104. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
115. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 GKG.
Fundstelle(n):
VAAAE-78861