Keine Wiedereinsetzung bei falscher Adressierung der Beschwerdeschrift aufgrund eines Büroversehens
Gesetze: FGO § 56, FGO § 116 Abs. 2 Satz 1, FGO § 155, ZPO § 85 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Durch das angefochtene Urteil wies das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2003 bis 2006 ab. Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt. Mit Schreiben vom legten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, eine Rechtsanwaltskanzlei, Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil ein. Das Schreiben war an das FG adressiert und von einem der Rechtsanwälte unterschrieben. Es wurde per Telefax übermittelt und ging am um 15:52 Uhr beim FG ein. Am übermittelte das FG die Nichtzulassungsbeschwerde per Telefax an den Bundesfinanzhof (BFH), nachdem zuvor die Senatsvorsitzende noch mit der Sache befasst war.
2 Mit Schreiben vom , das den Prozessbevollmächtigten am zugestellt wurde, wies der Vorsitzende des beschließenden Senats auf den nach Aktenlage verspäteten Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin.
3 Mit beim BFH am eingegangenem Telefax beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung verwiesen sie im Wesentlichen darauf, dass die Falschadressierung auf einem Büroversehen beruhe. Zwar habe der Entwurf der Nichtzulassungsbeschwerde die zutreffende Adressierung an den BFH enthalten. Durch eine Verkettung mehrerer Ereignisse habe das unter Mitwirkung einer Rechtsanwaltsfachangestellten und einer Auszubildenden zustande gekommene und versandte Original des Schreibens dann aber die Adressierung an das FG erhalten. Dem unterzeichnenden Rechtsanwalt sei der Schriftsatz zur Unterschrift vorgelegt worden, indem die zweite Seite zur Unterschrift aufgeklappt gewesen sei. Er habe die Rechtsanwaltsfachangestellte bei der Unterzeichnung noch gefragt, ob alle Angaben kontrolliert seien und sie angewiesen, vorsorglich noch einmal alle Angaben zu überprüfen. Diese habe dann aber die weitere Abwicklung des Versands auf die Auszubildende übertragen.
4 II. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie verspätet beim BFH eingegangen ist.
5 1. Nach § 116 Abs. 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO).
6 Im Streitfall wurde das Urteil den Prozessbevollmächtigten am zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist endete daher gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des (Montag). Die Beschwerde wurde indessen —entgegen der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des FG— nicht an den BFH, sondern an das FG adressiert. Es ist diesem per Telefax am zugegangen und erst am per Telefax an den BFH weitergeleitet worden.
7 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) ist nicht zu gewähren, da der Prozessbevollmächtigte, dessen Verhalten sich der Kläger zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.
8 a) Letzteres ergibt sich daraus, dass der Bevollmächtigte es versäumt hat, die von ihm unterzeichnete Beschwerdeschrift zu überprüfen (, BFH/NV 2006, 80). Der Prozessbevollmächtigte hat auch dann, wenn er bei der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift geschultes Büropersonal einsetzt, das Arbeitsergebnis jeweils sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist (BFH-Beschlüsse vom VIII R 29/09, juris; vom IV R 32/91, BFH/NV 1991, 761, m.w.N.).
9 Ein Prozessbevollmächtigter darf sich bei der Unterzeichnung des Originals des Schriftsatzes nicht darauf verlassen, dass ein von ihm freigegebener Entwurf des Schriftsatzes keine Fehler enthielt. Denn wie sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten ergibt, ist insbesondere aufgrund möglicher Fehler bei der Speicherung des Entwurfs und bei der Durchführung weiterer Arbeitsschritte (z.B. Einfügung des Entwurfstextes in den Kanzleibriefbogen) nicht sichergestellt, dass das Originalschreiben dem Entwurfsschreiben entspricht. Daher muss der Prozessbevollmächtigte auch prüfen, ob das von ihm unterzeichnete Originalschreiben an das richtige Gericht adressiert ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Fehler —wie im Streitfall— ohne weiteres erkennbar ist, weil sich der Inhalt des Schreibens im Wesentlichen auf die Angabe des Adressaten, des angefochtenen Urteils und des Antrags beschränkt. Auch darf sich der Prozessbevollmächtigte seiner Pflicht zur abschließenden Kontrolle des Arbeitsergebnisses nicht dadurch entziehen, dass er auch diese Aufgabe auf seine Büroangestellten delegiert.
10 b) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass das FG die Beschwerdeschrift nicht noch innerhalb der Beschwerdefrist an den BFH weitergeleitet hat.
11 Zwar kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht, wenn der fristgebundene Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (z.B. , BFH/NV 2012, 1811).
12 Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor. Die Beschwerdeschrift wurde erst am letzten Tag der Frist gegen Dienstschluss eingereicht. Dass der Schriftsatz dann am Folgetag der Vorsitzenden des im Schriftsatz durch das angegebene Aktenzeichen benannten Senats übermittelt und erst im Laufe eines weiteren Tages an den BFH übermittelt wurde, ist als Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang zu werten (vgl. etwa , BFH/NV 2004, 976).
13 c) Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlerhafte Adressierung bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift nicht bemerkt hat, ist deshalb als ihm allein (und nicht seinen Bürokräften oder den Bediensteten des FG) zuzurechnendes Verschulden anzusehen. Mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes kommt es nicht darauf an, ob auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FGO gewahrt wurden.
14 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
15 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 42 Nr. 1
DStR 2014 S. 16 Nr. 49
StBW 2014 S. 974 Nr. 25
TAAAE-78506