BSG Beschluss v. - B 5 R 66/14 B

Instanzenzug: S 10 (15) R 278/09

Gründe:

1Mit Urteil vom hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung ihres am verstorbenen Ehemanns (Versicherter) verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

7Die Beschwerdebegründung wird diesen Erfordernissen nicht gerecht. Denn sie bezeichnet schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG), die der Senat grundsätzlich mit "ja" oder "nein" beantworten könnte (vgl Senatsbeschlüsse vom - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10 und vom - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7 sowie BAGE 121, 52 RdNr 5 f). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Keinesfalls gehört es zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag daraufhin zu analysieren, ob sich aus ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

8Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung auch keinerlei Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin trägt zwar vor, das LSG verlange, dass sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstelle. Dies könne bei kurzfristigen Lebensgemeinschaften angebracht sein, nicht aber bei langjährigen Gemeinschaften, wenn - wie vorliegend - wahrscheinlich andere als Versorgungsgesichtspunkte bestimmend gewesen seien. Bei langjährigen Lebensgemeinschaften müsse der Gegenbeweis auch anders als durch konkrete Heiratspläne erbracht werden können. Ob sich das damit verbundene Rechtsproblem nicht bereits anhand des Gesetzes (Normtextes) oder mit Hilfe vorhandener Rechtsprechung des BSG und des BVerfG lösen lasse, ist damit nicht dargelegt. Keinesfalls ersetzt die Darstellung der eigenen Rechtsansicht die vorzunehmende eingehende Auseinandersetzung mit der thematisch einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

9Zusätzlich fehlt es an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Insoweit hätte die Klägerin aufzeigen müssen, welchen Sachverhalt das LSG für das BSG bindend festgestellt hat (§ 163 SGG) und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die mit der Beschwerde angesprochenen Probleme entschieden werden muss.

10Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

11Die Klägerin trägt vor, das LSG wäre aufgrund des Grundsatzes des fairen Verfahrens verpflichtet gewesen, zumindest die Zeugin R. (Tochter der Klägerin) nach der Beweisaufnahme am durch die Berichterstatterin nochmals in der Hauptverhandlung am zu hören. Bei einer Aussage der Tochter der Klägerin in der Hauptverhandlung wäre es nicht zu der Entscheidung gekommen, wonach die Motivlage der Klägerin für den Senat bis zuletzt nicht gänzlich zu ergründen gewesen wäre.

12Eine Verletzung der "Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme" nach § 117 SGG hat die Beschwerdebegründung nicht ausreichend dargetan. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass nach der Übertragung der Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis § 108 und § 120 auf den Berichterstatter nach § 155 Abs 1 SGG die Vernehmung der Zeugen im Erörterungstermin am nicht als "geeigneter Fall" nach § 106 Abs 3 Nr 4 SGG anzusehen sei. Außerdem fehlen Ausführungen, ob die Klägerin bei Annahme eines solchen Verfahrensfehlers den Mangel in der mündlichen Verhandlung am gerügt hat, obgleich sie erschienen war und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste (§ 202 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO).

13Schließlich bleibt auch die Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG) erfolglos. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel "auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist". Die Beschwerdebegründung versäumt es aber bereits, Fundstelle und Wortlaut eines prozessordnungskonformen Beweisantrags wiederzugeben und darzulegen, die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Beschwerdeführerin habe einen derartigen Beweisantrag - im hier maßgeblichen Sinn der ZPO (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO) - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 4 S 1 ZPO) aufrechterhalten.

14Sofern die Klägerin eigenständig die Verletzung des Rechts auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) rügt (vgl BVerfGE 38, 105, 111; 110, 339, 342), genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht. Zum Anspruch auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren gehört auch das in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelte Willkürverbot (vgl BVerfGE 86, 148, 251). Es folgt aus dem auch im Prozessrecht geltenden allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine Entscheidung nicht mit dem Gesetz vereinbar ist, wohl aber dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist, wenn die Rechtsanwendung nicht mehr verständlich ist und sich deswegen der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 132, 141 f; 96, 189, 203).

15Anhaltspunkte dafür, dass das LSG willkürlich entschieden habe, lassen sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Entscheidung des LSG mangels einer erforderlichen Begründung nicht nachvollziehbar sei (vgl BVerfGE 71, 122, 135 f) oder dass sich die Entscheidung soweit von dem zugrunde liegenden Gesetz entferne, dass die Begründung den Zusammenhang mit diesem nicht mehr erkennen lasse (vgl - DVBl 1995, 430, 432). Die Klägerin rügt vielmehr im Kern das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des LSG. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann eine Verfahrensrüge hierauf nicht gestützt werden. Auch die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

16Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
NAAAE-77750