Anwendbarkeit der Regeln des internationalen Verbraucherschutzes: Einordnung eines Darlehensvertrages mit einer liechtensteinischen Bank zur Finanzierung einer Kapitallebensversicherung zum Zweck der Altersvorsorge in einem Altfall
Leitsatz
1. Fällt ein Lebensversicherungsvertrag nicht in den Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom , weil er zu den in Art. 37 Satz 1 Nr. 4 in der Fassung vom genannten Versicherungsverträgen gehört, unterliegt auch ein dessen Finanzierung dienender Darlehensvertrag nicht Art. 29 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom .
2. Die neben der Einzahlung in eine Lebensversicherung für deren Verwaltung anfallenden Kosten sind untergeordnete Nebenleistungen, die für die Einordnung des finanzierten Vertrags im Sinne von Art. 29 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom keine prägende Bedeutung besitzen.
Gesetze: Art 29 Abs 1 BGBEG vom , Art 37 S 1 Nr 4 BGBEG vom , § 355 BGB vom , § 495 Abs 1 BGB vom
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 13 U 203/11 Urteilvorgehend Az: 330 O 112/10
Tatbestand
1Die Klägerin, eine in Liechtenstein ansässige Bank, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, mit dem dieser eine Kapitalanlage finanziert hat. Der Beklagte beansprucht von der Klägerin im Wege der Widerklage Zahlung von 51.000 €, die er für den Erwerb dieser Kapitalanlage aus Eigenkapital und für Provision aufgewendet hat.
2Der in Hamburg wohnende Beklagte nahm mit Vertrag vom 22./, den er in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete, bei der Klägerin einen Kontokorrent-Rahmenkredit von bis zu 120.000 € auf. In der Vertragsurkunde heißt es u.a.:
"3. Kreditzweck:
Aufbau Altersvorsorge
...
12. Anwendbares Recht und Gerichtsstand:
Alle Rechtsbeziehungen des Kunden mit der Bank unterstehen dem liechtensteinischen Recht. ..."
3Der Beklagte finanzierte mit dem Darlehen den Erwerb einer Kapitallebensversicherung mit einer Einmalprämie von 150.000 € bei der C. AG mit Sitz in Liechtenstein (nachfolgend: C. ), die später durch Fusion in der Streithelferin der Klägerin aufgegangen ist. Das vom Beklagten hierfür aufgewandte Eigenkapital betrug 50.000 €. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für diese Lebensversicherung der C. heißt es in § 5 Abs. 3:
"Wie Ihre Beiträge, abgestimmt auf Ihre Risikobereitschaft, angelegt werden, bestimmen Sie aufgrund der vor Versicherungsbeginn festgelegten Anlagestrategie."
4Der Beklagte unterzeichnete am ein mit "Anlagestrategie" überschriebenes Formular, in dem es u.a. heißt:
"Die Verwaltung des Vermögens basiert auf folgender Anlagestrategie
...
...
Ich erkläre mich ausdrücklich damit einverstanden, dass folgender Vermögensverwalter für die Verwaltung des Deckungsstockes eine Vollmacht erhält:
S. AG
..."
5Darüber hinaus unterzeichnete der Beklagte am ein mit "Verwaltungsvollmacht an Dritte" überschriebenes Formular der Klägerin, mit dem er als Vollmachtgeber die S. AG mit Sitz in der Schweiz (nachfolgend: S. ) als Bevollmächtigte ernannte, ihn gegenüber der Klägerin zu vertreten. Mit weiterer Erklärung vom verpfändete er seine Ansprüche aus dem mit der C. geschlossenen Lebensversicherungsvertrag sicherungshalber an die Klägerin.
6Die Kapitalanlage war dem Beklagten von seiner Anlageberaterin "M. GmbH" empfohlen und ebenso wie das Darlehen der Klägerin von der S. vermittelt worden, die dem Beklagten dafür eine Provision in Höhe von 1% der Kreditsumme berechnete.
7Die Klägerin verlangte von dem Beklagten am die Schließung einer Deckungslücke von 28.016 €, die durch eine Wertminderung der verpfändeten Lebensversicherung entstanden war. Am forderte die Klägerin den Beklagten "letztmalig" auf, eine Unterdeckung von nunmehr 30.077,95 € zurückzuführen. Da diese Aufforderung erfolglos blieb, stellte die Klägerin, wie von ihr angekündigt, das Darlehen fällig.
8Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin nach Verwertung der Ansprüche aus der Lebensversicherung noch 32.489,82 €. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage die Rückzahlung des von ihm aufgewandten Eigenkapitals von 50.000 € und Erstattung der an die S. gezahlten Darlehensvermittlungsprovision von 1.000 €.
9Der Beklagte hält deutsches Verbraucherschutzrecht für anwendbar und meint, danach sei er berechtigt gewesen, seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen. Zudem habe ihm die Klägerin für fehlerhafte Beratung durch den Anlageberater und eigene Pflichtverletzungen Schadenersatz zu leisten.
10Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 51.000 € nebst Zinsen zu bezahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge zu Klage und Widerklage weiter.
Gründe
11Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
12Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2014, 262 ff. veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
13Die deutschen Verbraucherschutzvorschriften (§§ 355, 495 Abs. 1 BGB in der bis zum gültigen Fassung, und § 358 BGB in der bis zum gültigen Fassung, nachfolgend jeweils aF) seien nach Art. 29EGBGB in der bis zum gültigen Fassung (nachfolgend: aF) anwendbar. Der streitgegenständliche Kreditvertrag sei als Vertrag zur Finanzierung einer Dienstleistung anzusehen. Der Lebensversicherungsvertrag könne nur im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag und der Beteiligung an dem "S. Garantie Fonds" gesehen werden, da es sich um ein "geschlossenes Anlagekonzept" gehandelt habe. Die C. sei mit versicherungstypischen Risiken - der Leistung einer bestimmten garantierten Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalles - nicht belastet worden. Der von ihr im Fall des Todes des Versicherungsnehmers zu leistende Betrag bemesse sich vielmehr nach dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Wert des Deckungsstocks. Die C. habe an einem wichtigen Teilaspekt der Vermögensverwaltung - der Regulierung der aus der Vermögensverwaltung anfallenden Kosten - direkt mitgewirkt, damit "gewissermaßen eigenhändig" eine wesentliche Dienstleistung im Rahmen der Vermögensverwaltung erbracht und sei den Kunden gegenüber faktisch wie eine Vermögensverwalterin aufgetreten.
14Das "Anlagekonzept" sei darauf angelegt gewesen, dass die eingezahlten Beträge in einen der S. Garantie Fonds investiert würden. Tatsächlich habe der Versicherungsnehmer in Bezug auf den in den Deckungsstock einzubringenden Vermögenswert keine Wahlfreiheit gehabt.
15Dabei habe die S. im Auftrag der C. und nicht im Auftrag des Versicherungsnehmers gehandelt. Die S. betreibe "klassische Vermögensverwaltung", indem sie die Kundengelder im Deckungsstock "nach dem Grundsatz der Risikostreuung in unterschiedliche alternative Investmentstrategien über mehrere Hedge Fonds Manager und Commodity Trading Advisors investiere". Der Darlehensvertrag diene der Finanzierung dieser Dienstleistungstätigkeit, indem er "über die Kreditgewährung" einen wesentlichen Teil der verwalteten Vermögensmasse erst schaffe und indem die Kosten der Vermögensverwaltung aus dem wesentlich durch die Kreditierung geschaffenen Deckungsstock bedient würden. Dabei liege auch keine Dienstleistung von nur untergeordneter Natur vor. Die Vermögensverwaltung habe ein wesentliches Element des Vertrages dargestellt, da die Kapitalanlage möglichst gewinnbringend habe investiert werden sollen.
16Der vom Beklagten mit Schriftsatz vom erklärte Widerruf seiner auf Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung sei gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB aF wirksam gewesen. Eine Widerrufsfrist habe gemäß § 355 Abs. 3 BGB aF in Ermangelung einer Widerrufsbelehrung nicht bestanden. Da es sich bei dem Darlehen und dem "Kapitalanlagevertrag" um verbundene Verträge im Sinne von § 358 Abs. 3 BGB aF gehandelt habe, müsse der Beklagte der Klägerin weder die Darlehensvaluta noch die entstandenen Zinsen oder Kosten erstatten. Die Klägerin sei verpflichtet, dem Beklagten die von ihm eingebrachten 50.000 € und die geleistete Vermittlungsprovision von 1.000 € zurückzuerstatten.
II.
17Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
18Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hat der Senat geprüft und bejaht. Sie ergibt sich für die Klage aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO und für die Widerklage jedenfalls aus § 39 ZPO in entsprechender Anwendung.
19Die Ansicht des Berufungsgerichts, die dem Verbraucherschutz dienenden §§ 495 Abs. 1, 355, 358 BGB aF seien gemäß Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF auf den streitgegenständlichen Kreditvertrag anwendbar, ist rechtsfehlerhaft. Dem Beklagten steht nach diesen Vorschriften kein Widerrufsrecht zu.
201. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der von den Parteien geschlossene Kreditvertrag dem in Ziffer 12 der Vertragsurkunde gewählten Recht des Fürstentums Liechtenstein unterliegt. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht beurteilen sich vorliegend gemäß Art. 27 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1EGBGB aF nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein. Da das Berufungsgericht dieses Recht nicht ermittelt hat, ist revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die zwischen den Parteien getroffene Rechtswahlvereinbarung nach liechtensteinischem Recht wirksam ist.
212. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die gemäß Art. 27 EGBGB aF eröffnete Rechtswahl vorliegend nicht nach Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF eingeschränkt, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen.
22a) Das streitgegenständliche Darlehen stellt - anders als das Berufungsgericht meint - keinen Vertrag zur Finanzierung einer Dienstleistung im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF dar.
23Ein Kredit- oder Darlehensvertrag ist als Finanzierungsvertrag im Sinne des Art. 29 EGBGB aF einzustufen, wenn zwischen ihm und einem Vertrag über die Lieferung beweglicher Sachen oder über die Erbringung von Dienstleistungen eine Zweckbindung besteht, er mithin der Finanzierung eines solchen Liefer- oder Dienstleistungsvertrages dient (Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rn. 55; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 21; Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 11). Dabei ist der Begriff der "Erbringung von Dienstleistungen" in Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF nach dessen Schutzzweck weit auszulegen. Er umfasst tätigkeitsbezogene Leistungen aufgrund von Dienst-, Werk-, Werklieferungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen (, BGHZ 123, 380, 385 und vom - XI ZR 82/05, BGHZ 165, 248, 253; , BGHZ 135, 124, 130 f.). Maßgebend ist, dass die geschuldete tätigkeitsbezogene Leistung für den Vertrag prägende Bedeutung hat (vgl. , BGHZ 135, 124, 131; Staudinger/Magnus, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 61). Handelt es sich hingegen bei der geschuldeten tätigkeitsbezogenen Leistung nur um eine untergeordnete Nebenleistung, liegt kein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF vor (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 82/05, BGHZ 165, 248, 253; , BGHZ 135, 124, 131; OLG Frankfurt am Main, WM 2014, 255, 259; MünchKommBGB/Martiny, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 20).
24aa) Gemessen daran stuft das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft Verwaltungsleistungen der C. bzw. der S. als wesentliche Dienstleistungen im Rahmen des zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Vertrages ein.
25(1) Das Darlehen diente ausweislich der vertraglich vereinbarten Zweckbestimmung dem Aufbau der Altersvorsorge. Gegenüber der C. gab der Beklagte als Anlageziel "Vermögenszuwachs" an. Zur Erreichung dieses Ziels investierte der Beklagte nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts den Darlehensbetrag sowie das eingesetzte Eigenkapital in die Beteiligung an einem "S. Garantie Fonds". Das bei der Klägerin aufgenommene Darlehen diente somit der Finanzierung des Erwerbs dieser Kapitalanlage.
26(2) Dem steht nicht entgegen, dass - nach Auffassung des Berufungsgerichts - der Beklagte im Zusammenhang mit seiner Investition - mittelbar - auch für die Verwaltung anfallende Kosten zu tragen hatte.
27Solche Gebühren betreffen untergeordnete Nebenleistungen (vgl. OLG Frankfurt am Main, WM 2014, 255, 257; I-34 U 83/11, S. 8, n.v.), die typischer Weise mit einer Beteiligung an einem Investmentfonds verbunden sind. Diese Leistungen besitzen schon angesichts des Verhältnisses der hierfür üblicherweise vereinbarten Entlohnung von zwischen 0,3 und 2,0% des Rücknahmepreises (vgl. Förster/Hertrampf, Das Recht der Investmentfonds, 3. Aufl., Rn. 136) zur Investitionssumme für den finanzierten Vertrag keine prägende Bedeutung.
28Darüber hinaus ist die gemäß Art. 29 EGBGB aF erforderliche Zweckbindung zwischen dem streitgegenständlichen Darlehen und Verwaltungsleistungen der C. nicht gegeben. Die laufenden Verwaltungskosten sollten nach dem Vertragszweck, einen Vermögenszuwachs zu erzielen, nicht aus dem streitgegenständlichen Darlehen finanziert werden, sondern aus den mit der Investition erwirtschafteten Erträgen. Zu einem Vermögenszuwachs beim Beklagten konnte die Investition erwartungsgemäß nämlich nur dann führen, wenn die mit ihr erzielten Erträge mindestens die Fremdkapitalzinsen sowie die laufenden Verwaltungskosten decken. Besondere Verwaltungskosten sollten - wie das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt hat - ohnehin vom Versicherungsnehmer später an die C. nachgeschossen werden.
29bb) Zu Unrecht macht die Revisionserwiderung geltend, Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF sei auf den streitgegenständlichen Kreditvertrag anzuwenden, weil dieser der Finanzierung eines Kapitallebensversicherungsvertrages und damit einer Dienstleistung gedient habe.
30Zwar trifft es zu, dass die Gewährung von Versicherungsschutz als Dienstleistung anzusehen ist (vgl. EuGH, NJW 1987, 572, 573; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 18; Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 7; Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, Art. 15 EGVVG Rn. 5) und Versicherungsverträge dementsprechend als Dienstleistungsverträge im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF eingestuft werden können (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vor Art. 7 EGVVG Rn. 23). Soweit Versicherungsverträge aber gemäß Art. 37 Satz 1 Nr. 4 EGBGB aF nicht den Regelungen der Art. 27 bis 36 EGBGB aF, sondern den Art. 7 bis 15 EGVVG in der bis zum geltenden Fassung (nachfolgend: aF) unterworfen sind, beansprucht Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF keine Geltung (vgl. Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rn. 30 und 53; MünchKommBGB/Martiny, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 18; Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, Vorbem. Art. 7 EGVVG Rn. 17).
31So liegen die Dinge hier. Der Versicherungsschutz, der dem in Hamburg wohnhaften Beklagten für den Fall seines Todes gewährt wurde, deckte nach Art. 37 Satz 1 Nr. 4 EGBGB aF in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a EGVVG aF ein in der Bundesrepublik Deutschland belegenes Risiko. Fällt jedoch schon der Lebensversicherungsvertrag nicht in den Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB aF, gilt dies - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - erst recht nicht für den hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag, mit dem der Beklagte diesen Lebensversicherungsvertrag finanziert hat.
32cc) Anders als die Revisionserwiderung annimmt, rechtfertigt vorliegend auch nicht die Verweisung in Art. 15 EGVVG aF auf die Art. 27 bis 36 EGBGB aF eine Anwendung des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF zugunsten des Beklagten. Denn Art. 15 EGVVG aF findet auf Kreditverträge keine Anwendung. Der sachliche Anwendungsbereich der Art. 8 bis 15 EGVVG aF wird durch Art. 7 Abs. 1 EGVVG aF bestimmt (Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, Art. 7 EGVVG Rn. 1; Bruck/Möller/Dörner, VVG, 9. Aufl., Einf. Int. VersR Rn. 23 f.). Danach knüpfen diese Vorschriften an die in Art. 7 Abs. 1 EGVVG aF genannten Versicherungsverträge an, sodass sich die Art. 8 ff. EGVVG aF und damit auch Art. 15 EGVVG aF nicht auf Kreditverträge beziehen. Von der Rückverweisung nach Art. 15 EGVVG aF auf die allgemeinen vertragsrechtlichen Kollisionsregeln der Art. 27 bis 36 EGBGB aF wird daher der hier in Streit stehende Kreditvertrag nicht erfasst.
33b) Entgegen der weiter von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist der streitgegenständliche Kreditvertrag auch für sich genommen nicht als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF anzusehen. Verbraucherkreditverträge fallen nämlich nicht allgemein unter Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF (Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rn. 56 mwN; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 22 mwN;Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 11). Nach Systematik und Wortlaut erfasst Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF Kreditverträge nur dann, wenn sie der Finanzierung einer Dienstleistung oder der Lieferung einer beweglichen Sache dienen (vgl. zutreffend OLG Frankfurt am Main, WM 2014, 255, 259; Staudinger/Magnus, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 54).
34Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in anderem Zusammenhang die Vergabe von Bankkrediten als "Erbringung von Dienstleistungen" eingeordnet hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 9/11, WM 2012, 747 Rn. 21). Ob die Gewährung eines Darlehens eine Dienstleistung im Sinne des im dort entschiedenen Fall auszulegenden Art. 5 Nr. 1 Buchst. b 2. Spiegelstrich EuGVVO ist, war nach dem gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegenden Wortlaut dieser Norm zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 9/11, WM 2012, 747 Rn. 16), der nicht mit dem des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF übereinstimmt. Da in Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF ausdrücklich nur bestimmte Finanzierungsverträge genannt werden, kann bei dessen Auslegung insoweit nicht Rechtsprechung übernommen werden, die zu Regelungen ergangen ist, die diese Präzisierung nicht enthalten.
III.
35Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen kommt weder eine entsprechende Anwendung des Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF in Betracht (vgl. , BGHZ 165, 248, 254 f. und vom - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124, 133 ff.) noch eine Anwendung der deutschen Vorschriften über den Widerruf von Verbraucherkrediten nach Art. 34 EGBGB aF (vgl. , BGHZ 165, 248, 255 ff. und vom - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124, 135 f.).
IV.
361. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ZPO).
37Der Senat ist zwar befugt, das maßgebliche ausländische Recht selbst festzustellen, da das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat (, BGHZ 36, 348, 356, vom - VII ZR 102/65, BGHZ 49, 384, 387 und vom - IX ZR 254/92, BGHZ 122, 373, 378; MünchKommZPO/Krüger, 4. Aufl., § 563 Rn. 27; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 563 Rn. 31). Er macht vorliegend aber von der ihm nach § 563 Abs. 4 ZPO gegebenen Möglichkeit Gebrauch, das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da eingehende Ermittlungen des liechtensteinischen Rechts (vgl. , BGHZ 118, 151, 168) und ggf. eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind.
382. Das Berufungsgericht wird unter Beachtung der nach § 293 ZPO bestehenden Anforderungen (vgl. , BGHZ 118, 151, 163 f.) gemäß Art. 27 Abs. 4 EGBGB aF in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 EGBGB aF zu klären haben, ob sich die Parteien in Ziffer 12 des streitgegenständlichen Kreditvertrages nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein wirksam auf die Anwendung von liechtensteinischem Recht geeinigt haben. Soweit das Berufungsgericht danach die Anwendbarkeit von liechtensteinischem Recht auf den Kreditvertrag bejahen sollte, wird weiter zu ermitteln sein, ob dem Beklagten nach liechtensteinischem Recht ein Widerrufsrecht oder ein vergleichbares Recht zusteht, sich von dem Kreditvertrag zu lösen. Bejahendenfalls sind die Rechtsfolgen einer solchen Rechtsausübung nach liechtensteinischem Recht zu klären. Soweit nicht schon die Rechtsfolgen eines Widerrufs den Klageanspruch entfallen lassen und sich die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche nicht aus einer etwaigen Rückabwicklung des Kreditverhältnisses nach liechtensteinischem Recht rechtfertigen, wird sich das Berufungsgericht damit zu befassen haben, ob dem Beklagten gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche nach liechtensteinischem Recht zustehen.
39Im Rahmen des nach § 293 ZPO bei der Ermittlung des ausländischen Rechts auszuübenden Ermessens wird zu bedenken sein, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten ohne Zustimmung beider Parteien dann verwertet werden kann, wenn es in einem Gerichtsverfahren oder von der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist.
Wiechers Ellenberger Maihold
Matthias Derstadt
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 2526 Nr. 44
DB 2014 S. 6 Nr. 44
NJW 2015 S. 555 Nr. 8
WM 2014 S. 2088 Nr. 44
ZIP 2014 S. 2173 Nr. 45
DAAAE-77655