BGH Beschluss v. - 3 StR 283/14

Richterablehnung im Strafverfahren: Unsachliche Äußerungen eines Richters im Rahmen einer Vorentscheidung

Gesetze: § 24 Abs 1 StPO, § 24 Abs 2 StPO, § 338 Nr 3 StPO

Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 25 Ks 11/13

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter Anstiftung zum Mord zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Y.   ) bzw. von drei Jahren und zwei Monaten (C.    ) verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben mit der von beiden Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden ist (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO).

21. Der Beanstandung liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:

3Am ersten Hauptverhandlungstag, dem , lehnte der Angeklagte C.    den beisitzenden Richter am Amtsgericht P.     gegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte der Angeklagte aus, der abgelehnte Richter - der als Ermittlungsrichter den Haftbefehl gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten vom erlassen sowie dabei deren Untersuchungshaft angeordnet hatte - habe am in einem Telefonat mit seinem Verteidiger, in dem über die Einlegung und die Aussichten einer Haftbeschwerde in der vorliegenden Sache gesprochen worden war, u.a. geäußert: "Unter uns gesagt, machen Sie sich doch nichts vor, die Drei gehören dahin, wo sie sind, und zwar ganz lange und ganz tief. Solche Leute haben in Freiheit nichts zu suchen". Der Angeklagte Y.    schloss sich diesem Ablehnungsgesuch an. Durch den - in der Hauptverhandlung vom verkündeten - Beschluss vom wies die Strafkammer - ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters - die Ablehnungsgesuche als unbegründet zurück.

42. Die Ablehnung erfolgte mit Recht. Aus Sicht der Angeklagten lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

5a) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben die Angeklagten die behaupteten Äußerungen des abgelehnten Richters hinreichend glaubhaft gemacht. Sie sind insbesondere auch nicht aufgrund des zwischenzeitlichen Verhaltens des Verteidigers des Angeklagten C.    , der die Ablehnungsgründe im Rahmen weiterer Haftentscheidungen sowie bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht geltend gemacht hatte, oder infolge der dienstlichen Äußerung des Abgelehnten zweifelhaft.

6b) In der Sache bestand für die Angeklagten bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhaltes Grund zu der Annahme, der abgelehnte Richter nehme ihnen gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN).

7Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist allerdings, soweit sie nicht die Tatbestände eines Ausschlussgrundes gemäß § 22 Nr. 4 und 5, § 23 oder § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen; denn eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in damit zusammenhängenden Verfahren ist von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Dies gilt nicht nur für die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern etwa auch die Befassung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHSt 21, 142; vom - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341 und vom - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 337 sowie Beschluss vom - 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 24 Rn. 12 ff. mwN). Anders verhält es sich lediglich bei Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies ist etwa der Fall, wenn frühere Entscheidungen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei oder in Verbindung mit einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 15 f.).

8So war es hier. Die vorliegend geltend gemachten Äußerungen des im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten als Haftrichter tätigen beisitzenden Richters gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten C.    sind besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung. Schon nach ihrem Inhalt bestand aus Sicht der Beschwerdeführer mit Recht die Besorgnis, der beisitzende Richter stehe ihnen (auch) im Hauptverfahren nicht unbefangen gegenüber, sondern habe sich in der Sache bereits eine endgültige, zu ihren Lasten gehende Meinung gebildet. Daran vermag im Ergebnis nichts zu ändern, dass sich die Äußerungen des Richters nach dem Anlass des Telefonats und seinem weiteren Inhalt (allein) auf die Erfolgsaussicht einer Haftbeschwerde des Angeklagten C.    bezogen hatten, und zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits geraume Zeit zurücklagen.

93. Das Ablehnungsgesuch durfte nach alledem nicht zurückgewiesen werden, weil die früheren Äußerungen des beisitzenden Richters den Eindruck der Voreingenommenheit hervorrufen mussten. Deshalb liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vor, der den Senat dazu zwingt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.

10Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung rein vorsorglich darauf hin, dass es bei Verneinung des Vorliegens von Mordmerkmalen beim Anstifter selbst hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der (hier: geplanten) Tat für ihn darauf ankommt, ob diese für den Täter ein Mord wäre und ob dem Anstifter die hierfür maßgeblichen Umstände bewusst waren. Hätte der Täter bei Ausführung der Tat einen Mord begangen, weil er einen Menschen gegen eine Belohnung getötet und daher aus Habgier im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hätte, so kommt bei dem Anstifter - bei Vorliegen der erforderlichen subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen - ein Schuldspruch wegen (hier: versuchter) Anstiftung zum Mord in Betracht. Hinsichtlich des für den Anstifter anzuwendenden Strafrahmen ist allerdings zu beachten, dass bei einem solchen Versuch der Beteiligung die in § 211 Abs. 1 StGB bestimmte Strafe nicht nur gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB, sondern weiter im Hinblick auf § 28 Abs. 1 StGB und mithin zweifach gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre (vgl. , NStZ 2006, 34, 35 sowie Urteil vom - 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288, 290).

Fundstelle(n):
FAAAE-77637