BSG Beschluss v. - B 5 R 188/14 B

Instanzenzug: S 9 R 365/12

Gründe:

1Mit Urteil vom hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung ab dem im Zugunstenverfahren verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel (I.) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (II.) geltend gemacht.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6I. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

7Rügt der Beschwerdeführer, das LSG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, so muss er in der Beschwerdebegründung (1) einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, den das Revisionsgericht ohne weiteres auffinden kann, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (Senatsbeschluss vom - B 5 R 206/08 B - NJW 2010, 1229; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN und Nr 21 RdNr 5). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8Die Klägerin behauptet, sie habe "in der mündlichen Verhandlung, Seite 2 des Protokolls vom , ... hilfsweise beantragt, Dr. Ö. und Dr. T. als Zeugen zur der Tatsache zu vernehmen, dass die Depression bereits im August 2007 so stark ausgeprägt war, dass zu diesem Zeitpunkt volle Erwerbsminderung vorgelegen hat."

9Hiermit hat sie jedoch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 414 ZPO) bezeichnet. Merkmal eines solchen Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Soweit die Klägerin die Rechtsansicht vertritt, sie sei bereits im August 2007 voll erwerbsgemindert gewesen, liegt darin gerade keine Behauptung beweisbarer Tatumstände. Denn der Begriff der vollen Erwerbsminderung ist ein Rechtsbegriff und damit dem Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich. Die Klägerin verkennt, dass die (wertende) Einschätzung der Leistungsfähigkeit gerade keine Bekundung selbst wahrgenommener Anknüpfungstatsachen ist, die Gegenstand des Zeugenbeweises sein können (vgl Senatsbeschluss vom - B 5 R 148/13 B - BeckRS 2013, 71851 RdNr 12 und - BeckRS 2013, 69165 RdNr 10; s auch Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 745). Im Übrigen ist für die Feststellung des zeitlichen und/oder qualitativen (Rest-)Leistungsvermögens nicht die medizinische Diagnose ("Depression") entscheidend; maßgeblich sind vielmehr die Defizite (Funktionsstörungen), die aus der jeweiligen Erkrankung resultieren. Deshalb hätte die rechtskundig vertretene Klägerin - was keine besondere Sachkunde erforderte - von sich aus Art, Intensität und Ausmaß der körperlichen, geistigen und/oder kognitiven Leistungsstörungen, die sie seit August 2007 auf die Depression zurückführt, konkret, detailliert und substantiiert beschreiben und diese Tatsachenbehauptungen unter Beweis durch sachverständige Zeugen stellen und deren ladungsfähige Anschriften benennen müssen. Nur damit hätte sie das LSG in die Lage versetzt, die Entscheidungserheblichkeit ihres Antrags zu prüfen und seine Auffassung "hinreichend" iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu begründen.

10II. Auch die Grundsatzrüge hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 42).

11Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob die Beklagte auf die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Erwerbsminderungsrentenanwartschaften durch Zahlung freiwilliger Beiträge hinweisen muss."

12Mit dieser Frage hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Denn sie lässt schon völlig offen, welches Tatbestandsmerkmal welcher materiell-rechtlichen Bundesnorm (§ 162 SGG) überhaupt in Rede steht und mit Blick auf welche Hinweispflichten ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. Zudem lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat, so dass unklar bleibt, ob die genannte Frage im Fall der Klägerin überhaupt entscheidungserheblich (klärungsfähig) sein kann. Schließlich fehlen jegliche Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Es wird nicht ansatzweise erörtert, ob sich eine Antwort auf die Frage nicht aus bereits vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt oder erschließen lässt. Die Klägerin behauptet noch nicht einmal, dass die Frage höchstrichterlich bisher nicht entschieden sei.

13Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
RAAAE-77150