Strafverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr: Urteilsfeststellungen zum konkreten Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert
Gesetze: § 315b StGB
Instanzenzug: LG Essen Az: 22 KLs 6/13
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten Mo O. unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Betruges in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, den Angeklagten J. O. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wegen Betruges in jeweils fünf Fällen.
2Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; die weiter gehenden Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
I.
3Die vom Angeklagten J. O. erhobene, nicht näher ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
II.
41. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von beiden Angeklagten geltend gemachten sachlich-rechtlichen Beanstandungen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht sie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt hat. Die bisherigen, zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass ihr Fehlverhalten eine konkrete Gefährdung der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter zur Folge hatte.
5a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (Senatsurteil vom - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschlüsse vom - 4 StR 667/11, NStZ 2012, 700, 701 und vom - 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17). Die Annahme einer solchen, über die abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausgehende konkrete Gefährdung wird im angefochtenen Urteil in keinem der betreffenden Fälle belegt.
6b) Die Angeklagten führten nach den Feststellungen des Landgerichts als Fahrer verschiedener Kraftfahrzeuge absichtlich insgesamt neun Verkehrsunfälle herbei und machten im Anschluss gegenüber den gegnerischen Haftpflichtversicherungen unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend, um sich dadurch eine nicht nur vorübergehende und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Zum Beleg der Voraussetzungen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in insgesamt sieben Fällen teilt die Strafkammer in den Urteilsgründen den jeweiligen Anschaffungs- bzw. Zeitwert des Fahrzeugs des Unfallgegners sowie, aufgeschlüsselt nach einzelnen Schadenspositionen, die Beträge mit, die die Angeklagten mit Anwaltsschreiben bei den gegnerischen Haftpflichtversicherungen geltend machten und welche Summen sie letztlich ausgezahlt erhielten. Daraus sowie aus den Feststellungen zum jeweiligen Unfallhergang folgert das Landgericht, in den betreffenden Fällen seien schon deshalb fremde Sachen von bedeutendem Wert, nämlich in der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angenommenen Mindesthöhe von 750,00 € (vgl. dazu Senatsbeschluss vom - 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5) gefährdet worden, weil es im Zuge der jeweiligen Vorfälle tatsächlich zu Kollisionen zwischen den beteiligten Kraftfahrzeugen gekommen sei. Feststellungen zu den jeweils konkret eingetretenen Fremdschäden werden in den Urteilsgründen indes nicht mitgeteilt. Diese und die konkrete Gefahr weiterer Schäden lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Schilderung der jeweiligen Kollisionen und dem jeweils mitgeteilten Schadensbild nicht hinreichend sicher entnehmen. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Prüfung durch den Tatrichter, der auch über die Gesamtstrafe neu zu befinden haben wird. Da sich der durchgreifende Rechtsfehler auf die Feststellungen zur konkreten Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert beschränkt, hat der Senat die übrigen Urteilsfeststellungen aufrecht erhalten.
72. Den weiter gehenden Rechtsmitteln bleibt der Erfolg aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom versagt.
8Der Senat bemerkt insoweit lediglich ergänzend, dass in der strafschärfenden Berücksichtigung der Vorverurteilung vom hinsichtlich des Angeklagten Mo. O. entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kein Verstoß gegen § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG liegt: Gemäß § 46 Abs. 3 BZRG verlängert sich die Frist von 15 Jahren um die Dauer der durch das damalige Urteil des Landgerichts Essen verhängten Freiheits- strafe von zwei Jahren und neun Monaten (vgl. Senatsbeschluss vom - 4 StR 125/99, BGHR BZRG § 46 Abs. 1 Tilgungsfrist 2).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
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Fundstelle(n):
YAAAE-75104