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LSG Berlin-Brandenburg Urteil v. - L 8 R 476/12

Streitig ist im Zugunstenverfahren (= Überprüfungsverfahren), ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Träger der Sonderversorgung der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR weitere Arbeitsentgelte als Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz festzustellen hat (AAÜG). Der Kläger wurde im Juli 1943 geboren und legte sein Berufsleben bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR zurück. Dort war er am 17. Mai 1965 in den Dienst der Zollverwaltung eingetreten und in der streitigen Zeit bis 31. Dezember 1991 tätig, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Zollhauptkommissars. In den vorhandenen Besoldungsstammkarten sind Einträge für Besoldung und zeitweise Zulagen ("Fremdsprachenzuschlag/Überstunden") - bezeichnet als "Besoldung brutto" - sowie Abzüge hiervon für den Versorgungsfonds bzw. die Sozialversicherung und für gesonderte - keinen Beiträgen oder Abgaben unterliegende -, zeitweise Zahlungen für Zuschläge "Grenzdienst/Sperrzone/Kontrolle mit Diensthund/Haarpflege", Reinigungszuschüsse, Wohnungsgeld, Verpflegungsgeld sowie "Kindergeld, Kinder- und Ehegattenzuschlag" dokumentiert. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens beim Träger der Rentenversicherung stellte die Oberfinanzdirektion Cottbus als damaliger Träger des Sonderversorgungssystems der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 3 zum AAÜG) durch Bescheid vom 9. Februar 2000 der Sache nach die Zugehörigkeit des Klägers zu diesem Sonderversorgungssystem sowie Entgelte für den Zeitraum 17. Mai 1965 bis 31. Dezember 1991 fest. Als "unbegrenztes Gesamtentgelt" berücksichtigte sie dabei für die Zeit bis zum 31. Dezember 1990 die jeweiligen Jahressummen der in den Besoldungsstammkarten ausgewiesenen Bruttobesoldung und des Wohngelds. Für das Jahr 1991 berücksichtigte sie neben den in der Besoldungsstammkarte ausgewiesenen Bruttoarbeitsentgelten von monatlich 1.920,- DM weitere Entgelte (für die Monate Januar bis Juni insgesamt 2.231,81 DM), für die Monate Juli bis Dezember insgesamt 4.758,51 DM), die nicht in der Besoldungsstammkarte aufgeführt waren. Der Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten. Im Dezember 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten, den Bescheid vom 9. Februar 2000 zu überprüfen und weitere von der Zollverwaltung an ihn ausgezahlte Zulagen und Zuschläge als tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 4-8570 § 6 Nr. 4. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 15. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 ab. Der Bescheid vom 9. Februar 2000 sei nicht rechtswidrig. Leistungen, die dem Grunde nach nicht versicherbar gewesen seien und auch nach dem Versorgungsrecht keinerlei versorgungsrechtliche Bedeutung gehabt hätten, könne keine Überführungsrelevanz beigemessen werden, sodass sie auch nicht als Entgelt im Sinne des AAÜG anzusehen seien. Mit seiner Klage hat der Kläger das Anliegen verfolgt, für den Zeitraum 17. Mai 1965 bis 31. Dezember 1991 auch die Zahlbeträge des Verpflegungsgeldes und des Reinigungszuschlags sowie des Sachbezugs kostenloser Verpflegung während seiner Dienstzeit als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen. Die Beklagte verwende einen Entgeltbegriff, der mit den Vorschriften des Vierten und Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV und VI) nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Es bleibe auch offen, nach welchen Kriterien Besoldungsbestandteile bisher überführt worden seien. Werde der Auffassung der Beklagten gefolgt, würden die Angehörigen der Sonderversorgung letztlich auf die Rechtspositionen beschränkt, die sie in der Sozialversicherung und gegebenenfalls der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) erworben hätten. Einer besonderen Überführungsregelung hätte es dann aber nicht bedurft. Entgegen der Ansicht der Beklagten stütze das Urteil des BSG in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 das Klagebegehren. Das Urteil betreffe alle Versorgungssysteme ohne Unterschied. Das Verpflegungsgeld und der Reinigungszuschuss seien Arbeitsentgelt, weil sie dem Kläger für die Dauer und nur im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis und für eine erbrachte Arbeitsleistung gewährt worden seien. Die Beklagte hat der Klage entgegen gehalten, dass die Zahlungen selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht als Arbeitsentgelt anzusehen seien, weil sie nicht als Gegenwert oder Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung gezahlt worden seien. Verpflegungsgeld hätten Bedienstete dann erhalten, wenn sie nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen hätten. Die Anweisung, dass es nach vorheriger taggenauer Meldung über die Anspruchsdauer zusammen mit der Besoldung auszuzahlen, aber nicht rentenbeitragspflichtig gewesen sei, zeige, dass es nicht Teil der Besoldung, widerruflich und nicht ruhegehaltsfähig gewesen sei. Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beteiligten ihre jeweiligen Auffassungen zum Begriff des (überführungsfähigen) Entgelts weiter ausgeführt; auf die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen. Durch Urteil vom 19. April 2012 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Der Kläger könne von der Beklagten nicht die Feststellung von Verpflegungsgeld oder Reinigungszuschlägen als weiteres Arbeitsentgelt beanspruchen. Es habe sich nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne des AAÜG gehandelt. Diese beiden Begriffe stimmten mit denen der §§ 14, 15 SGB IV überein, wie auch das BSG entschieden habe. Das Verpflegungsgeld und der Reinigungszuschlag seien aber deshalb nicht zu berücksichtigen, weil dafür keine Lohnsteuer gezahlt worden sei. Entgegen der Auffassung des BSG sei nicht darauf abzustellen, ob das Arbeitsentgelt nach dem am 1. August 1991 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Einkommensteuerrecht steuerpflichtig gewesen sei. Eine andere Auslegung widerspreche nach Überzeugung der Kammer ferner dem Überführungsauftrag des Einigungsvertrages, wonach Ansprüche und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen seien und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen dürfe.

Fundstelle(n):
IAAAE-74856

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LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.09.2014 - L 8 R 476/12

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