LSG Niedersachsen-Bremen Urteil v. - L 2/12 R 124/12
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das Sozialgericht sie in dem angefochtenen Urteil dazu verpflichtet hat, die Zeit des Besuchs eines Berufsgrundbildungsjahres vom 1. August 1990 bis zum 3. Juli 1991 in dem angefochtenen Vormerkungsbescheid an Stelle der aus ihrer Sicht festzustellenden Zeit einer schulischen Ausbildung als Zeitraum einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme anzuerkennen. Der am 30. September 1972 geborene Kläger besuchte nach Erlangung des Realschulabschlusses und dem Besuch der einjährigen Berufsfachschule Wirtschaft vom 1. August 1990 bis zum 3. Juli 1991 an den Berufsbildenden Schulen des Landkreises I. in J. das Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft. Der Unterricht dieser Vollzeitausbildung gliederte sich in die Bereiche "Berufsfeldübergreifender Lernbereich" mit den Fächern Deutsch, Gemeinschaftskunde, Sport und Religion, "Berufsfeldbezogener Lernbereich" mit den Fächern Betriebslehre, Mathematik, Bodenkunde/Pflanzenernährung, Biologie und Agrartechnik sowie in einen "Fachpraktischen Bereich", in dem produktionstechnische Grundtätigkeiten in den Bereichen Holz, Metall, Gartenbau und Floristik sowie Zeichnen und Gestalten vermittelt wurden. Wahlpflichtangebote nahm der Kläger in den Fächern Englisch und Ökologie wahr. Der Besuch dieses Berufsgrundbildungsjahrs wurde auf der Grundlage von Rechtsverordnungen nach § 29 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (i.d.F. des Gesetzes vom 18.03.1975, BGBl I, 705) bzw. § 27a der Handwerksordnung in den dem Berufsfeld Agrarwirtschaft mit dem Schwerpunkt Pflanzen zugeordneten Ausbildungsberufen angerechnet (so der amtliche Hinweis auf dem Abschlusszeugnis vom 3. Juli 1991). Dementsprechend verkürzte sich die sich anschließende grundsätzlich dreijährige Berufsausbildung zum Gärtner im Blumen- und Zierpflanzenbau, die der Kläger mit der Note sehr gut absolviert hat, aufgrund der Anrechnung des zuvor absolvierten Berufsgrundbildungsjahrs auf zwei Ausbildungsjahre vom 1. August 1991 bis Mitte 1993. In den folgenden Jahren war der Kläger, der nachfolgend auch die Meisterprüfung abgelegt hat, als Gärtner tätig, wobei er zuletzt in Norwegen gearbeitet hat. Mit dem angefochtenen Vormerkungsbescheid vom 4. März 2010 stellte die Beklagte den mehr als sechs Jahre zurückliegenden Versicherungsverlauf des Klägers fest und berücksichtigte dabei den Zeitraum des Besuchs des Berufsgrundbildungsjahr vom 1. August 1990 bis zum 3. Juli 1991 als Anrechnungszeit in Form des Schulbesuchs. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger demgegenüber geltend, dass dieser Zeitraum als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zu berücksichtigen sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2010 zurück. Zur Begründung legte sie dar, dass zu den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen alle Maßnahmen zu rechnen seien, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereiten würden. Das Berufsgrundbildungsjahr stelle eine schulische Form der Berufsvorbereitung dar. Der Widerspruchsausschuss sei jedoch der Auffassung, dass der durch das Berufsgrundbildungsjahr vermittelte Bildungsstand dafür spreche, die Teilnehmer wie Schüler zu behandeln, die eine allgemeinbildende Schule besuchen würden. Der berufsfeldbezogene Unterricht sei nicht auf einen bestimmten Beruf, sondern auf ein größeres Feld von Berufen aus dem Bereich Agrarwirtschaft ausgerichtet gewesen. Mit der am 17. Juni 2010 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass das Berufsgrundbildungsjahr eine Ausbildungszeit mit beruflichem Bezug dargestellt habe. Mit Urteil vom 12. April 2012, der Beklagten zugestellt am 24. April 2012, hat das Sozialgericht Oldenburg die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Vormerkungsbescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2010 verpflichtet, die Zeit des Berufsgrundbildungsjahres vom 1. August 1990 bis zum 3. Juli 1991 als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme anzuerkennen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass im vorliegenden Fall das Berufsgrundbildungsjahr den Kläger konkret auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereitet habe, wobei das Land Niedersachsen seinerzeit von der Möglichkeit des § 7 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz Gebrauch gemacht und durch Rechtsverordnung den Besuch eines solchen Berufsgrundbildungsjahres verpflichtend vorgeschrieben habe. Es würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen, wenn Auszubildende, denen (wie im vorliegenden Fall) nach dem jeweils maßgeblichen Landesrecht der vorausgehende Besuch eines auf die dreijährige Berufsausbildung anzurechnenden Berufsgrundbildungsjahrs vorgeschrieben sei, rentenrechtlich schlechter behandelt würden als Auszubildende in anderen Bundesländern bzw. in anderen Berufen, die ohne Besuch eines Berufsgrundbildungsjahrs sogleich die reguläre dreijährige betriebliche Ausbildung aufnehmen könnten. Mit ihrer am 7. Mai 2012 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass nach ihrem Verständnis das Berufsgrundbildungsjahr einer Schulausbildung entspreche. Es werde während seiner nur eine berufliche Grundbildung vermittelt, die einer allgemeinen Schulbildung entspreche. Mit weiterem Bescheid vom 3. Dezember 2012 hat die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab 1. Oktober 2009 eine bis zum 30. September 2015 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 321,81 EUR bewilligt, wobei die Beklagte bei der Rentenberechnung das streitbetroffene Berufsgrundbildungsjahr als Anrechnungszeit in Form des Schulbesuchs berücksichtigt hat. In den Gründen des Bescheides hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass eine Anfechtung seiner im Hinblick auf die angestrebte Berücksichtigung des Berufsgrundbildungsjahrs als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nicht in Betracht komme, da diese Frage bereits Gegenstand des anhängigen vorliegenden Rechtsstreits sei.
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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 04.06.2014 - L 2/12 R 124/12
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