BGH Beschluss v. - 2 StR 22/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von bedenklichen Arzneimitteln in 47 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 50.000 Euro angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte als Betreiber eines sogenannten „Headshops“ seit 2009 mit Kräutermischungen, die, wie er wusste, verschiedene synthetische Cannabinoide enthielten. Diese unterfielen – mit zwei Ausnahmen (Fälle 46, 47) – zur Tatzeit nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Das Landgericht wertete die angeklagten Fälle jeweils als vorsätzliches Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln, da die in den Kräutermischungen enthaltenen Cannabinoide als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG einzustufen seien. In den Fällen 46 und 47 hat das Landgericht tateinheitlich den Tatbestand des fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als verwirklicht angesehen. Bei bestimmten, in diesen Fällen bezogenen Kräutermischungen habe der Angeklagte auf Grund der ihm bekannten Ergebnisse der chemischen Untersuchung durch das Hessische Landeskriminalamt damit rechnen müssen, dass dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Substanzen enthalten seien.

32. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:

„Auf die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV des 3. Strafsenats des ) und des 5. Strafsenats vom (5 StR 107/14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C-358/13 und C-181/14 mit Urteil vom entschieden:

'Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass davon Stoffe wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfasst werden, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.'

Diese Auslegung bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen mit aufgebrachten synthetischen Cannabinoiden (entgegen der Auffassung des Landgerichts) nicht als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom (BGBl. I 1990), mit dem der Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei der europarechtliche Arzneimittelbegriff zur Umsetzung der Richtlinie in das AMG übernommen wurde, angesehen werden können, das Handeln des Angeklagten mithin nicht der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG unterfällt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Stoffe nicht zu therapeutischen Zwecken, sondern ausschließlich zur Erzielung einer berauschenden Wirkung mit dem Gefühl der Entspannung und einer veränderten Bewusstseinslage mit Verstärkung positiver Empfindungen konsumiert und waren dabei gesundheitsschädlich (UA S. 8/9).

In den Fällen 1 bis 45 kommt auch eine Strafbarkeit nach dem BtMG nicht in Betracht, da die aufgebrachten synthetischen Cannabinoide zur Tatzeit (noch) nicht in Anlage II zum BtMG aufgeführt waren und daher keine Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG waren; die Substanzen JWH-081, JWH-122, JWH210, JWH-203 wurden erst durch die 26. BtMÄndV vom (BGBl. I 1639) mit Wirkung ab dem Betäubungsmittelbegriff unterstellt. In diesen Fällen wird der Angeklagte daher unter Aufhebung der Verurteilung freizusprechen sein.

In den Fällen 46 und 47 wird der als solcher rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 4 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 1 Abs. 1 i.V. mit Anlage II BtMG i.d.F. der 24. BtMÄndV vom (BGBl. I 3944) - unter Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von bedenklichen Arzneimitteln nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG - aufrecht erhalten bleiben können.

Die - vom Strafrahmen des § 95 Abs. 1 AMG ausgehenden - Einzelstrafaussprüche in diesen Fällen unterliegen jedoch ebenso wie der übrige Rechtsfolgenausspruch der Aufhebung und Zurückverweisung."

4Dem tritt der Senat bei. Da die Strafgewalt des Amtsgerichts – Strafrichters – ausreicht, war die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO dorthin zurückzuverweisen.

Krehl Ri'inBGH Dr. Ott ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

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Fundstelle(n):
IAAAE-73443