BAG Beschluss v. - 7 ABR 51/12

Ausschreibung - Verzögerung der Stellenbesetzung

Leitsatz

Ist in einer vom Betriebsrat verlangten Ausschreibung ein Datum für eine Stellenbesetzung angegeben, ist regelmäßig keine erneute Ausschreibung erforderlich, wenn zwischen diesem Datum und dem tatsächlichen Besetzungszeitpunkt nicht mehr als sechs Monate vergangen sind.

Gesetze: § 93 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 5 BetrVG, § 99 Abs 3 S 2 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Würzburg Az: 7 BV 27/10 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 4 TaBV 40/11 Beschluss

Gründe

1A. Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, begehrt die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des zu 2. beteiligten Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin B auf eine Stelle als „Department Controller“.

2Die Arbeitgeberin betreibt in G ein Logistikcenter. Dort ist der Betriebsrat gewählt. Bei der Arbeitgeberin arbeiten in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangt, dass Stellen innerbetrieblich auszuschreiben sind.

3In diesem Schreiben heißt es ua.:

4Es besteht zwischen den Beteiligten weder eine Betriebsvereinbarung noch eine Regelungsabrede über die Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens.

5Am schrieb die Arbeitgeberin unter näheren Angaben zur Arbeitszeit, zu den Aufgaben und zu den von ihr erwarteten Kenntnissen zwei Stellen als „Department Controller“ aus. Die Ausschreibung enthielt die Angabe, die zwei Controller würden „zum “ gesucht.

6Unter dem begehrte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz der Arbeitnehmerin B auf der in der Ausschreibung erwähnten Stelle zum . Frau B war bis dahin als „Group Leader“ tätig. Dies war dem Betriebsrat bekannt. Am verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zu dieser Maßnahme ua. unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG und führte dazu aus:

7Die Arbeitgeberin hat daraufhin beim Arbeitsgericht die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, Zustimmungsverweigerungsgründe lägen nicht vor. Die Ausschreibung sei ordnungsgemäß erfolgt. Es sei rechtlich nicht geboten, überhaupt ein Datum für den Dienstbeginn anzugeben; deshalb schade es auch nichts, wenn sich die Einstellung gegenüber dem in der Ausschreibung genannten Datum verzögere.

8Die Arbeitgeberin hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - zuletzt beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Mitarbeiterin B auf den Arbeitsplatz eines „Department Controllers“ zu ersetzen.

9Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

10Er hat - nur - geltend gemacht, der Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG liege vor. Der Zeitraum zwischen der Ausschreibung und dem dort genannten Termin und der tatsächlich ins Auge gefassten Arbeitsaufnahme sei zu lang.

11Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat weiterhin das Ziel der Antragsabweisung. Die Arbeitgeberin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

12B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen, mit dem dieses die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin B ersetzt hat. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist zulässig und begründet.

13I. Der Antrag ist zulässig, insbesondere steht der Arbeitgeberin ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

14Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme hat und der Arbeitgeber für die Maßnahme daher der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (vgl. nur  - Rn. 18 mwN). Die Arbeitgeberin beschäftigt - was Voraussetzung für die Anwendung von § 99 BetrVG ist - mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Frau B soll statt bisher als „Group Leader“ auf Dauer als „Department Controller“ beschäftigt werden. Mit den Verfahrensbeteiligten und dem Landesarbeitsgericht kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für mehr als einen Monat und damit eine Versetzung vorliegt, die das Mitbestimmungsrecht auslöst (§ 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 BetrVG).

15II. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Auch gilt die Zustimmung des Betriebsrats nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Dem Betriebsrat steht der von ihm geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht zur Seite.

161. Voraussetzung für die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG ausreichend unterrichtet hat (vgl. nur  - Rn. 17 ff.). Das war hier der Fall. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat darüber unterrichtet, ab wann Frau B auf welcher Stelle eingesetzt werden soll. Der Betriebsrat hat auch keinerlei weitergehende Informationen verlangt.

172. Es ist hier auch nicht auf den Zustimmungsersetzungsantrag hin auszusprechen, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt. Die Voraussetzungen des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG liegen nicht vor. Der Betriebsrat hat mit seinem Verweis auf den zeitlichen Abstand zwischen der Ausschreibung und der Versetzung von Frau B hinreichend den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG in Bezug genommen (vgl. zu den Anforderungen an die Zustimmungsverweigerung:  - Rn. 50). Dass er eine Neuausschreibung anhand eines bestimmten Modus verlangt hat, ändert nichts daran, dass er auch das Unterbleiben der Ausschreibung an sich gerügt hat. Das ist auch schriftlich innerhalb der in § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG festgelegten Wochenfrist geschehen. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmung des Betriebsrats unter dem begehrt. Die Zustimmungsverweigerung ist unter dem erfolgt.

183. Dem Betriebsrat steht kein Zustimmungsverweigerungsgrund zur Seite, so dass seine verweigerte Zustimmung zu ersetzen ist. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist der im Zustimmungsverweigerungsschreiben geltend gemachte (vgl. dazu  - Rn. 59 mwN) Zustimmungsverweigerungsgrund der nicht ordnungsgemäßen Ausschreibung - § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Der Betriebsrat hat nicht behauptet, weitere Zustimmungsverweigerungsgründe lägen vor. Die Voraussetzungen des damit zur Überprüfung stehenden Zustimmungsverweigerungsgrundes sind nicht gegeben. Der Betriebsrat kann die Zustimmung ua. zu einer Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern, wenn eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist. Hier war die Arbeitgeberin nach dieser Bestimmung verpflichtet, die Stelle als „Department Controller“ auszuschreiben. Diese Ausschreibung ist ordnungsgemäß erfolgt; eine Neuausschreibung war nicht erforderlich.

19a) Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat „allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten“ die Ausschreibung verlangen. Der Betriebsrat hat in seinem Schreiben vom allgemein eine Ausschreibung verlangt. Dass er dabei gewisse Einschränkungen vorgenommen hat, ist unschädlich. Insbesondere waren die Ausnahmen deutlich beschrieben und der Arbeitgeberin damit klar, unter welchen Voraussetzungen sie eine Stelle auszuschreiben hatte und unter welchen nicht.

20b) Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, die Stelle vor der geplanten Besetzung erneut auszuschreiben.

21aa) Die beabsichtigte Versetzung soll auf die Stelle erfolgen, auf die sich die Ausschreibung bezog. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber zwischen der Ausschreibung und der Durchführung der Maßnahme von dieser Abstand genommen und eine erneute Entscheidung über die Besetzung gefällt hätte. Dann bestünde kein Bezug mehr zur Ausschreibung und es wäre eine erneute Ausschreibung erforderlich. So liegt der Fall nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier indes nicht.

22bb) Eine erneute Ausschreibung war auch nicht deshalb erforderlich, weil zwischen dem in der Ausschreibung genannten und dem tatsächlichen Besetzungstermin ein Zeitraum von fünf Monaten lag.

23(1) Mangels gesetzlicher Vorgaben richtet sich - soweit, wie hier, keine Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffen ist - die konkrete Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens nach dem Zweck der Ausschreibungspflicht. Dieser geht dahin, die zu besetzende Stelle den in Betracht kommenden Arbeitnehmern zur Kenntnis zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Interesse an der Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben (vgl.  - Rn. 13, BAGE 137, 106; - 7 ABR 18/09 - Rn. 17). Nicht ausreichend ist deshalb eine Ausschreibung, die mit der Stelle, die schließlich besetzt wird, nichts mehr zu tun hat (vgl.  - zu B I 3 der Gründe).

24Auch hinsichtlich der zeitlichen Umstände der Ausschreibung muss eine hinreichende Information der Arbeitnehmer des Betriebes über die Tatsache der Stellenbesetzung gewährleistet sein. Das Gesetz sieht dabei vor, dass die Ausschreibung vor der Stellenbesetzung zu erfolgen hat. Das schließt ein, dass es eine ausreichende Frist gibt, während derer die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer von der freien Stelle Kenntnis erlangen können. Dafür erscheint ein Zeitraum von zwei Wochen im Regelfall als ausreichend ( - Rn. 18 ff.; - 1 ABR 20/07 - Rn. 33, BAGE 127, 51). Umgekehrt darf aber auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausschreibung und der tatsächlichen Stellenbesetzung nicht verlorengehen. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer müssen erkennen können, dass eine Stellenbesetzung im Raum steht und sie sich auf die Stelle bewerben können. Nur so ist gewährleistet, dass das Verfahren transparent ist und dadurch den Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben wird, ihr Interesse an der Stelle kundzutun. Soweit in der Ausschreibung der Beginn der Tätigkeit bezeichnet ist, darf die tatsächliche Stellenbesetzungsentscheidung des Arbeitgebers von diesem Zeitpunkt nicht so weit entfernt sein, dass die Arbeitnehmer annehmen müssen, eine Entscheidung über die Stellenbesetzung stehe nicht mehr bevor.

25Unerheblich ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts, ob sich der tatsächliche Arbeitsbeginn wegen des Verlaufes eines Zustimmungs- und eines Zustimmungsersetzungsverfahrens hinzieht. Mit der Besetzungsentscheidung ist das Verfahren, um dessen Transparenz es geht, insoweit abgeschlossen.

26(2) Gemessen daran ist hier der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausschreibung und der tatsächlichen Stellenbesetzung nicht durchbrochen.

27Dabei ist zu berücksichtigen, dass für Entscheidungen über die Stellenbesetzung - auch wenn ein konkreter ins Auge gefasster Termin genannt ist - ein erheblicher zeitlicher Vorlauf erforderlich sein kann. So ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, einer innerbetrieblichen Ausschreibung der Stelle noch eine außerbetriebliche Ausschreibung folgen zu lassen, falls sich auf die innerbetriebliche Ausschreibung aus Arbeitgebersicht keine geeigneten Personen bewerben. Schon wegen des damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Aufwandes ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine derartige außerbetriebliche Ausschreibung schon parallel zur innerbetrieblichen durchzuführen. Dies entspräche auch nicht dem Interesse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer an ihrer beruflichen Entwicklung. Unabhängig davon obliegen dem Arbeitgeber auch Verpflichtungen nach dem SGB IX. Er ist nach § 81 Abs. 1 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und hat dabei das in der gesetzlichen Regelung vorgeschriebene Verfahren zu beachten.

28Angesichts dessen ist regelmäßig - wovon auch bereits das Arbeitsgericht ausgegangen ist - ein zeitlicher Abstand von einem halben Jahr zwischen der in der Ausschreibung in Aussicht genommenen Aufnahme der Tätigkeit und der tatsächlichen Entscheidung über die Stellenbesetzung unschädlich. Dieser Zeitraum kann länger sein, wenn dies - etwa im Hinblick auf die für die Tätigkeit notwendigen Qualifikationen - erkennbar erforderlich ist, um eine sachgemäße Entscheidung zu treffen. Insbesondere in kleineren Betrieben kann er auch deshalb länger sein, weil allgemein bekannt ist, dass der Arbeitgeber sich weiter um eine Besetzung der Stelle bemüht. Der Zeitraum kann aber auch kürzer sein, etwa wenn nach den innerbetrieblichen Gegebenheiten Stellen der in Frage stehenden Art regelmäßig in einem bestimmten Zeitrahmen besetzt werden und dies den Arbeitnehmern bekannt ist.

29Der Betriebsrat hat hier - obwohl bereits das Arbeitsgericht einen Zeitraum von sechs Monaten als angemessen angesehen hat - nichts dafür vorgebracht, warum dieser regelmäßig zugrunde zu legende Zeitraum aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles nicht angemessen gewesen sein soll. Die zum beabsichtigte Versetzung auf die zum ausgeschriebene Stelle machte daher keine erneute Ausschreibung erforderlich.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2291 Nr. 38
DB 2014 S. 2236 Nr. 39
DB 2014 S. 6 Nr. 37
NJW 2014 S. 8 Nr. 38
SAAAE-72459