Bilanzsteuerliche Behandlung stornobehafteter Provisionen eines Versicherungsvertreters
Für die Frage der steuerlichen Behandlung von Provisionseinkünften eines selbständig bilanzierenden Versicherungsvertreters gelten die allgemeinen steuerlichen Regelungen zur Erfassung von Betriebseinnahmen nach §§ 4, 5 EStG. Bei der Gewinnermittlung nach dem Betriebsvermögensvergleich werden die Einnahmen in dem Zeitpunkt erfasst, in dem der Anspruch auf sie realisiert worden ist. Der Leistungsverpflichtete muss seine Leistung (wirtschaftlich) erfüllt haben und der Zahlungsanspruch muss entstanden sein. Der Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch auf Vermittlungsprovision im Versicherungsgeschäft realisiert ist, hängt von den Vertragsgestaltungen im konkreten Einzelfall ab. Auf die Fälligkeit des Anspruchs kommt es nicht an.
1. Auszuzahlende Provisionen
Handelsrechtlich hat der Versicherungsvertreter Anspruch auf die Provision, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat (§ 92 Abs. 4 HGB i. V. m. § 87a Abs. 1 HGB). Dies gilt sowohl für einmalige als auch für laufende Provisionen. Vertraglich können jedoch andere Regelungen getroffen werden, es kann z. B. ein Recht auf Vorschuss oder Teilprovision eingeräumt werden.
Die von einem Versicherungsvertreter am Bilanzstichtag entstandenen Provisionsansprüche sind demnach zu aktivieren.
Ist § 92 Abs. 4 HGB vertraglich abgedungen worden, kommt es darauf an, ob nur die Fälligkeit oder der Zahlungsanspruch verschoben wird:
Handelt es sich dabei um Fälligkeitsvereinbarungen, hat dies – ebenso wie die handelsrechtliche Regelung – nach den o. b. Grundsätzen keine Auswirkung auf die Entstehung des Anspruchs.
Soweit in Übereinstimmung mit den vertraglichen Vereinbarungen lediglich Provisionsvorschüsse ausgezahlt werden, dürfen diese Zahlungen den Gewinn nicht erhöhen, sondern sind als erhaltene Anzahlungen zu passivieren ().
2. Besonderheiten durch eine Änderung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG, BGBl 2007 I S. 2631) für Lebensversicherungsverträge ab 2008
Das VVG wurde durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts grundlegend reformiert. Darin sind erhebliche Änderungen zur Verbesserung der Transparenz und zugunsten der Versicherungsnehmer enthalten, zum Beispiel bei den Bestimmungen zur vorzeitigen Vertragsauflösung von Lebensversicherungen. Für die Bestimmung des Rückkaufswertes sind die in den Beiträgen einkalkulierten Abschlusskosten einer Lebensversicherung auf die ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit verteilt zu berücksichtigen. Die Rückkaufswerte sind damit in den ersten fünf Jahren entsprechend höher.
Die Provisionen entstehen dadurch verteilt auf die Monate der ersten fünf Jahre. Damit sich die neue gesetzliche Regelung nicht nachteilig für die Versicherungsvertreter auswirkt, bieten verschiedene Versicherer (z. B. die Allianz) weiterhin eine sofortige Auszahlung der Provision an. Diese wird vorschüssig für ein Versicherungsjahr und als Darlehn für die vier folgenden Jahre ausgezahlt. Dadurch ergibt sich ein Steuerstundungseffekt für die Versicherungsvertreter, die so nur 20 % der Provisionen sofort versteuern müssen. Das Darlehen ist dann in den folgenden vier Jahren gewinnerhöhend aufzulösen. Die meisten Versicherungsvertreter haben sich für dieses Auszahlungsmodell entschieden.
Bei Betriebsaufgaben ist darauf zu achten, dass die erhaltenen Darlehen aus Provisionen als sonstige Erlöse zu erfassen sind und das Darlehenskonto aufzulösen ist.
3. Stornoreserve
Oft werden dem Versicherungsvertreter vertraglich vereinbarte Prozentsätze der verdienten Provisionen nicht gutgeschrieben, sondern auf einem sog. Stornoreservekonto verbucht. Diese Gutschrift auf dem Rücklagenkonto dient vor allem der Sicherstellung von Stornoansprüchen der Versicherung nach Beendigung des Handelsvertretungsverhältnisses. Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich hat der Versicherungsvertreter eine entsprechende Forderung zu erfassen.
Bei Betriebsaufgaben ist auch hier darauf zu achten, dass das Konto gewinnerhöhend aufzulösen ist.
4. Einstellung von Stornorückstellungen
(vgl. Fachinfosystem Bp NRW, FA Köln-Süd vom )
Von dem als Kautionskonto für den Versicherungsvertreter vorgehaltenen Stornoreservekonto und dessen Behandlung als Aktivposten in der Bilanz ist die Passivierung einer Stornorückstellung zu unterscheiden. Das Wagnis eines Provisionsausfalls innerhalb des Provisionshaftungszeitraumes und die damit gegenüber der Versicherung bestehenden Rückzahlungsverpflichtung bereits erhaltener Provisionen stellt eine ungewisse Verbindlichkeit dar, die bilanziell zu erfassen ist. Die Rückstellungshöhe ist eine Einzelfallentscheidung, da das Vermittlungsgeschäft derart von der Person des Vermittlers abhängt, dass insoweit auf die betrieblichen Besonderheiten abzustellen ist. Diese Besonderheiten können anhand der tatsächlichen stornierten Verträge und der damit verbundenen Provisionsrückzahlungen der letzten drei Jahre auf den zu beurteilenden Bilanzstichtag (ähnlich Garantierückstellungen Baugewerbe) im Verhältnis der noch risikobehafteten Provisionserlöse definiert werden. Danach können z. B. die vom Ausfallwagnis bedrohten Provisionen mit der zuvor ermittelten Stornoquote als Rückstellung berücksichtigt werden. Hierbei sollte die Stornowahrscheinlichkeit im ersten Jahr nach dem zu beurteilenden Bilanzstichtag höher sein als im dritten Jahr, so dass entsprechend zu gewichten ist (5/12, 4/12 und 3/12). Diese Gewichtung berücksichtigt zudem die unterschiedlichen Haftungszeiträume von 12, 36 und bis zu 60 Monaten je nach Versicherungsvertragsart. Bei der Ermittlung der risikobehafteten Provisionen sind solche auszuscheiden, die im jeweiligen Jahre bereits einzeln berichtigt wurden. Das Verhältnis von Provisionen gesamt zu den tatsächlich ausgefallenen Provisionen ergibt die sogenannte Stornoquote (höchstens 10 % nach Branchenerfahrungsschatz).
Auf eine korrespondierende Bilanzierung bei Versicherungsvertreter und Versicherer ist zu achten.
OFD Niedersachsen v. - S
2133 - 37 - St 221/St 222
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ESt-Kartei
NI EStG §
5 Karte 1.1 - 2248 -
DB 2014 S. 2077 Nr. 37
DStR 2014 S. 1876 Nr. 38
Ubg 2014 S. 660 Nr. 10
YAAAE-71942