Instanzenzug:
Gründe
1Die allein auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg (vgl. § 67 Satz 1, § 3 Abs. 1 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LDG NRW - i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
21. Der 1971 geborene Beklagte - ein seit 1991 im Dienst des Klägers stehender Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) - wurde 2003 durch Urteil des Amtsgerichts wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt. Seit Dezember 2007 war er durchgehend dienstunfähig erkrankt. Im November 2008 stellte der Polizeiarzt aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens fest, der Beklagte sei für Polizeivollzugsaufgaben nicht mehr verwendungsfähig, wohl aber im Außen- und Schichtdienst, wenn die Anwendung unmittelbaren Zwangs und Schusswaffengebrauch ausgeschlossen sei. Im Februar 2009 setzte der Kläger den Beklagten auf einen Dienstposten im Innendienst um. Den Dienst dort nahm der Beklagte unter Hinweis auf privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht auf, obwohl er im Februar 2009 zum Dienstantritt aufgefordert und über die Folgen eines weiteren Fernbleibens belehrt worden war. Außerdem setzte er eine der Behörde nicht angezeigte und seit Juli 2007 ausgeübte Nebentätigkeit fort.
3Mit der Disziplinarklage hat der Kläger dem Beklagten u.a. vorgeworfen, er sei vom 24. Februar bis vorsätzlich dem Dienst unerlaubt ferngeblieben und sei auch während der Zeit seiner Erkrankung einer nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit, nämlich dem Internethandel mit Sexartikeln nachgegangen. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt; das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Vorwürfe für erwiesen erachtet. Die Dienstfähigkeit stehe aufgrund der Stellungnahmen des Polizeiarztes und des von ihm hinzugezogenen Facharztes fest. Der Beklagte sei dem Dienst bedingt vorsätzlich ferngeblieben, weil er sich über die Bedeutung dieser Stellungnahmen aufgrund der ihm erteilten Hinweise und Belehrungen im Klaren habe sein müssen. Er habe die Verletzung seiner Dienstleistungspflicht bewusst in Kauf genommen.
42. Die Beschwerde hat keinen Verfahrensmangel aufgezeigt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 67 Satz 1, § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
5a) Das Beschwerdevorbringen lässt keinen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erkennen.
6Die Beschwerde genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie legt weder dar, dass der Beklagte die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt hat noch dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen zu den bezeichneten Fragen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum Darlegungserfordernis: BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328). Die Verfahrensrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr; vgl. BVerwG 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26).
7Unabhängig davon ist auch in der Sache nicht zu erkennen, dass die von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmängel vorliegen.
8Gemäß § 57 Abs. 1 LDG NRW erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Pflicht, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Die Aufklärungspflicht verlangt dagegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits darauf nicht ankommt (stRspr; vgl. BVerwG 11 C 11.96 - BVerwG 106, 115 <119> und vom - BVerwG 2 C 28.10 -BVerwGE 140, 199 Rn. 25).
9aa) Das Oberverwaltungsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der Beklagte im ersten Halbjahr 2009 mehr als vier Monate unerlaubt und schuldhaft dem Dienst ferngeblieben ist.
10Hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankung und den sich daraus ergebenden Einschränkungen der Dienstfähigkeit hat sich das Oberverwaltungsgericht auf die Stellungnahme des Polizeiarztes und das Gutachten des von diesem hinzugezogenen Facharztes gestützt. Dabei hat es in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass sowohl der Polizeiarzt als auch der zusätzlich eingeschaltete nervenfachärztliche Sachverständige den Beklagten ab Februar 2009 für innendienstfähig gehalten haben. Der Beklagte hat gegen die Verwertbarkeit dieser ärztlichen Stellungnahmen in der Beschwerdebegründung keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben.
11Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterlassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten deshalb nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht ( BVerwG 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5. Rn. 7 m.w.N.). Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt die Beschwerde nicht auf. Der Verweis auf die Diagnose einer nicht namentlich bezeichneten Diplompsychologin ist unsubstantiiert geblieben. Der Beklagte behauptet ohne jede weitere Erklärung, diese habe eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die weitere Behauptung, es bedürfe einer tiefgreifenden psychologischen Behandlung, um eine zuverlässige Diagnose treffen zu können, ist völlig pauschal gehalten. Zudem lässt der Beklagte außer Acht, dass auch der hinzugezogene Facharzt eine schwerwiegende depressive Anpassungsstörung festgestellt hat.
12bb) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge, es sei "unaufgeklärt geblieben, was es mit dem sogenannten Bürgercenter auf sich hat", in dem der Beklagte ab Februar 2009 habe Innendienst verrichten sollen. Das Oberverwaltungsgericht ist dem nachgegangen. Es hat die dazu getroffenen Feststellungen, über die sich die Beteiligten einig waren, in der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung (S. 9) festgehalten und sie im Berufungsurteil - auch mit Blick auf den von der Beschwerde angeführten Mobbing-Aspekt - eingehend gewürdigt (UA S. 31 f.). Weitergehenden Aufklärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
13cc) Auch im Hinblick auf die dem Beklagten vorgehaltene nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit und deren zeitlichen und geschäftlichen Umfang ist nicht erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht die Aufklärungspflicht verletzt haben könnte.
14Zum einen wäre ein dahingehender Aufklärungsmangel nicht entscheidungserheblich, weil das Oberverwaltungsgericht beanstandungsfrei bereits im mehr als vier Monate andauernden unerlaubten Fernbleiben vom Dienst allein einen hinreichenden Grund dafür gesehen hat, den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen (UA S. 48).
15Zum anderen lagen zum Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit hinreichend konkrete Feststellungen vor, die das Oberverwaltungsgericht eingehend gewürdigt hat (UA S. 39 f., S. 44 f.). Dass es dabei vornehmlich auf die dafür verwandte Arbeitskraft des Beklagten, die Anzahl der Verkäufe und den Umsatz abgestellt hat (und nicht auf den erzielten Gewinn), lässt einen Aufklärungsmangel nicht erkennen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht der Tatsache, dass der Beklagte der Nebentätigkeit auch während der Zeit seiner polizeiärztlich bescheinigten dienstunfähigen Erkrankung von mehr als einem Jahr - Dezember 2007 bis Februar 2009 - nachgegangen sei, maßgebliches Gewicht beigelegt. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein dienstunfähig erkrankter Beamter alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu tun hat. Diesem Ziel muss er Vorrang vor allen anderen Interessen geben und alles unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte (stRspr; vgl. zuletzt BVerwG 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 17). Dies gilt auch für die Ausübung privater Nebentätigkeiten (Beschlüsse vom - BVerwG 2 B 27.12 - [...] Rn. 9 und vom - BVerwG 2 B 88.13 - [...] Rn. 15).
16b) Dem Beschwerdevorbringen ist auch kein Verstoß gegen die Grundsätze der rechtlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu entnehmen.
17Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (Beschlüsse vom - BVerwG 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 = NJW 2012, 1672 und zuletzt vom - BVerwG 2 B 67.12 - [...] Rn. 18 m.w.N.). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr; vgl. BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie BVerwG 2 B 51.13 -[...] Rn. 19).
18Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie begnügt sich vielmehr im Wesentlichen damit, ihre Sichtweise an die Stelle derjenigen des Gerichts zu setzen. Soweit sie der Sache nach eine abweichende Sicht der Bewertung der Erkrankungsfolgen durch den den Beklagten behandelnden Privatarzt geltend macht, verkennt sie, dass der medizinischen Beurteilung eines Amtsarztes (hier eines Polizeiarztes) und des auf seine Veranlassung zugezogenen sachverständigen Facharztes zwar kein unbedingter, unter bestimmten Voraussetzungen jedoch ein eingeschränkter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zukommt, wenn beide Beurteilungen zum selben Krankheitsbild des Beamten voneinander abweichen ( BVerwG 2 B 126.09 - Buchholz 232.0 § 96 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 16 m.w.N.).
19Hiernach können sich die Tatsachengerichte im Konfliktfall dann auf die Beurteilung des Amts- oder Polizeiarztes und eines von diesen hinzugezogenen fachärztlichen Sachverständigen stützen, wenn keine Zweifel an deren Sachkunde bestehen, ihre Beurteilungen auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen und in sich stimmig und nachvollziehbar sind. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amts- oder Polizeiarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Dieser eingeschränkte Vorrang im Konfliktfall findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- oder Polizeiarztes.
20Daran gemessen hat sich das Oberverwaltungsgericht schon deshalb allein auf die Feststellungen von Polizeiarzt und zugezogenem sachverständigem Facharzt stützen dürfen, weil der den Beklagten behandelnde Privatarzt ohne abweichende Diagnose nur weiter formblattgemäß Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat. Aus den privatärztlichen Bescheinigungen hat der Beklagte auch nicht schließen dürfen, er könne erlaubt dem Dienst fernbleiben. Dagegen sprechen zum einen die an ihn am zugegangene Dienstantrittsaufforderung und zum anderen die vom Oberverwaltungsgericht fehlerfrei gewürdigte fernmündliche Belehrung des Beklagten über seine Dienstfähigkeit durch den Polizeiarzt vom .
213. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Gerichtskosten streitwertunabhängig bestimmt werden (§ 75 Satz 1 LDG NRW i.V.m. Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses zu § 75 LDG NRW).
Fundstelle(n):
HAAAE-71495