BGH Beschluss v. - V ZB 160/13

Urteil auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses: Erstreckung der Rechtskraft auf den Erwerber des Erbbaurechts

Leitsatz

Ein Urteil, das dem Erbbaurechtsbesteller einen Anspruch auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses gegen den Erbbauberechtigten zuspricht, entfaltet keine Rechtskraft gegenüber dem Erwerber des Erbbaurechts, der vor Klageerhebung als dessen Inhaber im Grundbuch eingetragen war; tritt dieser dem Rechtsstreit aufgrund einer Streitverkündung bei, ist er nicht als streitgenössischer Nebenintervenient anzusehen.

Gesetze: § 9 Abs 1 ErbbauV, § 69 ZPO

Instanzenzug: Az: I-5 U 91/13vorgehend Az: 24 O 613/11

Gründe

I.

1Mit notariellem Vertrag vom räumte die Rechtsvorgängerin der Kläger der Beklagten ein Erbbaurecht an mehreren Grundstücken ein. In das Erbbaugrundbuch wurde eine Erbbauzinsreallast eingetragen, die - ebenso wie der zugrunde liegende Bestellungsvertrag - einen jährlichen Erbbauzins von 1,20 DM pro Quadratmeter vorsieht. Die Beklagte übertrug das Erbbaurecht an die M.       AG, die es ihrerseits auf die C., Objekt D. KG (C.-KG) übertrug. Die C.-KG ist im Erbbaugrundbuch als Eigentümerin des Erbbaurechts eingetragen; die Streithelferin behauptet, deren Rechtsnachfolgerin zu sein.

2Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten über den bislang vierteljährlich geschuldeten Erbbauzins von 2.926,02 € hinaus Zahlung von weiteren 19.648,28 € vierteljährlich ab dem bis zum Ende des Erbbaurechts am . Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Das Landgericht hat der Klage am vollen Umfangs stattgegeben; das Urteil ist der Beklagten am , der Streithelferin am zugestellt worden. Am ist die Berufung der Streithelferin bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Am hat die Streithelferin beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum zu verlängern. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Streithelferin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3Das Berufungsgericht meint, die Streithelferin habe die Berufungsbegründungsfrist versäumt, die am abgelaufen sei; diese sei bereits durch die Zustellung der Entscheidung an die unterstützte Hauptpartei in Gang gesetzt worden, weil die Streithelferin dem Verfahren als einfache Nebenintervenientin beigetreten sei. Die Voraussetzungen einer streitgenössischen Nebenintervention lägen nicht vor, weil sich die Rechtskraft des Urteils nicht auf die Streithelferin erstrecke. Ob den Klägern ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gegen die Streithelferin im Hinblick auf die Höhe der im Grundbuch eingetragenen Reallast zustehe, sei unerheblich. Denn Gegenstand des hiesigen Verfahrens sei lediglich die Anpassung der schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung der beklagten Erbbauberechtigten.

III.

4Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist sie nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft; zulässig ist sie nach § 574 Abs. 2 ZPO aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

51. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Rechtsfolgen, die sich ergeben, wenn dem Erbbaurechtsbesteller ein schuldrechtlicher Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses zuerkannt wird, nicht in symptomatisch rechtsfehlerhafter Weise verkannt.

6a) Im Ausgangspunkt zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet nimmt das Berufungsgericht an, dass der unselbständige Streithelfer ein Rechtsmittel nur innerhalb der für die Hauptpartei laufenden Rechtsmittelfrist einlegen kann. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob und wann dem Streithelfer selbst das anzufechtende Urteil zugestellt worden ist; denn das Rechtsmittel eines Streithelfers ist stets ein Rechtsmittel für die von ihm unterstützte Hauptpartei (vgl. nur , NJW-RR 2012, 1042 Rn. 3 mwN). Dagegen kann ein streitgenössischer Nebenintervenient (§ 69 ZPO) selbständig Prozesshandlungen vornehmen, insbesondere Rechtsmittel einlegen. Das Urteil muss ihm zugestellt werden. Erst ab dieser Zustellung läuft die Berufungsfrist (, NJW-RR 1997, 865).

7b) Rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht die Streithelferin nicht als streitgenössische Nebenintervenientin an. Eine streitgenössische Nebenintervention setzt gemäß § 69 ZPO voraus, dass nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (bzw. des Prozessrechts) die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung gerade für ein Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Prozessgegner von Bedeutung ist (vgl. IVb ZB 23/84, BGHZ 92, 275, 277). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

8aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Zahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte ergebe sich aus einem schuldrechtlichen Anpassungsanspruch, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Erbbauzins nicht auf rein schuldrechtlicher Grundlage vereinbart, sondern infolge der eingetragenen Erbbauzinsreallast mit dinglicher Wirkung ausgestattet ist (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG; Senat, Urteil vom - V ZR 244/80, BGHZ 81, 358, 361). Das ändert aber nichts daran, dass sich ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses - vorbehaltlich einer Regelung nach § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB - nur aus dem schuldrechtlichen Bestellungsvertrag ergeben kann. Er richtet sich auch nach der Veräußerung des Erbbaurechts weiterhin gegen den ursprünglichen Erbbauberechtigten, sofern der Erwerber nicht mit schuldbefreiender Wirkung in den schuldrechtlichen Bestellungsvertrag eingetreten ist (Senat, Urteil vom - V ZR 21/89, BGHZ 111, 214, 215; Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 9 ErbbauRG Rn. 22). Nur wenn sich aus den schuldrechtlichen Beziehungen ein Erhöhungsanspruch ergibt, kann dem Erbbaurechtsverpflichteten zugleich ein Anspruch auf Eintragung der Erhöhung in das Grundbuch zuzubilligen sein (Senat, Urteil vom - V ZR 96/84, BGHZ 96, 371, 379); dies setzt voraus, dass der Inhaber des Erbbaurechts an dem Schuldverhältnis beteiligt ist.

9bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das gegen die Beklagte ergangene Urteil keine Bindungswirkung in dem für die Annahme einer streitgenössischen Nebenintervention maßgeblichen Verhältnis zwischen den Klägern und der Streithelferin; eine Rechtskrafterstreckung sieht das materielle Recht oder das Prozessrecht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vor.

10(1) Sollte die Streithelferin mit schuldbefreiender Wirkung in den Bestellungsvertrag eingetreten sein, entfaltete das Urteil keine Wirkung gegen sie, weil es gegen die falsche Partei - nämlich die Beklagte - gerichtet wäre. Sofern ein Schuldbeitritt erfolgt sein sollte, haftete die Streithelferin neben der Beklagten als Gesamtschuldnerin; eine Rechtskrafterstreckung wäre gemäß § 425 Abs. 2 BGB ausdrücklich ausgeschlossen.

11(2) Eine Bindungswirkung entfaltete das Urteil auch dann nicht, wenn zwischen den Klägern und der Streithelferin nur dingliche Rechtsbeziehungen bestehen sollten. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zöge es keinen gegen die Streithelferin gerichteten Anspruch der Kläger auf Eintragung der Erbbauzinserhöhung nach sich. Auch in der Sache käme wegen der fehlenden schuldrechtlichen Beziehungen ein auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützter Anpassungsanspruch nicht in Betracht (Senat, Urteil vom - V ZR 96/84, BGHZ 96, 371, 375 ff.); die Streithelferin haftete gegenüber den Klägern mit dem Erbbaurecht weiterhin (nur) in dem aus dem Grundbuch ersichtlichen Umfang, also für den (bislang geschuldeten) Erbbauzins.

12(3) Dass das Urteil in dem Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Streithelferin Bindungswirkung im Hinblick auf einen etwaigen Freistellungsanspruch (dazu Senat, Urteil vom - V ZR 21/89, BGHZ 111, 214, 217 f.) entfalten kann, beruht auf der (beabsichtigten) Wirkung einer (einfachen) Streitverkündung, begründet aber - wie das Berufungsgericht zutreffend anmerkt - keine streitgenössische Nebenintervention.

132. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Berufungsgericht der Streithelferin den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug auch nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Ebenso wenig ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung geboten.

IV.

14Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert beruht auf § 9 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 271/11, NZM 2012, 473).

Stresemann                     Lemke                       Schmidt-Räntsch

                    Brückner                  Weinland

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 3521 Nr. 48
NJW 2014 S. 6 Nr. 34
TAAAE-71371