Gesetze: KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 2; BetrVG § 99 Abs. 4
Instanzenzug:
Tatbestand:
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
2Die Beklagte betreibt eine Spielbank. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.
3Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit August 1987 als Croupier gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.000,00 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge Anwendung, darunter der Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Gruppe A (TG-TV) in seiner ab dem geltenden Fassung.
4Mit Schreiben vom beförderte die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum in Croupierstufe I TG-TV. Am legte der Kläger der Beklagten eine "fachorthopädische Bescheinigung" vom vor, nach der er "Vorbeuge- und Rotationspositionen für die Gesamtwirbelsäule" während seiner vornehmlich sitzenden Tätigkeit, insbesondere am Pokertisch, zu vermeiden habe. Die Beklagte setzte den Kläger seither nicht mehr am Pokertisch ein.
5Im September 2003 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Tätigkeitsbereich der Croupierstufe III und zu seiner entsprechenden Umgruppierung. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte, beantragte die Beklagte deren gerichtliche Ersetzung. Durch - rechtskräftigen - Beschluss vom wies das Landesarbeitsgericht die Anträge ab. Es hat angenommen, der Betriebsrat habe seine Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen zu Recht verweigert. Die beabsichtigte Versetzung stelle eine unberechtigte Benachteiligung des Klägers dar. Sie sei durch seine beschränkte Einsetzbarkeit nicht gerechtfertigt. Für die Tätigkeit und Eingruppierung als Croupier in der Croupierstufe I komme es auf einen Einsatz oder die Einsetzbarkeit am Pokertisch nicht an. Dafür sei nach den tariflichen Bestimmungen vielmehr ausreichend, dass der Croupier erfolgreich an einer Grundausbildung teilgenommen habe.
6Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum . Zugleich bot sie dem Kläger an, ihn ab dem als Croupier III - ohne Einsatz am Pokertisch - weiter zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an. Seine Änderungsschutzklage hatte Erfolg. Mit Urteil vom hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom sozial ungerechtfertigt war.
7Mit Schreiben vom fragte die Beklagte beim Kläger an, ob sich sein Gesundheitszustand mittlerweile verändert habe. Im Oktober 2010 teilte der Kläger mit, die fachorthopädische Bescheinigung sei zeitlich nicht begrenzt. Sobald sich sein Gesundheitszustand verbessere, werde er sich melden.
8Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum , erneut verbunden mit dem Angebot, den Kläger ab dem zu veränderten Arbeitsbedingungen als Croupier der Croupierstufe III weiter zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an und hat rechtzeitig die vorliegende Änderungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, bei der Kündigung handele es sich um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die Ausgangsbedingungen seien unverändert. Seine Gesundheit habe sich weder verbessert noch verschlechtert.
9Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom gewünschten Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam sind.
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die tatsächliche Einsetzbarkeit auch am Pokertisch sei für einen Croupier zur Eingruppierung in die Tarifstufe I notwendig. Der Kläger könne die Tätigkeiten am Pokertisch dauerhaft nicht mehr ausüben. Es sei ihr nicht zuzumuten, ihn weiterhin in nicht gerechtfertigter Höhe zu vergüten und damit das Vergütungsgefüge zu verzerren.
11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
12Die Revision ist begründet. Die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Kündigung um eine unzulässige Wiederholungskündigung handelt.
13I. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen ( - Rn. 37; - 2 AZR 867/11 - Rn. 26). Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand ( - Rn. 26; - 2 AZR 372/11 - Rn. 13). Ein anderer Kündigungssachverhalt liegt auch in diesem Fall nur vor, wenn sich die tatsächlichen Umstände, aus denen der Arbeitgeber den Kündigungsgrund ableitet, wesentlich verändert haben ( - Rn. 13). Die Präklusionswirkung tritt ferner dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist ( - Rn. 26; - 2 AZR 399/03 - zu C I der Gründe).
14II. In Anwendung dieser Grundsätze stellt die Änderungskündigung vom eine unzulässige Wiederholungskündigung dar. Die Beklagte stützt sie auf dieselben Gründe, die sie schon zur Begründung der Kündigung vom vorgebracht hat. In dem über diese geführten Prozess sind die Gründe mit dem Ergebnis materiell geprüft worden, dass sie die Kündigung nicht tragen.
151. Nach der Entscheidung des Senats vom im Vorverfahren (- 2 AZR 967/06 - BAGE 127, 342) steht rechtskräftig fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt war. Der Senat hat angenommen, die mit dem Ziel einer Versetzung und Umgruppierung des Klägers erklärte Änderungskündigung sei unverhältnismäßig. Auch wenn dieser nicht am Pokertisch eingesetzt werden könne, sei für seine Vergütung weiterhin die Croupierstufe I maßgeblich. Dies folge aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in dem Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten Umgruppierung. Die Beklagte sei an dessen Ergebnis gebunden. Es sei ihr gegenüber dem Kläger verwehrt, sich zur Rechtfertigung einer Änderungskündigung auf die Maßgeblichkeit der Croupierstufe III zu berufen.
162. Verglichen mit den der Änderungskündigung vom zugrunde liegenden Umständen ist der Kündigungssachverhalt unverändert. Dies gilt sowohl für die beschränkte Einsetzbarkeit des Klägers als auch für die Bindung der Beklagten an das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens.
17a) Die Beklagte stützt die Änderungskündigung vom erneut auf die - unverändert gebliebenen - gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die einen Einsatz am Pokertisch nicht erlaubten und eine Beschäftigung und Vergütung lediglich als Croupier III rechtfertigten. Es ist jedoch weder dargelegt noch objektiv ersichtlich, dass sich die für die zutreffende Eingruppierung des Klägers maßgeblichen Umstände durch den bloßen Fortbestand seiner gesundheitlichen Einschränkungen geändert hätten.
18b) Die aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in dem Zustimmungsersetzungsverfahren folgende Bindungswirkung besteht fort. Die Beklagte kann sich zur Begründung der Änderungskündigung vom weiterhin nicht darauf berufen, der Kläger sei richtigerweise als Croupier III zu vergüten.
19aa) Das Landesarbeitsgericht hatte den Antrag der Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Klägers in die Croupierstufe III zurückgewiesen. Die Eingruppierung in die Croupierstufen I und II sei nicht von der Einsetzbarkeit des Croupiers beim Poker abhängig. Unter Beachtung der von ihm erworbenen Grundausbildung im Bereich des Poker-Spiels erfülle der Kläger weiterhin die Tätigkeitsmerkmale der bisherigen Croupierstufe. Dies ergebe die Auslegung der §§ 5, 6 TG-TV.
20bb) Der für die Eingruppierung des Klägers sowohl bei Kündigungszugang als auch bei Ablauf der Kündigungsfrist maßgebliche Tarifvertrag ist derselbe wie der, welcher der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom zugrunde lag. Die Bestimmungen der §§ 5, 6 TG-TV galten unverändert fort.
21cc) Die Bewertungsgrundlagen in der Person des Klägers hatten sich nicht geändert.
22dd) Der Umstand, dass die Beklagte den Betriebsrat erneut um Zustimmung zur Umgruppierung des Klägers ersucht und nach Zustimmungsverweigerung ein weiteres Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung eingeleitet hat, welches derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist (- 1 ABR 1/13 -), führt nicht dazu, dass die Bindungswirkung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom für die vorliegende Änderungskündigung entfallen wäre.
23(1) Bei Einstellungen und Versetzungen ist es dem Arbeitgeber zwar grundsätzlich unbenommen, nach rechtskräftigem Unterliegen im Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten und erforderlichenfalls gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu beantragen ( - Rn. 18, BAGE 134, 154; - 1 ABR 81/06 - Rn. 20, BAGE 126, 176). Durch die rechtskräftige Ablehnung der Zustimmungsersetzung in einem vorangegangenen Verfahren ist der Ausgang eines weiteren Ersetzungsverfahrens auch nicht präjudiziert ( - Rn. 18, aaO.; - 1 ABR 16/06 -). Bei den erneuten Anträgen handelt es sich um neue, prozessual eigenständige Gegenstände ( - Rn. 20, aaO.).
24(2) Im Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Ein- oder Umgruppierung entfaltet aber die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bei gleichbleibendem Sachverhalt Bindungswirkung auch für nachfolgende Verfahren. Die gerichtliche Zustimmungsersetzung ist solange bindend, wie keine neue Eingruppierung erforderlich wird, die das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auslöst ( - zu B II 1 b der Gründe). Dies gilt im umgekehrten Fall entsprechend. Hat das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig nicht ersetzt und dabei die Richtigkeit der beabsichtigten Eingruppierung materiell geprüft, ist der Arbeitgeber auch daran materiell gebunden. Das Mitbestimmungsrecht bei Ein- und Umgruppierungen ist ein Mitbeurteilungs-, nicht ein Mitgestaltungsrecht. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb angewandte Lohn- und Gehaltsgruppenordnung ist keine konstitutive Maßnahme, sondern Rechtsanwendung oder Kundgabe einer Rechtsansicht ( - Rn. 17, BAGE 138, 39; - 1 ABR 68/07 - Rn. 23, BAGE 128, 265). Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, rechtlich möglichst zutreffende Ergebnisse zu erzielen ( - Rn. 19; - 1 ABR 68/07 - Rn. 24, aaO.). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Beurteilung eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung zum Gegenstand hat ( - zu B III 1 der Gründe; - 1 ABR 50/95 - zu B II 1 a der Gründe). Umgruppierung iSd. § 99 BetrVG ist die Neu-Einreihung des Beschäftigten in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Feststellung des Arbeitgebers, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht - oder nicht mehr - die Merkmale erfüllt, die der bisherigen Beurteilung zugrunde liegen. Anlass für eine solche Feststellung kann eine Änderung der Tätigkeit sein, aber auch eine Änderung des Entgeltschemas ( - Rn. 23; - 1 ABR 29/97 - zu B III 1 der Gründe) oder - sofern ein vorhergegangenes Zustimmungsersetzungsverfahren keine Bindungswirkung entfaltet - eine nach Ansicht des Arbeitgebers bisher fehlerhafte Eingruppierung (vgl. - zu B II 1 a der Gründe; - 1 ABR 20/89 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 64, 254). Hat ein Gericht im Rahmen des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig die Richtigkeit der bisherigen Eingruppierung festgestellt und haben sich seitdem weder die Tätigkeit des Arbeitnehmers noch das Entgeltschema geändert, ist diese Entscheidung bindend (vgl. zur Unzulässigkeit schon eines neuerlichen Ersuchens um Zustimmung zur Eingruppierung bei unveränderter Tätigkeit - Rn. 14, BAGE 131, 197).
25(3) Das neuerliche, beim Bundesarbeitsgericht anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Selbst wenn die Beklagte mit ihrem dortigen Begehren wegen einer späteren Tarifänderung oder sonstigen Änderung der Umstände Erfolg haben sollte, wäre dies unbeachtlich. In dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zum Zugang der Änderungskündigung vom hat sich die Sach- und Rechtslage - verglichen mit den dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom zugrunde liegenden Umständen - nicht geändert.
26III. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2100 Nr. 35
DB 2014 S. 2053 Nr. 36
FAAAE-71354