BGH Beschluss v. - IV ZB 40/13

Instanzenzug:

Gründe

1I. Der Kläger begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

2Er hat gegen das ihm am zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Diese hat er mit einem am im Original bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, in dem vor der Adresse im Fettdruck "vorab per Fax" angegeben ist. Die Berufungsbegründung ging bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am nicht per Telefax beim Oberlandesgericht ein. Dies teilte der stellvertretende Vorsitzende des Berufungssenats dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Nachfrage am mit.

3Daraufhin hat der Kläger mit einem am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt,

ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen und glaubhaft gemacht:

4Die Berufungsbegründungsschrift sei rechtzeitig am unterzeichnet und zum Versand bereit gewesen. Die Versendung sei auf das geschulte und zuverlässige Büropersonal übertragen worden. Es gebe die bürointerne Daueranweisung, ausgehende Telefaxschreiben auf einen erfolgreichen Versand zu überprüfen. Weiter bestehe die Anweisung, abendlich die Erledigung und den Ausgang der Fristabläufe anhand des Fristenkalenders zu kontrollieren. Mit dem Versand und der Kontrolle der Berufungsbegründung sei der im Büro seines Prozessbevollmächtigten tätige Rechtsanwaltsfachangestellte beauftragt gewesen. Es habe die klare Anweisung bestanden, die Berufungsbegründungsschrift am vorab per Telefax zu übersenden und den erfolgreichen Versand zu kontrollieren. Der Rechtsanwaltsfachangestellte habe diese Aufgabe ohne das Wissen des Prozessbevollmächtigten an die ebenfalls in dessen Büro tätige Rechtsfachwirtin übertragen. Diese sei auf den Fristablauf hingewiesen worden. Es sei jedoch die Kontrolle des Versands vergessen worden.

5Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

6II. Die Rechtsbeschwerde ist nach den §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, jedoch im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat nicht die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat.

71. Nach Auffassung des Berufungsgerichts beruht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Das Wiedereinsetzungsgesuch lasse keine Büroorganisation erkennen, die eine wirksame Ausgangskontrolle durch einen Kanzleimitarbeiter sicherstelle. Eine solche erfordere grundsätzlich die allgemeine Anweisung, nach der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei, und die Frist im Fristenkalender erst anschließend zu streichen. Fehle es an einer allgemeinen Anweisung, müsse sich die Einzelanweisung, einen bestimmten Schriftsatz sogleich per Telefax abzusenden, auf die Ausgangskontrolle erstrecken; der Kanzleiangestellte sei zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erteilte Einzelanweisung habe sich darauf beschränkt, das ausgehende Telefax nur auf seinen erfolgreichen Versand zu kontrollieren, und den Kanzleimitarbeitern keine wirksame Ausgangskontrolle aufgegeben.

82. Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax nicht überspannt.

9a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Erst nach der Fristenkontrolle darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 6; vom - XII ZB 559/12, NJW-RR 2013, 572 Rn. 6; vom - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Der Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze genügt der Rechtsanwalt nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist (BGH, Beschlüsse vom aaO; vom - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8; vom - XII ZB 115/13, NJW-RR 2013, 1328 Rn. 6; vom - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13; vom - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 unter II 2; jeweils m.w.N.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben ( aaO m.w.N.). Fehlt es an einer allgemeinen Anweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellten sind zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (BGH, Beschlüsse vom aaO m.w.N.; vom - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.). Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (BGH, Beschlüsse vom aaO Rn. 8 m.w.N.; vom aaO).

10b) Gemessen daran hat der Kläger die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ausreichend entschuldigt.

11aa) Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ergibt sich keine den genannten Maßstäben genügende allgemeine Kanzleianweisung zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax. Dazu genügt nicht die allgemeine Anweisung, ausgehende Telefaxschreiben auf einen erfolgreichen Versand zu kontrollieren bzw. zu überprüfen. Wie diese Überprüfung ausgestaltet sein soll, hat der Kläger in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargetan. Insbesondere ist daraus nicht ersichtlich, dass die Kanzleiangestellten seines Prozessbevollmächtigten angewiesen waren, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, dass der Schriftsatz vollständig und an die richtige Faxnummer übermittelt worden war, und demgemäß die Erledigung im Fristenkalender zu vermerken.

12bb) Eine ausreichende allgemeine Organisationsanweisung war nicht deshalb entbehrlich, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Rechtsanwaltsfachangestellten angewiesen hatte, die Berufungsbegründungsschrift am vorab per Telefax zu übersenden und den erfolgreichen Versand zu kontrollieren. Auch bei einer solchen Einzelanweisung müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass sie in Vergessenheit gerät und die zu treffende Maßnahme unterbleibt ( aaO Rn. 9 m.w.N.). Besondere Vorkehrungen können entbehrlich sein, wenn die Bürokraft angewiesen ist, den Schriftsatz sofort und vor allen anderen Arbeiten per Telefax zu versenden (BGH, Beschlüsse vom aaO Rn. 10; vom - IX ZB 219/06, NJW 2008, 526 Rn. 12 m.w.N.; vom - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430 Rn. 9 m.w.N.). Eine solche Anweisung, auf deren Befolgung sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers unabhängig von allgemeinen Organisationsanweisungen hätte verlassen dürfen, hat er seinem Mitarbeiter nicht erteilt. Insbesondere ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht, dass der Rechtsanwaltsfachangestellte konkret angewiesen war, anhand des Sendeprotokolls die ordnungsgemäße Übermittlung zu kontrollieren und auf dieser Grundlage die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender als erledigt zu vermerken.

13c) Die ungenügende Organisation der Ausgangskontrolle im Büro seines Prozessbevollmächtigten und die unzureichende Einzelanweisung waren für die Fristversäumung ursächlich. Die Kausalität entfiel nicht deshalb, weil der Rechtsanwaltsfachangestellte die ihm aufgegebene Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift auf seine Kollegin übertragen hatte. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung einer Frist ursächlich geworden ist, muss von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten ausgegangen werden und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden (, NJW-RR 2012, 747 Rn. 14).

Fundstelle(n):
ZAAAE-71035