Stoffgleichheit zwischen Schaden und Vermögensvorteil beim Betrug; Rücktritt vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung
Gesetze: § 22 StGB, § 24 StGB, § 224 StGB, § 263 StGB
Instanzenzug: LG Dresden Az: 1 Ks 140 Js 54405/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Betruges in zwei Fällen und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Zunächst hält die Verurteilung des Angeklagten im Fall 7 der Urteilsgründe wegen versuchten Betruges sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3Nach den Feststellungen besteht bei dem vielfach wegen Betruges vorbestraften Angeklagten eine narzisstisch-histrionisch-dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung; er trägt "deutliche Züge eines Hochstaplers, für den das Agieren und Dominieren im Augenblick ohne Rücksicht auf die Folgen in der Zukunft im Vordergrund steht" (UA S. 4). Am bestellte der zahlungsunfähige Angeklagte in einer Mercedes-Benz Niederlassung zwei Neufahrzeuge. Dabei umfasste der Kaufpreis eines der Autos Überführungskosten in Höhe von 620 Euro netto. Da eine Auslieferung gegen Barzahlung vereinbart war, "war dem Angeklagten bewusst, dass er die Fahrzeuge nicht erhalten wird" (UA S. 25). Tatsächlich kam es aufgrund der mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit des Angeklagten nicht zur Erfüllung der Kaufverträge. Es entstand auch kein Schaden, da beide Fahrzeuge ohne Verlust und zuzüglich der Überführungskosten verkauft werden konnten.
4Bei der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dieser zumindest billigend in Kauf nahm, dass der Firma Mercedes-Benz durch die vorhersehbare Nichterfüllung des Kaufvertrages ein Schaden in Höhe der Überführungskosten entstehen würde. Indes ist insoweit eine Bereicherungsabsicht des Angeklagten bislang nicht ersichtlich. Eine solche liegt nur vor, wenn die Tat subjektiv auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für den Täuschenden oder einen Dritten gerichtet ist. Vermögensvorteil ist dabei die Erhöhung des wirtschaftlichen Gesamtwertes des Vermögens. Soweit dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen bewusst war, dass er die bestellten Fahrzeuge nicht erhalten würde, war aus seiner Sicht die Erlangung eines dem angenommenen Schaden stoffgleichen Vermögensvorteils ausgeschlossen. Indes sind zu seinen bislang nicht kritisch bedachten Handlungszielen weitere tragfähige Feststellungen denkbar. Allerdings wird das neue Tatgericht insoweit primär eine Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO zu erwägen haben.
52. Im Fall 11 der Urteilsgründe kann der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung nicht bestehen bleiben.
6Nach den Feststellungen warf der Angeklagte von seinem Balkon im vierten Obergeschoss eines Wohnhauses einen ca. 1,5 kg schweren Stein in Richtung des auf der Straße gehenden Geschädigten, um seiner Forderung "Verschwindet, Ihr Assis!" Nachdruck zu verleihen. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass der Geschädigte durch den Stein getroffen und erheblich verletzt werden könnte. Der Stein verfehlte den Geschädigten knapp. Der Angeklagte, der auf seinem Balkon weitere Steine vergleichbarer Größe aufbewahrte, rief dem Geschädigten zu: "Der nächste trifft!"; weitere Steinwürfe unterblieben.
7Angesichts dieser Sachlage hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB). Dass insoweit - wie der Generalbundesanwalt meint - ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht mit hinreichender Sicherheit annehmen. Von einem solchen ist auszugehen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt; gleiches gilt, wenn eine Tatvollendung objektiv zwar noch möglich ist, der Täter diese aber subjektiv nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ 2013, 156, 157; , NStZ 2008, 393 mwN). Hierzu teilt das Urteil nichts mit. Den Urteilsfeststellungen lässt sich ferner nichts zu einer Reaktion des Geschädigten entnehmen, die etwa einen weiteren, dem Angeklagten möglichen Steinwurf hätte aussichtslos erscheinen lassen; nach eigenem Bekunden des Geschädigten verspürte er nach dem Steinwurf keine Angst (UA S. 28).
83. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 11 zieht auch die Aufhebung des Strafausspruchs im Fall 10 der Urteilsgründe nach sich. Tat 10 wurde unmittelbar vor Tat 11 begangen. Das neue Tatgericht wird deshalb die notwendige neue Beurteilung der Schuldfähigkeit des bei beiden Taten erheblich angetrunkenen Angeklagten (2,2 %o) nur einheitlich vornehmen können. Der mit der Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen 7 und 11 verbundene Wegfall der betreffenden Einzelstrafen, insbesondere der Einsatzstrafe im Fall 11, sowie der Einzelstrafe im Fall 10 zwingt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
94. Die Sache ist erneut vor dem Schwurgericht zu verhandeln, da im Fall 11 die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts nicht etwa sicher ist und bei der belegten hohen Gefährlichkeit der Tathandlung nicht auszuschließen ist, dass sich ein neues Tatgericht von einem Tötungsvorsatz des Angeklagten überzeugen könnte. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) betrifft lediglich den Strafausspruch.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König
Fundstelle(n):
PAAAE-71034