BGH Beschluss v. - V ZB 146/13

Aufgebot einer Briefhypothek: Glaubhaftmachung des unbekannten Gläubigers

Leitsatz

Für die Glaubhaftmachung, dass der Gläubiger im Sinne von § 1171 BGB unbekannt ist, kommt es bei einer Briefhypothek darauf an, ob die möglichen Erben des letzten bekannten Gläubigers den Brief haben oder Auskunft über den Verbleib des Briefes und seines letzten Inhabers geben können, nicht aber darauf, ob ihr Erbrecht nachgewiesen oder nachweisbar ist.

Gesetze: § 1171 BGB, § 1922 BGB, § 449 FamFG

Instanzenzug: Az: 36 T 3/07vorgehend Az: 70 C 7/07

Gründe

I.

1Der Antragsteller möchte im Wege des Aufgebots durch Hinterlegung des Nominalbetrags des eingetragenen Grundpfandrechts nebst den eingetragenen Zinsen nach § 1171 BGB die Ausschließung des Gläubigers einer Briefhypothek über 2.500 Goldmark erreichen, die am unter der heutigen laufenden Nummer 5 der Abteilung III des Grundbuchs eingetragen wurde. Er trägt dazu vor, der für das Recht erteilte Hypothekenbrief sei nicht auffindbar. Der eingetragene Gläubiger sei inzwischen verstorben. Die Möglichkeiten, die Erben seiner - ebenfalls verstorbenen - Erben festzustellen, seien erschöpft.

2Das Amtsgericht hat das Aufgebot abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Aufgebotsantrag weiter.

II.

3Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Gläubiger des Rechts unbekannt sei. Er habe bei den bekannten Erbeserben nach dem Verbleib des Hypothekenbriefes nachfragen und die Einrichtung von Nachlasspflegschaften für die unbekannten Erben der verstorbenen Erben des eingetragenen Gläubigers beantragen müssen.

III.

4Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand. Die nach § 11 RPflG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

51. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Nach § 1171 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der unbekannte Gläubiger einer Hypothek im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Recht ausgeschlossen werden, wenn der Eigentümer zur Befriedigung des Gläubigers oder zur Kündigung berechtigt ist und den Betrag der Forderung sowie unter den Voraussetzungen von Satz 2 der genannten Vorschrift auch die Zinsen für den Gläubiger unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt.

6a) Unbekannt ist der im Grundbuch eingetragene Gläubiger der Hypothek, wenn unklar ist, um wen es sich dabei handelt (, NJW-RR 2004, 664, 665; OLG Hamm, NJOZ 2013, 1404, 1405; Wenckstern, DNotZ 1993, 547, 549), wenn er verstorben und nicht festzustellen ist, wer ihn beerbt hat (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 140/08, NJW-RR 2009, 660 Rn. 14 und vom - V ZB 204/12, NJW 2014, 693 Rn. 8), wenn er oder sein möglicher Erbe ihr Recht nicht nachweisen können (KG OLGZ 1970, 323, 326; jurisPK-BGB/Reischl, 6. Auf., § 1170 Rn. 8; NK-BGB/Krause, 3. Aufl., § 1170 Rn. 4) oder den Nachweis trotz Aufforderung ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit nicht erbringen (LG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1232; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, 3. Aufl., § 1170 Rn. 4; jurisPK/Reischl und NK-BGB/Krause jeweils aaO; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1170 Rn. 6; offenbar aM MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl., § 1170 Rn. 6). Bei einer Briefhypothek kommt es dagegen nicht entscheidend darauf an, wer den Gläubiger beerbt hat und ob dessen Erbrecht nachweisbar oder nachgewiesen ist. Eine solche Hypothek kann nämlich nach §§ 1153, 1154 BGB auch ohne Eintragung in das Grundbuch durch schriftliche Erklärung und Übergabe des Briefs wirksam rechtsgeschäftlich einem Dritten abgetreten werden und geht auf den Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB nur über, wenn es an einer solchen Abtretung fehlt. Deshalb ist der Gläubiger einer solchen Hypothek unbekannt, wenn der für sie erteilte Brief unauffindbar und der Aufenthalt des letzten bekannten Inhabers unbekannt ist (Senat, Beschluss vom - V ZB 140/08, aaO Rn. 15).

7b) Die zuletzt genannten, hier maßgeblichen Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn der Grundstückseigentümer selbst von dem Verbleib des Briefs und dem Aufenthalt des letzten Inhabers keine Kenntnis hat. Denn die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit eines Aufgebots nicht schon, wenn der Gläubiger „dem Grundstückseigentümer“ unbekannt ist, sondern nur, wenn er schlechthin unbekannt ist (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 449 Rn. 2). Entschieden ist das bisher für einen Gläubiger unbekannten Aufenthalts, der nach Maßgabe von § 6 Abs. 1a und 3 GBBerG und von § 1 der Verordnung des Senats von Berlin vom (GVBl. 65) im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Recht ausgeschlossen werden kann (Senat, Beschluss vom - V ZB 1/09, WM 2009, 1669 Rn. 17). Für den Verbleib des Grundpfandrechtsbriefs und den Aufenthalt seines letzten bekannten Inhabers gilt nichts anderes.

8c) Schlechthin unbekannt sind beide Umstände entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht erst, wenn objektiv ausgeschlossen werden kann, sie (jemals) in Erfahrung zu bringen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Antragsteller alle naheliegenden und mit zumutbarem Aufwand zu erschließenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, um den Verbleib des Briefs und den Aufenthalt seines letzten Inhabers zu klären, und dies glaubhaft gemacht worden ist (§ 449 FamFG). Daran fehlt es hier.

9aa) Zu den auszuschöpfenden Quellen gehört eine Nachfrage bei Personen, die etwas über den Hypothekenbrief wissen können. Das können die tatsächlichen Erben des Gläubigers, aber auch andere Personen wie etwa Angestellte oder Bekannte des Gläubigers sein. Bei den möglichen Erben kommt es, wie ausgeführt, nicht auf den Nachweis ihres Erbrechts, sondern allein darauf an, ob sie den (Erben-) Besitz an dem Brief erlangt haben oder wissen, wo sich der Brief befindet oder befinden könnte oder wer ihn zuletzt hatte und wo sich diese Person aufhält.

10bb) Auskünfte zu dem Verbleib des Briefs von Personen, die mit zumutbarem Aufwand nicht zu ermitteln sind, können nicht verlangt werden. Deshalb muss der Antragsteller für die unbekannten (Erbes-) Erben des ursprünglichen Grundpfandgläubigers keine Nachlasspflegschaft mit dem Ziel erwirken, diese zu ermitteln. Eine Nachlasspflegschaft ist auch nicht deshalb erforderlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die (Erbes-) Erben Berechtigte der Grundschuld sind. Andernfalls müsste, wenn der im Grundbuch eingetragene Inhaber des Grundpfandrechts verstorben ist, im Rahmen eines Aufgebotsverfahrens stets eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben angeordnet und - unter Umständen jahrelang - betrieben werden, bevor der Gläubiger als unbekannt im Sinne der §§ 1170, 1171 BGB angesehen werden könnte. Das widerspräche Sinn und Zweck des Aufgebotsverfahrens (vgl. auch Senat, Beschluss vom - V ZB 204/12, NJW 2014, 693 Rn. 17 ff.).

11cc) Nach diesen Grundsätzen musste der Antragsteller nicht nachweisen, wer die Erbeserben von W.   K.   sind. Allerdings hätte er die ihm bekannten möglichen Erbeserben, den Beteiligten zu 2 und dessen Mitprätendenten, nach dem Verbleib des Briefs und dem Aufenthalt des letzten bekannten Inhabers fragen müssen. Sie haben plausibel dargelegt, dass und aus welchen Gründen sie für sich in Anspruch nehmen, Erben des Hypothekengläubigers zu sein. Diese Darlegung lässt als möglich erscheinen, dass sie den Brief haben oder etwas über den Verblieb des Hypothekenbriefs und seinen letzten Inhaber wissen. Ohne eine Nachfrage bei ihnen ist die Glaubhaftmachung des Antragstellers deshalb - unabhängig von dem Nachweis ihres Erbrechts - nicht ausreichend.

122. Die Sache ist dennoch nicht entscheidungsreif. Die Beteiligten haben bislang - wie das Beschwerdegericht selbst - nicht erkannt, dass es für die Entscheidung nicht auf den Nachweis des Erbrechts des Beteiligten zu 2 und seiner Mitprätendenten ankommt, sondern auf den Verbleib des Briefs und den Aufenthalt seines letzten bekannten Inhabers. Sie müssen Gelegenheit erhalten, sich mit diesem neuen Gesichtspunkt auseinanderzusetzen und dazu ergänzend vorzutragen.

IV.

13Die Beschwerdeentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dem Antragsteller wird Gelegenheit zu geben sein, den Beteiligten zu 2 und seine Mitprätendenten zu einer Mitteilung darüber aufzufordern, ob sie im Besitz des Hypothekenbriefs sind oder wissen, wer ihn besitzt oder zuletzt besaß. Sollten sich dabei keine Erkenntnisse über den Verbleib des Briefs und denjenigen ergeben, der ihn zuletzt hatte, dürfte der Gläubiger unbekannt und dies ausreichend glaubhaft gemacht sein. Der Aufgebotsantrag dürfte dann nicht mangels entsprechender Glaubhaftmachung zurückgewiesen werden.

V.

14Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts ist der Senat davon ausgegangen, dass die Hypothek zunächst im Verhältnis 1:1 von Goldmark auf Reichsmark und anschließend im selben Verhältnis auf Deutsche Mark umgestellt worden ist. Das entspricht einem auf Euro umgerechneten Betrag von 1.278,23 €.

Stresemann                 Lemke                 Schmidt-Räntsch

                    Czub                 Kazele

Fundstelle(n):
DNotZ 2014 S. 920 Nr. 12
NJW 2014 S. 3726 Nr. 51
NJW-RR 2014 S. 1360 Nr. 22
WM 2014 S. 1969 Nr. 41
JAAAE-70586