Auslegung der Reichweite eines befristeten Verzichts auf die Verjährungseinrede
Leitsatz
Ein befristeter Verzicht des Schuldners auf die Erhebung der Verjährungseinrede soll dem Gläubiger im Zweifel nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vor Ablauf der Verzichtsfrist ermöglichen. Eine Auslegungsregel, der Verzicht solle den Gläubiger im Zweifel so stellen, dass sämtliche während der Verzichtsfrist auftretende Tatbestände für eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung sich auch auf den Lauf der Verzichtsfrist auswirken, entbehrt der Grundlage.
Instanzenzug: Az: 12 UF 87/12 Beschlussvorgehend AG Niebüll Az: 14 F 157/10nachgehend Az: XII ZB 141/13 Beschluss
Gründe
I.
1Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über den Zugewinnausgleich, insbesondere darüber, ob der Antragsgegner wirksam die Verjährungseinrede erhoben hat.
2Die im November 1979 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde auf den am zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom , welches am selben Tag rechtskräftig wurde, geschieden. Im Jahr 2006 leistete der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) eine Zahlung zur "Kontoausgleichung", die mit 4.000 € auf den Zugewinnausgleich angerechnet werden sollte. Nach der Scheidung verhandelten die Beteiligten zeitweilig über den Zugewinnausgleich. Mit Schreiben vom verzichtete der Ehemann bis zum auf die Einrede der Verjährung. Mit Schreiben vom verlängerte er den Verzicht bis zum . Am überwies er der Ehefrau 5.000 € mit der Zweckbestimmung "Anzahl. Zugewinnausgleich".
3Mit am beim Amtsgericht eingereichtem Schriftsatz hat die Ehefrau beantragt, den Ehemann zur Zahlung von 169.160 €, zur Vorlage von Belegen, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung eines weiteren, noch zu beziffernden Betrages zu verpflichten. Im Termin vom haben die Beteiligten ihre Bereitschaft erklärt, "noch einmal in außergerichtliche Vergleichsgespräche" einzutreten, worauf das Amtsgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat. Mit außergerichtlichem Schreiben vom hat die Ehefrau den Ehemann an eine Rückäußerung zu ihrem Vorschlag vom erinnert. Im Januar 2012 hat die Ehefrau das Verfahren wieder aufgenommen und mitgeteilt, dass die Verhandlungen endgültig gescheitert seien. Der Ehemann hat mit Schriftsatz vom (hilfsweise) die Einrede der Verjährung erhoben.
4Das Amtsgericht hat die Anträge der Ehefrau wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Auskunfts- und Beleganspruch erledigt sei, im Übrigen hat es den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der die Zurückweisung der Erstbeschwerde erstrebt.
II.
5Da die Ehefrau als Rechtsbeschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Rechtsbeschwerde des Ehemannes durch Versäumnisbeschluss zu entscheiden (§§ 74 Abs. 4, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 331 ZPO; vgl. Musielak/Ball ZPO 11. Aufl. § 555 Rn. 6). Dieser beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt von Rechts wegen den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79, 81 ff.).
6Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Beschwerde.
71. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts war die Verjährung bereits eingetreten, als die Anzahlung erfolgte. Die Verjährungsfrist betrage nach § 1378 Abs. 4 BGB a.F. iVm Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 2 EGBGB drei Jahre und habe mit dem Zeitpunkt begonnen, in dem die Ehefrau von der Beendigung des Güterstands erfahren habe. Das sei der gewesen, als das Scheidungsurteil ergangen und aufgrund beiderseitigen Rechtsmittelverzichts rechtskräftig geworden sei. Verhandelt hätten die Beteiligten nur in der Zeit vom bis zum . Der zweimalig erklärte befristete Einredeverzicht stelle als bloß einseitiger Akt keine Aufnahme von Verhandlungen dar. Selbst wenn der Zeitraum um einen Monat verlängert würde, weil von der Ehefrau nach Treu und Glauben nicht sogleich ein nächster Schritt habe erwartet werden dürfen, würde die Hemmung nur 146 Tage betragen und den regulären Ablauf der Verjährungsfrist vom lediglich auf den verschieben.
8Der Ehemann müsse sich auch nicht wegen der Einleitung des Verfahrens innerhalb der Frist für den Einredeverzicht so behandeln lassen, als wäre die Verjährung durch das Betreiben des Verfahrens gehemmt. Denn die Ehefrau habe das Verfahren nicht im unmittelbaren Anschluss an den Zeitraum der Hemmung von sechs Monaten gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB, also am , aufgenommen, sondern erst mit Schriftsatz vom mitgeteilt, dass die Vergleichsverhandlungen endgültig gescheitert seien. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung längst eingetreten gewesen.
9Der in unverjährter Zeit erklärte Verzicht auf die Einrede der Verjährung berühre nicht den Lauf der Verjährungsfrist, sondern beschränke den Schuldner lediglich in seiner Befugnis, die Verjährungseinrede zu erheben. In welchem Umfang der Verzicht die Einredeerhebung zu einer unzulässigen Rechtsausübung mache, richte sich danach, wie der Gläubiger die Verzichtserklärung ihrem Sinn nach und unter Beachtung redlichen Geschäftsgebarens habe verstehen dürfen. Bei uneingeschränktem Verzicht sei der Gläubiger so zu stellen, als liefe die Verjährungsfrist erst mit der Frist für den Verzicht ab. Das führe aufgrund der im vorliegenden Fall abgegebenen Erklärungen aber nur dazu, dass der Ehemann so zu behandeln sei, als wäre die Verjährung - unabhängig von der Antragserhebung - am eingetreten.
10Dagegen hätte die Anzahlung vom , wenn sie in unverjährter Zeit erfolgt wäre, nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung geführt. Die Einschränkung des Verzichts auf einzelne hemmende oder zu einem Neubeginn führende Tatbestände könne sich zwar aus Sinn und Zweck eines erklärten Verzichts ergeben, sie müsse aber für den Gläubiger erkennbar sein. Das sei hier nicht der Fall gewesen, möge das Einräumen einer weiteren Frist vor einer kostenauslösenden Verfahrenseinleitung auch im Vordergrund der Überlegungen des Ehemanns gestanden haben.
11Die Anzahlung sei in vom Einredeverzicht umfasster Zeit erfolgt und verwehre es daher dem Ehemann, die Verjährungseinrede zu erheben. Es sei allerdings streitig, ob ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB - neben einem Verhalten, aus dem sich das Bewusstsein des Schuldners vom Bestehen der Schuld ergibt - auch voraussetze, dass der Gläubiger aufgrund des Verhaltens darauf vertrauen dürfe, der Schuldner werde sich nicht alsbald nach Ablauf der Verjährungsfrist auf Verjährung berufen (wie es der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seit 1981 vertrete), oder ob ein bloßes Verhalten, welches das Bewusstsein von einer weitergehenden Verpflichtung erkennen lasse (wie es der Rechtsprechung des Reichsgerichts und Bundesgerichtshofs bis 1981 entspreche) für ausreichend zu erachten sei. Für die Entscheidung sei von ausschlaggebender Bedeutung, welcher Auffassung zu folgen sei, weil es im vorliegenden Fall an einem Vertrauenstatbestand fehle.
12Die Frage sei dahin zu beantworten, dass ein Vertrauenstatbestand nicht erforderlich sei. Dass der Bundesgerichtshof dem Vertrauenstatbestand tatsächlich eine eigenständige Bedeutung zumesse, erscheine deshalb zweifelhaft, weil kaum vorstellbar sei, dass der Bundesgerichtshof ohne eine Begründung und ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf eine Änderung die höchstrichterliche Rechtsprechung habe modifizieren wollen. Es spreche mehr dafür, dass mit einem geschaffenen Vertrauen nur die Wirkung des Anerkenntnisses habe beschrieben, nicht aber ein weiteres Tatbestandsmerkmal durch Richterrecht habe geschaffen werden sollen. Eine solche Auslegung sei zudem vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. In das auf Klarheit angelegte Recht der Verjährung würde große Rechtsunsicherheit hineingetragen, denn die Feststellung, welches Verhalten der Gläubiger von gerade diesem Schuldner nach einer Abschlagszahlung habe erwarten dürfen und wann die Einrede der Verjährung nicht mehr "alsbald" erhoben sei, werde sich mit hinreichender Gewissheit kaum je treffen lassen.
13Mit der Anzahlung habe der geschäftserfahrene Antragsgegner, der den Kontoausgleich nur als einen ersten Schritt zur Regelung des Zugewinnausgleichs erklärt und im Dezember 2007 ein Vergleichsangebot über 30.000 € unterbreitet habe, unmissverständlich sein Bewusstsein vom Bestehen einer weitergehenden Verpflichtung zum Ausdruck gebracht. Unerheblich sei, dass die Beteiligten möglicherweise sehr voneinander abweichende Vorstellungen über die Höhe des Zugewinnausgleichs gehabt hätten, denn beide seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Anspruch nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu ermitteln sei.
142. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15a) Das Oberlandesgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Zugewinnausgleich nach § 1378 Abs. 4 BGB a.F. iVm Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 2 EGBGB drei Jahre betrug und mit dem zu laufen begann. An diesem Tag ist das Scheidungsurteil aufgrund des beiderseitigen Rechtsmittelverzichts rechtskräftig geworden. Zutreffend ist demnach auch, dass die von den Beteiligten geführten Verhandlungen die Verjährung nach § 203 BGB nicht so lange hemmten, dass die Anträge im vorliegenden Verfahren noch vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden sind. Schließlich ist die Zahlung vom erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt und konnte demnach keinen Neubeginn der Verjährungsfrist nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr auslösen.
16b) Das Oberlandesgericht ist ferner davon ausgegangen, dass dem Ehemann aufgrund seiner befristeten Verzichtserklärungen, zuletzt bis zum , und der von ihm innerhalb der Verzichtsfrist geleisteten Anzahlung die Erhebung der Verjährungseinrede nach Treu und Glauben versagt sei.
17Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
18aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird durch einen vom Schuldner erklärten befristeten Verjährungsverzicht der Ablauf der Verjährung zwar nicht beeinflusst. Folge des Verzichts ist jedoch, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den genannten Zeitraum ausgeschlossen ist (vgl. - NJW 2009, 1598 Rn. 22 mwN).
19Die Reichweite des Verjährungsverzichts ist durch Auslegung der Verzichtserklärung zu ermitteln. Diese hat regelmäßig zum Inhalt, dass der Schuldner bis zum Ablauf der von ihm eingeräumten Frist die Einrede der Verjährung nicht erheben wird. Da der Verzicht den Gläubiger von der Notwendigkeit der alsbaldigen gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs entheben soll, bleibt er auch nach Ablauf der vom Schuldner eingeräumten Frist wirksam, wenn der Gläubiger die Streitsache vor Ablauf der Frist rechtshängig macht, wobei die Zustellung des Antrags in entsprechender Anwendung des § 167 ZPO auf den Eingang des Antrags zurückwirkt (vgl. - NJW 2009, 1598 Rn. 22 mwN).
20Dagegen lässt sich die weitergehende Annahme, der Schuldner wolle den Gläubiger allgemein so stellen, als würde die Verjährung erst mit dem Ablauf der Verzichtsfrist eintreten, nicht ohne weiteres rechtfertigen. Denn dies müsste bereits dazu führen, dass bei einem etwa wegen beabsichtigter Verhandlungen erklärten Verzicht die eingeräumte Verzichtsfrist sich sogleich mit Beginn der Verhandlungen entsprechend § 203 BGB auf nicht absehbare Zeit verlängern würde. Ein derart umfassender Verzichtswille kann dem Schuldner in Anbetracht der genau bestimmten Frist regelmäßig nicht unterstellt werden und findet auch aus der Sicht des Gläubigers als Erklärungsempfänger keine Rechtfertigung. Der Gläubiger ist daher bei bevorstehendem Ablauf der Frist abgesehen von einer möglichen Fristverlängerung durch den Schuldner gehalten, den Anspruch noch innerhalb der eingeräumten Frist gerichtlich geltend zu machen, wie es im vorliegenden Fall auch geschehen ist.
21Die vom Oberlandesgericht angewandte Auslegungsregel, dass der Schuldner dem Gläubiger durch einen befristeten Verjährungsverzicht im Zweifel sämtliche Möglichkeiten der Hemmung und des Neubeginns der Verjährung nach §§ 203 ff. BGB eröffnen wolle, entbehrt demnach der Grundlage. Ein weitergehender Verzicht bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, die einen über die Ermöglichung der gerichtlichen Geltendmachung hinausgehenden Verzichtswillen des Schuldners erkennen lassen. Das schließt es freilich nicht aus, dass die Reichweite des Einredeverzichts durch weitere Erklärungen des Schuldners verändert wird.
22bb) Unter Anwendung der aufgeführten Grundsätze geht der vom Ehemann erklärte Einredeverzicht auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht über den regelmäßigen Inhalt eines befristeten Verjährungsverzichts hinaus. Den vom Ehemann abgegebenen Verzichtserklärungen lässt sich kein über den Ablauf der jeweiligen Frist und die durch sie ermöglichte gerichtliche Geltendmachung hinausgehender Verzicht entnehmen.
23Der Ehemann hat den von ihm erklärten Einredeverzicht auch nicht nachträglich modifiziert. Mit der während der Verzichtsfrist geleisteten Anzahlung, die wegen bereits eingetretener Verjährung einen Neubeginn der Ver-jährungsfrist nicht mehr begründen konnte, war keine Änderung der vorausgegangenen Verzichtserklärung verbunden (vgl. - VersR 1967, 1092, 1094). Das gilt erst recht, weil die Zahlung während laufender Vergleichsverhandlungen erfolgte und daher selbst in unverjährter Zeit im Zweifel kein über den Abschluss der Vergleichsverhandlungen hinausgehendes Anerkenntnis beinhaltet hätte (vgl. - NJW-RR 2002, 1433, 1434; RG WarnR 1933 Nr. 146; MünchKommBGB/Grothe 6. Aufl. § 212 Rn. 7 mwN).
24Für die zeitliche Reichweite des allgemeinen Einredeverzichts hat das Oberlandesgericht schließlich zutreffend die Regelung des § 204 Abs. 2 BGB herangezogen, wonach die Hemmung bei Nichtbetreiben des Verfahrens sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung endet. Nachdem im Termin vor dem das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist und die Ehefrau das Verfahren erst nach Ablauf von sechs Monaten weiter betrieben hat, ist der Ehemann an der Erhebung der Verjährungseinrede nicht mehr gehindert.
25cc) Auf die vom Oberlandesgericht für die Zulassung der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage kommt es somit nicht an. Die Rechtsbeschwerde macht im Übrigen zu Recht geltend, dass die vom Oberlandesgericht angenommene Diskrepanz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht besteht.
263. Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da die Sache aufgrund der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist. Weil demnach der Ehemann an der Erhebung der Verjährungseinrede nicht mehr gehindert ist, hat das Amtsgericht den Antrag der Ehefrau mit Recht abgewiesen.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Guhling
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 2267 Nr. 31
NJW 2014 S. 8 Nr. 30
WM 2014 S. 2130 Nr. 45
DAAAE-69234