BGH Urteil v. - VIII ZR 103/13

Zwangsverwaltung: Unwirksamkeit einer Vorausverfügung über die Miete gegenüber dem Zwangsverwalter

Leitsatz

Eine in einem Mietvertrag mit fester Laufzeit als Einmalzahlung vereinbarte und vor der Beschlagnahme vollständig gezahlte Miete ist den Hypothekengläubigern gegenüber gemäß § 1124 Abs. 2 BGB insoweit unwirksam, als sie sich auf die (fiktive) anteilige Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat (beziehungsweise bei Beschlagnahme nach dem fünfzehnten Tage des Monats für eine spätere Zeit als den ersten Monat nach der Beschlagnahme) bezieht.

Gesetze: § 535 Abs 2 BGB, § 1124 Abs 2 BGB, § 20 Abs 2 ZVG, § 146 Abs 1 ZVG

Instanzenzug: LG Bochum Az: I-10 S 67/12 Urteilvorgehend AG Witten Az: 2 C 990/10 Urteil

Tatbestand

1Der Beklagte zu 2 war ursprünglich Eigentümer des Grundstücks B.          in W.    . Er bewohnt das auf dem Grundstück belegene Haus gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Beklagten zu 3.

2Nachdem im Jahr 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 eröffnet worden war, ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes an. Am wurde der Zuschlag Herrn R.    (im Folgenden: Ersteher) zu einem Gebot von 160.000 € erteilt. Dieser hinterlegte einen Betrag in Höhe von 22.000 €; weitere Zahlungen leistete er auf das Gebot nicht. Daraufhin wurde von einem Grundpfandgläubiger - neben einem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren - ein Zwangsverwaltungsverfahren über den Grundbesitz eingeleitet. In diesem Verfahren wurde der Kläger durch Beschluss des Amtsgerichts Witten vom zum Zwangsverwalter über das Grundstück bestellt und nahm es am in Besitz.

3Die Beklagten zu 2 und 3 berufen sich gegenüber dem Kläger auf einen mit ihrer Tochter, der Beklagten zu 1, geschlossenen Untermietvertrag über das Grundstück sowie darauf, dass die Beklagte zu 1 mit dem Ersteher bereits am einen Festmietvertrag über das Grundstück für den Zeitraum vom bis zum abgeschlossen und die für diesen Zeitraum vereinbarte Miete von 35.000 € am selben Tag an den Ersteher gezahlt habe.

4Die Beklagte zu 1 hat eine am notariell beglaubigte Kopie eines von ihr und dem Ersteher unterzeichneten, auf den datierten Mietvertrags über den streitigen Grundbesitz vorgelegt. Darin heißt es:

"1) Vermieter ist auf Grund des Zuschlagsbeschlusses […] vom […] Eigentümer des […] Grundstücks. […]

4) Mietbeginn ist der . Das Mietverhältnis endet am .

5) Der Mietzins für den gesamten Mietzeitraum vom bis zum beträgt 35.000,00 Euro. […]

7) Mieterin ist berechtigt, eine einmalige Verlängerung der Mietzeit um drei Jahre zu verlangen. […] Der Mietzins während des Verlängerungszeitraumes wird bereits jetzt mit 80 % […] des zum Zeitpunkt des Eintritts des Verlängerungszeitraums ortsüblichen Mietzinses für vergleichbare Mietobjekte vereinbart. Der übrige Inhalt des Mietvertrages soll unverändert bleiben.

8) Für den Fall der vorzeitigen Kündigung dieses Vertrages, die nur für den Fall der Durchführung eines Vollstreckungsversteigerungsverfahrens in Betracht kommen kann, ist der rechnerisch nicht verbrauchte Teil des Mietzinses zuzüglich eines Aufschlages von 30% zu dem rechnerisch ermittelten Betrag an die Mieterin auszuzahlen. […]

10) Mieterin ist uneingeschränkt zur Untervermietung berechtigt, allerdings auch insoweit nur zur Wohnnutzung. […]

Der Vermieter bestätigt mit seiner nachfolgenden Unterschrift, dass er den Mietzins von 35.000 Euro […] im Zusammenhang mit der Unterzeichnung dieses Vertrags erhalten hat."

5Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagte zu 1 erfolglos zur Zahlung eines ortsüblichen Nutzungsentgelts in Höhe von monatlich 900 € für die Zeit ab Dezember 2009 auf. Die Beklagte zu 1 meint, die an den Ersteher geleistete Einmalzahlung sei dem Kläger gegenüber wirksam. Sie sei deshalb nicht zur Zahlung von Miete oder Nutzungsentgelt an den Kläger verpflichtet. Demgemäß erbrachte sie auch in der Folgezeit keine Zahlungen an den Kläger. Mit Schreiben vom und vom erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs.

6Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Räumung des zwangsverwalteten Grundbesitzes in Anspruch genommen, die Beklagte zu 1 zusätzlich auf Zahlung von 2.700 € (Nutzungsersatz für die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010) nebst vorgerichtlichen Kosten und Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Zahlungsantrag in Höhe von 972,22 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Zahlungsklage sowie die Räumungsklage abgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger den Räumungs- und Herausgabeantrag weiter, die Beklagte zu 1 begehrt die vollständige Abweisung der Klage.

Gründe

7Die Revision der Beklagten zu 1 ist unbegründet, die des Klägers hat Erfolg. Über das Rechtsmittel des Klägers ist, soweit es sich gegen die Beklagten zu 2 und 3 richtet, antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten zu 2 und 3 in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

8Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

9Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 1 aus § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1124 Abs. 2 BGB lediglich ein Anspruch auf Zahlung von Miete für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von insgesamt 972,22 € zu. Der vorrangig geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Wertersatz in Höhe von insgesamt 2.700 € für Dezember 2009, Januar und Februar 2010 aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall, § 818 Abs. 2 BGB bestehe dagegen nicht. Die Beklagte zu 1 habe den Besitz an dem streitgegenständlichen Grundstück nicht ohne Rechtsgrund erlangt, denn der mit dem Ersteher unter dem geschlossene Mietvertrag wirke gemäß § 152 Abs. 2 ZVG auch gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter. Das Grundstück habe sich schon vor der Beschlagnahme im Besitz der Beklagten befunden. Nach der vom Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme und der vorgelegten notariell beglaubigten Kopie des Mietvertrags sei davon auszugehen, dass der von der Beklagten zu 1 behauptete Mietvertrag tatsächlich, wie von ihr behauptet, bereits am Tage der Versteigerung () wirksam abgeschlossen worden sei und sie die vereinbarte Mietzahlung von 35.000 € auch erbracht habe.

10Die Zahlung an den Ersteher als ursprünglichen Vermieter stehe dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der Miete für die Monate Januar und Februar 2010 allerdings nicht entgegen. Denn diese Vorausverfügung sei gemäß § 1124 Abs. 2 BGB dem Kläger gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf die Miete für einen späteren als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat beziehe. Da die Beschlagnahme, deren Datum nicht habe aufgeklärt werden können, jedenfalls nicht vor dem erfolgt sei, sei die Vorausverfügung nach § 1124 Abs. 2, 2. Halbsatz BGB selbst dann, wenn die Beschlagnahme noch vor Ablauf des Monats November erfolgt sein sollte, nur noch für den Monat Dezember 2009, nicht aber für die Folgemonate wirksam.

11Eine Vorausverfügung im Sinne von § 1124 Abs. 2 BGB setze nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die Miete nach periodischen Zeitabschnitten bemessen sei. Hiervon sei im Streitfall indes auszugehen. Denn anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, in denen der Mieter die Wohnung jeweils zu lebenslanger Nutzung und somit auf unbestimmte Zeit gemietet habe, sei die Einmalzahlung von 35.000 € hier für ein zeitlich befristetes Mietverhältnis vereinbart worden und könne deshalb ohne weiteres in eine fiktive monatliche Miete umgerechnet werden. Dabei ergebe sich eine (fiktive) monatliche Miete von 486,11 € (35.000 € geteilt durch 72 Monate).

12Ein Anspruch auf Räumung stehe dem Kläger hingegen - derzeit - weder gegen die Beklagte zu 1 aus § 546 Abs. 1 BGB noch gegen die Beklagten zu 2 und 3 aus § 546 Abs. 2 BGB zu. Zwar sei die Beklagte zu 1 ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, an den Kläger ab Januar 2010 eine monatliche Miete von 486,11 € zu zahlen. Die auf Zahlungsverzug (§ 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB) gestützten Kündigungen des Klägers seien gleichwohl unwirksam, weil sich die Beklagte zu 1 - jedenfalls bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsverfahren - mangels Verschuldens im Sinne des § 286 Abs. 4 BGB nicht im Verzug mit der Zahlung der (monatlichen) Miete befunden habe. Es liege ein unverschuldeter Rechtsirrtum der Beklagten zu 1 über die Verpflichtung vor, trotz geleisteter Mietvorauszahlung an den Ersteher ab Januar 2010 nochmals Miete an den Kläger zahlen zu müssen.

II.

13Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Zahlung des Betrages von 35.000 € an den ursprünglichen Vermieter als Vorausverfügung gemäß § 1124 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB dem Kläger gegenüber unwirksam ist, soweit sie sich auf die Miete ab Januar 2010 bezieht. Dem Kläger steht deshalb der in der Revisionsinstanz noch streitige Zahlungsanspruch (je 486,11 € für die Monate Januar und Februar 2010) zu.

14Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, dass sich die Beklagte zu 1 zumindest bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsverfahren in einem unverschuldeten Rechtsirrtum über ihre Verpflichtung zur Zahlung von Miete an den Kläger befunden habe und deshalb die vom Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 ausgesprochenen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs vom und vom sowie der hierauf gestützte Räumungsanspruch gegen die Beklagten zu 1 bis 3 unbegründet seien.

151. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 für die Zeit ab Januar 2010 - entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten zu 1 - ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 486,11 € zu (§ 535 Abs. 2 BGB).

16a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte zu 1 mit dem Ersteher einen Mietvertrag über das streitige Grundstück abgeschlossen hat. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die von der Beklagten zu 1 an den ursprünglichen Vermieter erbrachte Zahlung von 35.000 € als Vorausverfügung gemäß § 1124 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB dem Kläger gegenüber unwirksam ist, soweit sie sich auf die Miete ab Januar 2010 bezieht.

17aa) Die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des Vollstreckungsschuldners (hier des Erstehers) richtet sich allein nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 BGB, wenn - wie hier - ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt. Dies ergibt sich aus § 146 Abs. 1 ZVG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 ZVG (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 103/11, WuM 2012, 112 Rn. 2; , NJW-RR 2011, 371 Rn. 15; vom - VIII ZR 234/06, NJW 2007, 2919 Rn. 21; vom - XII ZR 16/00, WuM 2003, 510 unter II 3 a).

18bb) Nach § 1124 Abs. 2 BGB ist eine Verfügung dem Grundpfandgläubiger gegenüber insoweit unwirksam, als sie sich auf die Miete für eine spätere Zeit als den Monat der Beschlagnahme bezieht. Eine Vorausverfügung im Sinne von § 1124 Abs. 2 BGB setzt die Existenz einer nach periodischen Zeitabschnitten bemessenen Miete gegen den Schuldner voraus, auf die durch ein Rechtsgeschäft eingewirkt wird (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 103/11, aaO Rn. 3; , BGHZ 137, 106, 111 ff.; vom - VIII ZR 234/06, aaO Rn. 23; vom - VIII ZR 98/61, BGHZ 37, 346, 351 ff.). An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch nach der Rechtsprechung des Senats, wenn der Mietvertrag auf die Lebenszeit des Mieters abgeschlossen und als Gegenleistung bei Abschluss des Mietvertrags eine Einmalzahlung als Miete vereinbart ist. Denn in diesen Fällen kann nicht bestimmt werden, welcher Teil der Einmalzahlung auf die Zeit nach der Beschlagnahme entfällt (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 103/11, aaO; Senatsurteil vom - VIII ZR 234/06, aaO Rn. 24).

19cc) So verhält es sich im Streitfall nicht. Der Mietvertrag über den streitigen Grundbesitz wurde nicht auf die Lebenszeit der Beklagten zu 1, sondern auf eine feste Mietzeit von sechs Jahren abgeschlossen, so dass ohne weiteres eine Umrechnung des geschuldeten Einmalbetrags auf periodische - üblicherweise monatliche - Zeitabschnitte erfolgen kann.

20Dies genügt für die Anwendbarkeit des § 1124 Abs. 2 BGB (vgl. zu der vergleichbaren Interessenlage bei §§ 566b, 566c BGB: MünchKommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 566b Rn. 10 und § 566c Rn. 9; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 566b BGB Rn. 30; vgl. ferner OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1421, 1422, zur Umrechnung einer Jahrespacht auf monatliche Beträge bei § 1124 Abs. 2 BGB). Insbesondere kommt es nicht - wie die Revision der Beklagten zu 1 meint - darauf an, ob die Parteien von einer Bemessung nach periodischen Zeitabschnitten ausgegangen sind. Einer Feststellung eines dahin gehenden Parteiwillens bedarf es somit nicht.

21Die Regelung des § 1124 Abs. 2 BGB, nach der Vorausverfügungen über die Miete dem Hypothekengläubiger gegenüber grundsätzlich unwirksam sind, dient dem Schutz des Gläubigers, der für die Zeit nach der Beschlagnahme (mit den dort zum Schutz des Mieters bestimmten Einschränkungen für den im Zeitpunkt der Beschlagnahme laufenden beziehungsweise den darauf folgenden Kalendermonat) den Gegenwert der Gebrauchsüberlassung erhalten soll. Die bisher vom Senat - in besonderen Fallkonstellationen - für die Fälle eines Vertragsabschlusses auf die Lebenszeit des Mieters anerkannte Ausnahme beruht darauf, dass in diesen Fällen nicht ermittelt werden kann, wie hoch die monatliche Miete ist. Ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn anders als bei einem auf die Lebenszeit des Mieters abgeschlossenen Vertrag ist bei einer Festmietzeit ohne weiteres eine (fiktive) Umrechnung einer im Mietvertrag vereinbarten Einmalzahlung auf monatliche Zahlungen möglich. Für eine Einschränkung des durch § 1124 Abs. 2 BGB beabsichtigten Gläubigerschutzes besteht in diesen Fällen kein Grund. Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten zu 1 verbietet es der Wortlaut des § 1124 Abs. 2 BGB nicht, eine im Mietvertrag vereinbarte Einmalzahlung der Miete, die - wie hier - vor der Beschlagnahme für die gesamte feste Laufzeit des Mietvertrags erbracht wird, insoweit als unwirksam anzusehen, als damit die (fiktive) anteilige Miete für die Monate nach der Beschlagnahme entrichtet worden ist. Im Gegenteil wird dies durch die Formulierung des Gesetzes ("insoweit unwirksam") sogar nahe gelegt.

222. Mit Erfolg wendet sich die Revision des Klägers jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger (zuletzt am ) erklärte Kündigung wegen Zahlungsverzugs sei unwirksam. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte zu 1 mit der Zahlung der Miete für die Monate ab Januar 2010 und deshalb mit einem Betrag von (mehr als) zwei Monatsmieten in Verzug (§ 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entfiel der Zahlungsverzug nicht deshalb, weil die Beklagte zu 1 jedenfalls bis zur Verkündung des Berufungsurteils aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums davon hätte ausgehen dürfen, dass die zu Beginn des Mietverhältnisses an den Ersteher in Höhe von 35.000 € geleistete Zahlung dem Kläger gegenüber wirksam wäre und sie deshalb die geforderte Miete nicht zahlen müsste.

23a) An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats auch im Wohnraummietrecht strenge Anforderungen zu stellen; es besteht kein Grund, im Rahmen von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu Gunsten des Mieters einen milderen Maßstab anzulegen (, NJW 2012, 2882 Rn. 19; vom - VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 Rn. 27 ff. mwN). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt regelmäßig nur vor, wenn der Schuldner die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (, WuM 2012, 323 Rn. 31; vom - X ZR 157/05, NJW 2006, 3271 Rn. 19; vom - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012 unter II 3 d; vom - VIII ZR 139/77, NJW 1978, 2148 unter I 3, insoweit in BGHZ 72, 147 nicht abgedruckt; vom - I ZR 35/50, NJW 1951, 398; , WM 2011, 1506 Rn. 12). Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und mit einer späteren Änderung derselben nicht zu rechnen brauchte.

24Bei einer unklaren Rechtslage handelt hingegen bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner darf nicht das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuschieben (, aaO Rn. 25; vom - IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160, 161; vom - I ZR 187/12 juris Rn. 19). Entscheidet er sich bei zweifelhafter Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 23 mwN) - das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war.

25Sofern der Schuldner zu einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung nicht in der Lage ist, muss er Rechtsrat einholen; für ein etwaiges Verschulden seines Rechtsberaters hat er nach § 278 BGB einzustehen (, aaO Rn. 21 ff.; vom - X ZR 157/05, aaO Rn. 20), wobei für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Rechtsberaters die oben dargestellten strengen Grundsätze gelten.

26b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zu 1 nicht schuldlos gehandelt, als sie im Vertrauen auf die Wirksamkeit der an den Ersteher geleisteten Einmalzahlung die geschuldete und vom Kläger geforderte Nettomiete in Höhe von 486,11 € monatlich nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt der Rückforderung, zahlte, obwohl die Rechtslage - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - insoweit unklar war.

27Jedenfalls seit der am erfolgten Zustellung der Zahlungsklage vom , die eine detaillierte Begründung des vom Kläger (hilfsweise) geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung der Miete ab Januar 2010 enthielt, musste die Beklagte zu 1 bei der gebotenen und sorgfältigen Prüfung der Rechtslage mit der Möglichkeit rechnen, dass die an den Ersteher erbrachte Vorauszahlung dem Kläger gegenüber nicht wirksam war und sie deshalb den rechnerisch auf die einzelnen Monate entfallenden Betrag von 486,11 € als monatlich zu zahlende Miete schuldete. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entlastet es die Beklagte zu 1 nicht, dass die Frage, ob die von ihr an den Ersteher geleistete Zahlung als Vorausverfügung nach § 1124 Abs. 2 BGB dem Kläger gegenüber unwirksam war, schwer zu beantworten und nicht sicher einzuschätzen war. Im Gegenteil musste die Beklagte zu 1 gerade mit Rücksicht auf die unsichere Rechtslage mit der Möglichkeit rechnen, dass sie zur Zahlung von Miete an den Kläger verpflichtet war und durfte das mit der unsicheren Rechtslage verbundene Risiko nicht auf diesen abwälzen.

28c) Die Gegenrüge der Beklagten zu 1, die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei dem Kläger zuzumuten, da er die (erste) Kündigung erst am erklärt, den hierauf gestützten Räumungsanspruch am geltend gemacht und die vorsorglich wiederholte Kündigung am ausgesprochen habe, bleibt ohne Erfolg.

29Die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen, insbesondere die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, müssen nicht zusätzlich vorliegen, wenn einer der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB gegeben ist (, NJW 2007, 147 Rn. 10). Auch stehen der Wirksamkeit der Kündigung weder § 314 Abs. 3 BGB - soweit dieser, was auch hier offenbleiben kann, bei der Wohnraummiete im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB überhaupt Anwendung findet (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 Rn. 17 mwN) - noch der Einwand der Verwirkung entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 ist die Kündigung des Klägers vom nicht deshalb "unschlüssig", weil die Beklagte zu 1 schon ab Januar 2010 keine Miete mehr gezahlt hat, so dass ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Zahlungsrückstand bereits im Februar 2010 aufgelaufen war. Von einer illoyalen Verspätung kann schon deshalb von vornherein keine Rede sein, weil sich der Zahlungsrückstand bis zum Ausspruch der Kündigung vom noch vervielfacht hatte.

III.

30Nach alledem ist die Revision der Beklagten zu 1 unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen.

31Hingegen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit bezüglich des Räumungsanspruchs zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da jedenfalls die fristlose Kündigung des Klägers vom begründet ist und das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1 beendet hat, sind die Beklagten gemäß § 546 Abs. 1, 2 BGB dem Kläger als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe des streitigen Grundbesitzes verpflichtet und somit entsprechend zu verurteilen.

33Gegen dieses Teilversäumnisurteil (das heißt, soweit es die Beklagten zu 2 und 3 betrifft) steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dr. Milger                        Dr. Schneider                      Dr. Fetzer

                  Dr. Bünger                            Kosziol

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
DNotZ 2014 S. 846 Nr. 11
NJW 2014 S. 2720 Nr. 37
WM 2014 S. 1728 Nr. 36
ZIP 2014 S. 41 Nr. 21
UAAAE-68573