Insolvenz - persönliche Haftung von Organmitgliedern für nicht zur Auszahlung gekommene Abfindungen
Gesetze: § 93 AktG, § 116 AktG, § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 282 BGB, § 311 Abs 3 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 263 Abs 1 StGB, § 64 Abs 1 GmbHG vom , § 15a Abs 1 InsO vom
Instanzenzug: ArbG Essen Az: 4 Ca 2868/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 8 Sa 1346/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit der Insolvenz der K GmbH, den der Kläger gegen die Beklagten zu 1. - 5. als ehemalige Geschäftsführer dieser Gesellschaft und den Beklagten zu 6. als ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der früheren Muttergesellschaft A AG als Gesamtschuldner richtet.
2Der 1951 geborene Kläger ist Architekt und war seit dem bei der K GmbH, der vormaligen Beklagten zu 7., mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4.065,00 Euro beschäftigt.
3Die K GmbH befand sich spätestens seit 2006 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Herbst 2006 veräußerte die Gesellschaft Teile ihres Immobilienbesitzes und mietete diese anschließend an. Am gewährten die L, die R und die D der K GmbH sowie deren Muttergesellschaft zwei gemeinsame Darlehen iHv. mehreren 100 Mio. Euro. Die Jahresabschlüsse der K GmbH wiesen für das Rumpfgeschäftsjahr vom bis zum und für das Geschäftsjahr vom bis zum jeweils eine ausgeglichene Bilanz aus. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B erteilte für die Abschlüsse am und am uneingeschränkte Bestätigungsvermerke.
4Im Sommer 2008 arbeiteten die K GmbH und ihre Muttergesellschaft ein „Fitness“- oder Effizienzprogramm zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage beider Unternehmen aus. Hierbei war auch der Abbau von rund 450 Arbeitsplätzen bei der K GmbH vorgesehen. Davon war der in der Zwischenzeit durch eine Änderung der Organisationsstruktur in der Zentrale in Wegfall geratene Arbeitsplatz des Klägers betroffen. Im Zuge dieser Maßnahmen richteten die Beklagten zu 1. - 5. als damalige Geschäftsführer der K GmbH ein von ihnen unterzeichnetes Schreiben vom an die Mitarbeiter. Es lautete:
5Die Kreditverträge mit den drei Hausbanken wurden am iHv. rd. 650 Mio. Euro bis zum prolongiert. Mit einem Mitarbeiterbrief vom wandte sich der Beklagte zu 6. an sämtliche Beschäftigte und teilte ihnen mit:
6Die K GmbH vereinbarte am mit dem für die Hauptverwaltung gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan „zur Umsetzung des K-Effizienzprogramms in der Hauptverwaltung“. Dies sollte einem Personalabbau und der Reduzierung der Personalkosten in der Hauptverwaltung dienen, insbesondere durch „Übertritt in eine neu zu schaffende Transfergesellschaft im Sinne von § 216b SGB III“. Am schloss der Kläger mit der K GmbH sowie der Transfergesellschaft R GmbH mit Sitz in B (R-GmbH) einen dreiseitigen Vertrag, dem zufolge das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der K GmbH zum endete und für die Zeit vom bis zum ein befristetes Arbeitsverhältnis zur R-GmbH begründet wurde. In einer begleitenden „Notiz“ wurde festgehalten:
7Dies bedeutete, dass die Abfindung am fällig werden sollte, weil zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis bei einer fiktiven Kündigung durch die K GmbH geendet hätte. Die Höhe der vorgesehenen Abfindung steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
8Eine weitere Prolongation der zum fällig gestellten Firmenkredite scheiterte ebenso wie Bemühungen, Finanzierungshilfen des Bundes und der Europäischen Union zu erlangen. Die K GmbH war mit ihrer Muttergesellschaft in einem sogenannten „Cash-Pooling“, über das ihre Liquidität sichergestellt wurde. Als die Muttergesellschaft am Insolvenzantrag stellte, wurde die K GmbH zahlungsunfähig und stellte ihrerseits am gleichen Tag Insolvenzantrag. Bis dahin war sie ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachgekommen.
9Die erst am fällig werdende Abfindung für den Kläger gelangte nicht zur Auszahlung. Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht Essen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH (- 160 IN 107/09 -). Der Kläger meldete seine Abfindungsforderung am zur Insolvenztabelle an. Nach Zustandekommen eines Insolvenzplans hob das Amtsgericht Essen mit Wirkung zum das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH auf. Der Kläger erhielt schließlich 3 % seiner angemeldeten und festgestellten Abfindungsforderung, also 1.853,64 Euro, am ausbezahlt.
10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten den Verlust seines Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes auszugleichen, wobei er den Schaden in Höhe der nicht zur Auszahlung gelangten Abfindung beziffert. Der Kläger meint, die Beklagten hafteten unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung, der Verletzung erhöhter Informationspflichten sowie wegen unerlaubter Handlungen, insbesondere durch gemeinsam begangene schuldhafte Insolvenzverschleppung und wegen Eingehungsbetrugs. Mit den appellhaften Rundschreiben der Beklagten vom 13. August und hätten sie ihn, den Kläger, dazu gebracht, auf die Auszahlung der zugesicherten Abfindung zu vertrauen. Die K GmbH sei spätestens Ende 2007 insolvenzreif gewesen. Schon damals hätten sowohl Überschuldung als auch Zahlungsunfähigkeit vorgelegen, jedoch hätten die Beklagten einen Insolvenzantrag nicht gestellt.
11Der Kläger hat beantragt,
12Ihren Antrag auf Klageabweisung haben die Beklagten damit begründet, weder bei Abschluss des Sozialplans noch im Zeitpunkt der Vereinbarung des dreiseitigen Vertrages mit dem Kläger habe Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der K GmbH vorgelegen. Vielmehr habe die Gesellschaft eine ausgeglichene Bilanz vorweisen können, die uneingeschränkt bestätigt worden sei. In seinem Prüfbericht vom habe der Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Sanierungsgutachtens festgestellt, dass die Geschäftsführung nicht wegen Insolvenzverschleppung hafte. Eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit sei schon wegen des Cash-Pooling-Systems der Muttergesellschaft ausgeschlossen gewesen. Die Fortführungsprognose sei 2008 positiv gewesen. Herangezogene externe Unternehmensberatungen hätten keinen Grund oder Anlass für einen Insolvenzantrag gesehen. Das Gleiche gelte für den Insolvenzberater Rechtsanwalt P, der ab März 2009 die K GmbH begleitet und vor dem nicht die Notwendigkeit gesehen habe, einen Insolvenzantrag zu stellen.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg, das die Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 7., die K GmbH, als unzulässig verworfen hat. Mit der gegen die anderen Beklagten zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Gründe
14Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unschlüssig, weil der Kläger keine Tatsachen vortragen konnte, die die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten erfüllen.
15A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
16Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB oder den § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2, §§ 282, 280 Abs. 1 BGB seien schon in Ermangelung einer dargelegten Pflichtverletzung der Beklagten abzulehnen. Vertragliche Beziehungen zwischen den Prozessparteien hätten nicht bestanden. Ebenso wenig gebe es Anhaltspunkte für ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis iSd. § 311 Abs. 3 BGB. Beim Abschluss des dreiseitigen Aufhebungsvertrages für den Kläger hätten die Beklagten selbst kein besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen. Sie seien auch nicht im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen aufgetreten. Solches könne aus den Rundschreiben vom August und September 2008 nicht abgeleitet werden.
17Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass ein absolutes Recht im Sinne des Gesetzes nicht verletzt worden sei. Ein Recht des Klägers am Arbeitsplatz im Sinne eines räumlich-gegenständlichen Bereichs oder ein Recht am Arbeitsverhältnis im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts gebe es nicht im Sinne eines absoluten Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis begründe Rechte und Pflichten lediglich im Verhältnis zur jeweils anderen Partei, also eben gerade nicht „absolut“. Nichts deute auf einen vorsätzlichen Eingehungsbetrug der Beklagten bei Abschluss des dreiseitigen Vertrages hin, weswegen ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB ausscheide. Ebenso wenig habe der Kläger Tatsachen für eine Insolvenzverschleppung durch die Beklagten zu 1. - 5. vorgetragen, sodass auch kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG aF, § 15a Abs. 1 InsO in Betracht komme. Für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast als Gläubiger. Jedoch sei die K GmbH unstreitig bis zum Tag der Insolvenzantragstellung zahlungsfähig gewesen. Bis dahin habe sie alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Ob der Kläger das Cash-Pooling-System für unzulässig halte, sei unerheblich. Denn es komme für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit nicht darauf an, aus welchen Quellen die Einnahmen des Schuldners stammten. Ebenso habe der Kläger nicht eine Überschuldungsbilanz oder eine Handelsbilanz vorgelegt. Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten komme nicht in Betracht, da auch diese mittlerweile seit Längerem aus dem Unternehmen der Schuldnerin ausgeschieden seien und zudem die Beklagten zu 1. - 5. die wirtschaftliche Lage der Muttergesellschaft, von der die K GmbH finanziell abhängig war, nicht exakt einschätzen konnten. Hinsichtlich des Beklagten zu 6. habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass dieser „faktischer Geschäftsführer“ der K GmbH gewesen sei. Der Kläger könne sein Darlegungsdefizit auch nicht durch bruchstückhafte Bezugnahme auf für sich betrachtet dramatisch klingende Zahlen zur wirtschaftlichen Lage der nachmaligen Schuldnerin ausgleichen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre daher auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinausgelaufen.
18B. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei der Senat dem Berufungsgericht in weiten Teilen seiner Begründung folgt. Der Kläger kann die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt persönlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, da es für alle in Betracht kommenden möglichen Anspruchsgrundlagen bereits an einem schlüssigen Tatsachenvortrag zum objektiven Tatbestand der anspruchsbegründenden Normen seitens des Klägers fehlt.
19I. Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, seien es solche aus dem Arbeitsvertrag, §§ 611 ff. BGB, oder solche aus dem Aufhebungsvertrag, nach §§ 280 ff., § 241 Abs. 2 BGB scheiden schon deswegen aus, weil es zwischen den Parteien des Rechtsstreits zu keinen Vertragsbeziehungen gekommen ist, § 311 Abs. 1 BGB. Seinen Arbeitsvertrag hat der Kläger mit der K GmbH geschlossen, den dreiseitigen Vertrag vom mit der R-GmbH und der K GmbH, für welche die „Facility Management Personalleitung“ mit „W“ zeichnete. Der Kläger hat also weder mit den Beklagten zu 1. - 5. als ehemaligen Geschäftsführern der K GmbH noch mit dem Beklagten zu 6. als Vorstandsvorsitzendem der Muttergesellschaft kontrahiert. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vom Kläger vorgetragen, dass einer der Beklagten im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag eine persönliche Haftung übernehmen wollte. Die Beklagten haben an dem Vertragsschluss nicht persönlich mitgewirkt oder hierauf unmittelbar Einfluss genommen. Eine persönliche Einstandspflicht oder auch nur ein Wille dazu lässt sich auch nicht aus den Rundschreiben vom und vom ableiten. Sie stellen kein selbständiges Garantieversprechen dar, was eine Eigenhaftung ausnahmsweise hätte herbeiführen können (vgl. -).
20II. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht eine persönliche Haftung der Beklagten nach § 311 Abs. 3 BGB abgelehnt.
211. Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 311 Abs. 3 iVm. § 241 Abs. 2 BGB richten sich nach den Grundsätzen, die die zivil- und arbeitsgerichtliche Rechtsprechung für die sogenannte Sachwalterhaftung aufgestellt hat (vgl. -; - 9 AZR 106/06 -; - 8 AZR 1/05 -). Danach sind zwar Sachwalter und Vertreter in der Regel nur aus Delikt in Anspruch zu nehmen (vgl. - BGHZ 88, 67). Ausnahmsweise kann aber ein Sachwalter auch persönlich wegen Verschuldens bei Vertragsschluss in Anspruch genommen werden, wenn er die Verhandlungen oder den Vertragsschluss in unmittelbarem eigenen wirtschaftlichen Interesse herbeigeführt oder dadurch, dass er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, erheblich beeinflusst hat (vgl. -; - IX ZR 114/01 -). Nach dem mit der Schuldrechtsreform 2002 eingeführten § 311 Abs. 3 BGB kann, entsprechend diesen Grundsätzen, ein Schuldverhältnis mit der Folge einer persönlichen Haftung auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollten oder geworden sind. Das in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB aufgeführte Beispiel für einen Haftungsgrund des in besonderem Maße in Anspruch genommenen Vertrauens stellt jedoch keine abschließende Regelung dar. Es bleibt bei den bisher von der Rechtsprechung angewandten Grundsätzen (Palandt/Grüneberg 73. Aufl. § 311 BGB Rn. 60).
222. Tatsachen, die eine Sachwalterhaftung der Beklagten nach § 311 Abs. 3 iVm. § 241 Abs. 2 BGB schlüssig erscheinen ließen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Keiner der Beklagten war am konkreten Vertragsschluss selbst beteiligt. Für die K GmbH erfolgten die Verhandlungen und der Vertragsschluss durch die Personalabteilung. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die beklagten Geschäftsführer hierauf in irgendeiner Weise Einfluss genommen hätten oder von dem konkreten Vertragsschluss mit dem Kläger auch nur Kenntnis gehabt hätten (vgl. - Rn. 26; - Rn. 27). Sie haben auch keine Erklärung dahin gehend abgegeben, auch nicht in den Rundschreiben, dass sie selbst in eigener Person für die im Sozialplan niedergelegten Abfindungsansprüche einstehen wollten. Das allgemeine Interesse als Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender am Erfolg des Unternehmens begründet keine Eigenhaftung (vgl. -; - II ZR 136/94 -; -). Daher vermag die mit der Revision vorgetragene Ansicht: „… hinsichtlich einer Vertrauenshaftung liege das eigenwirtschaftliche Interesse der Beklagten auf der Hand. Es sei um den Erhalt ihrer Vorstands- bzw. Geschäftsführerposten gegangen …“, nicht zu überzeugen. Ein derartiges „Eigeninteresse“ genügt nicht, um eine persönliche Haftung des Geschäftsführers oder des Vorstandsvorsitzenden der Muttergesellschaft zu begründen.
23Rechtsfehlerfrei hat in diesem Zusammenhang das Landesarbeitsgericht erkannt, dass auf die allgemein gehaltenen Rundschreiben vom und der Kläger kein Vertrauen stützen konnte. Es fehlt schon an einem Hinweis auf die - erst mit dem Interessenausgleich und Sozialplan vom begründeten - Abfindungsansprüche und damit an einem Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagten im Sinne einer Garantiezusage im Vorfeld des kollektiv zu verhandelnden Interessenausgleichs für derartige Ansprüche persönlich geradestehen wollten. Zudem richteten sich jene Rundschreiben an die gesamte Belegschaft und weder an Mitarbeiter in der Situation des Klägers noch an den Kläger selbst. Auch haben die Beklagten unstreitig angesichts der ungewissen Prolongation der Unternehmenskredite wenige Monate später den Insolvenzfachmann P beratend beigezogen und zudem diverse Gutachten zur Frage der Sanierungsfähigkeit oder einer etwaigen Insolvenzreife eingeholt. In den Rundschreiben ist von Zielen, Chancen, Herausforderungen aber zugleich auch von den notwendigen Voraussetzungen für ein Gelingen die Rede, ohne dass ein solches zugesagt worden wäre.
24III. Als Geschäftsführer einer GmbH haften die Beklagten zu 1. - 5. grundsätzlich nicht, § 13 Abs. 2 GmbHG. Eine persönliche Haftung des Beklagten zu 6. als Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 5 iVm. § 93 Abs. 2 und Abs. 3 AktG oder als Aufsichtsratsmitglied nach § 116 AktG kommt hier nicht in Betracht.
25IV. Seinen Schadensersatzanspruch kann der Kläger auch nicht auf Deliktsrecht stützen.
261. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB - Eingehungsbetrug - oder auf § 823 Abs. 1 BGB - Verletzung eines absoluten „Rechts am Arbeitsplatz / am Arbeitsverhältnis“ zu stützen versucht, kommen Ansprüche schon deswegen nicht in Frage, weil es, ebenso wie bei vertraglichen Anspruchsgrundlagen, insoweit an jedwedem substanziierten Vortrag des Klägers für eine zurechenbare Verletzungshandlung der Beklagten fehlt. Einen zielgerichteten rechtswidrigen Eingriff hat der Kläger nicht vorgetragen. Dass die Rundschreiben keinen „gezielten Eingriff“ in Rechte oder Rechtsgüter des Klägers darstellen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Beklagten haben auch nicht im Sinne einer Täuschung gegen ihre Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB oder eine weitest gefasste Fürsorgepflicht dadurch verstoßen, dass sie den Kläger oder die K GmbH nicht vom Abschluss des dreiseitigen Vertrages am abgehalten haben, der durch die damals gültigen Betriebsvereinbarungen vorstrukturiert war. Es ist auch nicht zu entscheiden, ob das vom Kläger geltend gemachte „Recht am Arbeitsverhältnis“ überhaupt besteht, denn selbst wenn man dies bejahte, wäre ein solches Recht ähnlich dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und auch ähnlich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht tatbestandsmäßig offen, sodass die Rechtswidrigkeit der besonderen Begründung anhand der Verletzungshandlung bedürfte ( - zu B III 2 der Gründe, BAGE 89, 80). Auch daran fehlt es vorliegend, sodass dahinstehen kann, ob überhaupt ein „Recht am Arbeitsplatz“ im Sinne eines räumlich-gegenständlichen Bereichs oder das „Recht am Arbeitsverhältnis“ im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts des Arbeitnehmers als absolutes Recht iSv. § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen ist ( - zu B I 2 c der Gründe; vgl. auch - 8 AZR 234/06 - Rn. 11; sowie - 8 AZR 796/06 - Rn. 32, BAGE 123, 301).
272. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 15a Abs. 1 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG aF bildet keine Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch.
28a) Selbst wenn man die vom Kläger behauptete, aber nicht mit Tatsachen untersetzte Insolvenzreife schon vor oder spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages im November 2008 unterstellt, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten diese hätten erkennen können oder erkennen müssen. Zwar wird bei feststehendem - hier: unterstelltem - objektiven Tatbestand der Insolvenzverschleppung ein Verschulden vermutet, wofür die bloße „Erkennbarkeit“ der Insolvenzreife ausreicht. Der somit dann dem Geschäftsführer obliegenden Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die objektiv bestehende Antragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat, kann er aber schon dadurch genügen, dass er seiner ständigen Prüfungs- und Beobachtungspflicht nachgekommen ist, etwa unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat eingeholt hat, auf den er sich verlassen durfte ( - Rn. 14 ff.; vgl. - zu III 1 der Gründe). Solchen Sorgfaltspflichten und Obliegenheiten sind die Beklagten nachgekommen, da sie zumindest ab März 2009 den Insolvenzberater Rechtsanwalt P hinzugezogen hatten und weitere unabhängige Gutachter mit der Beobachtung des Unternehmens betraut worden waren. Zudem verletzen Geschäftsführer ihre Antragspflicht dann nicht, wenn sich „zumindest vertretbar“ eine positive Fortbestehensprognose darstellen lässt ( - zu III 2 der Gründe). 2008 war noch nicht absehbar, dass die Bankkredite - anders als bisher - 2009 nicht mehr prolongiert werden würden.
29b) Außerdem könnte eine Insolvenzreife schon 2008 oder im Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages durch den Kläger nicht zu dem von ihm nunmehr geltend gemachten Schaden führen. Es fehlte an der haftungsausfüllenden Kausalität. Denn bei einem Insolvenzantrag 2008 vor Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans, jedenfalls aber vor Abschluss des dreiseitigen Vertrages, wäre es nicht zu der dem Kläger gegebenen „Notiz“ mit der Mitteilung der Abfindungssumme gekommen. Vielmehr wäre der Kläger der Gefahr einer Insolvenzkündigung mit kurzer Kündigungsfrist (§ 113 InsO) ausgesetzt gewesen.
30c) Davon abgesehen hat das Landesarbeitsgericht auch rechtsfehlerfrei erkannt, dass mangels entsprechenden Vortrags des Klägers nicht von einer Insolvenzreife vor dem auszugehen ist, als die K GmbH zahlungsunfähig wurde und noch am gleichen Tag Insolvenzantrag stellte.
31aa) Nach § 64 Abs. 1 GmbHG in der bis zum geltenden Fassung hatten die Geschäftsführer einer GmbH bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern spätestens bis drei Wochen nach deren Eintritt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Das galt sinngemäß bei sich ergebender Überschuldung der Gesellschaft. Mit Wirkung zum wurde diese Bestimmung durch den für alle juristischen Personen geltenden § 15a InsO ersetzt, nach dessen Abs. 1 Satz 1 eine § 64 Abs. 1 GmbHG aF inhaltsgleiche Pflicht „die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler“ trifft. Daher kann offen bleiben, welche Vorschrift im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt.
32bb) Es ist seit Langem anerkannt, dass sowohl § 64 Abs. 1 GmbHG aF als auch § 15a InsO Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen, bei deren schuldhafter Verletzung der Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung den Gläubigern Schadensersatz schuldet (für § 64 Abs. 1 GmbHG aF etwa - zu IV 2 der Gründe, BAGE 89, 349; - 5 AZR 677/97 - zu III 1 der Gründe; für § 15a InsO -). Der Anspruch setzt voraus, dass ein Insolvenzverfahren nicht beantragt worden ist, obwohl entweder Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO oder Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorlag. Nur drohende Zahlungsunfähigkeit genügt nicht.
33(1) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt, an den das Revisionsgericht gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO), trat die Zahlungsunfähigkeit der K GmbH erst am ein, woraufhin sofort Insolvenzantrag gestellt wurde.
34(2) Für die Feststellung, dass die Gesellschaft insolvenzrechtlich überschuldet ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind. Hingegen kommt einer Handelsbilanz für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung zu. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Ist der Anspruchsteller diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind ( - Rn. 33; - II ZR 253/07 - Rn. 9). Dieser Darlegungslast ist der Kläger nicht nachgekommen, er hat nicht einmal - eine zu seinen Gunsten abgesenkte Darlegungslast unterstellt - eine umfassende und nachvollziehbare Einschätzung der Unternehmenslage dargestellt. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beweiserhebung auf der Grundlage bloßer Vermutungen oder bruchstückhafter Bezugnahmen auf nicht näher erläuterte oder belegte Zahlen zur wirtschaftlichen Lage abgelehnt.
35(3) Das Berufungsgericht hat die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast zutreffend angewendet. Die Annahme, es habe an einem schlüssigen Vortrag des Klägers zu den Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung gefehlt, begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Auch liegt keine der in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen für eine ausnahmsweise Beweiserleichterung vor (vgl. MünchKommInsO/Klöhn 3. Aufl. § 15a Rn. 267). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten zu 1. - 5. ihrer Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen nicht hinreichend nachgekommen wären. Der spätere Insolvenzverwalter hat in dem Insolvenzbericht eine ordnungsgemäße Verwaltung festgestellt. Die vom Kläger insoweit erhobene Verfahrensrüge ist, ungeachtet ihrer Zulässigkeit, jedenfalls offensichtlich unbegründet (§ 564 ZPO).
36C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
AG 2014 S. 907 Nr. 24
BB 2014 S. 1779 Nr. 30
DB 2014 S. 2396 Nr. 42
GmbHR 2014 S. 1199 Nr. 22
NJW 2014 S. 2669 Nr. 36
ZIP 2014 S. 1976 Nr. 41
AAAAE-68558