OFD Frankfurt/M. - S 1311 A - 5 - St 56

Einkommensteuerliche Behandlung der Pensionen ehemaliger Bediensteter der koordinierten Organisationen und der Europäischen Patentorganisation

Bezug: BStBl 1998 I S. 1042

Bezug:

Bezug: BStBl 2000 I S.  331

Bezug:

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt bei der Besteuerung der Pensionen ehemaliger Bediensteter der koordinierten Organisationen (Europäische Weltraum-Organisation – European Space Agency (ESA), Europarat, Nordatlantikvertragsorganisation (NATO), Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Westeuropäische Union (WEU), Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) sowie der Europäischen Patentorganisation (EPO) folgendes:

1. Pensionssystem

Die koordinierten Organisationen haben mit Wirkung vom ein einheitliches Pensionssystem für ihre in den Ruhestand getretenen Bediensteten eingeführt. Nach diesem System werden die Ruhegehälter aus dem laufenden Haushalt der einzelnen Organisationen gezahlt. Vor diesem Zeitpunkt wurden die Ruhegehälter aus einem Versorgungsfonds (Kapitalansammlungsfonds) finanziert.

2. Steuerpflicht

Die Ruhegehälter der Pensionäre fallen nicht unter die Bestimmungen über die Freistellung der Gehälter und Bezüge der aktiven Bediensteten nach den jeweils in Betracht kommenden Regelungen über die Vorrechte und Befreiungen. Sie unterliegen damit der nationalen Besteuerung. Nach den DBA der Bundesrepublik Deutschland mit den Staaten, in denen die koordinierten Organisationen ihren Sitz haben (Frankreich, Belgien und Vereinigtes Königreich), steht das Besteuerungsrecht für Ruhegehälter allein dem Wohnsitzstaat des Pensionärs zu. In der Bundesrepublik Deutschland ansässige Pensionäre dieser Organisationen haben somit ihre Ruhegehälter der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen.

3. Steuerausgleich

Zum (teilweisen) Ausgleich der Besteuerung der Ruhegehälter durch die Wohnsitzstaaten und der sich aus verschiedenartigen Besteuerungssystemen ergebenden Unterschiede wird den Pensionären eine sog. „Steuerausgleichszahlung” gewährt. Die Grundpension wird zu diesem Zweck um einen Betrag erhöht, der der Hälfte des Steuerbetrags entspricht, um den die Pension erhöht werden müsste, damit dem Pensionär nach Bezahlung der nationalen Steuern die Grundpension verbliebe.

4. Nachweise

Die Steuerausgleichszahlung wird nur geleistet, wenn der Pensionär seiner Organisation eine Bescheinigung der Steuerbehörden seines Wohnsitzstaats vorlegt, aus der sich ergibt, dass die Pension tatsächlich besteuert wird. Das für die Besteuerung eines Pensionärs zuständige Wohnsitzfinanzamt hat zu diesem Zweck auf Antrag solch eine Bescheinigung auszustellen.

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung haben die koordinierten Organisationen mit Wirkung ab dem folgendes für alle Mitgliedstaaten einheitliches Nachweisverfahren eingeführt:

  1. Die koordinierten Organisationen lassen eine Bescheinigung in dreifacher Ausfertigung und in drei verschiedenen Farben drucken (vgl. nachfolgendes Muster).

  2. Die Bescheinigungsvordrucke werden blanko jedem Ruhegehaltsempfänger zusammen mit der Jahresabrechnung über die anzumeldenden Zahlungen zugesandt.

  3. Der Ruhegehaltsempfänger reicht die Vordrucke beim zuständigen Finanzamt ein, das die Bescheinigung erteilt.

  4. Zwei Exemplare der ausgefüllten Bescheinigung schickt der Ruhegehaltsempfänger an die Verwaltung der betroffenen koordinierten Organisation zurück, das dritte Exemplar wird vom Finanzamt zu den Akten genommen.

Das Finanzamt kann den Antrag des Pensionärs auf Ausstellung der Bescheinigung gleichzeitig als Kontrollmaterial benutzen und sofort ESt-Vorauszahlungen festsetzen. Am Schluß des Kalenderjahrs erhält jeder Pensionär von seiner Organisation eine Bescheinigung über die Höhe der jährlichen Bezüge.

Anmerkung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main zu Tz. 5 und Tz. 6:

Die folgenden Ausführungen gehen bei Ausübung der Option für die neue Pensionsregelung davon aus, daß die Abtretung der bestehenden Guthaben am bisherigen Versorgungsfonds grundsätzlich zum erfolgte.

Der ausschließliche Bezug auf den Abtretungszeitpunkt ist jedoch nicht in allen diesen Fällen zutreffend, denn für die Bediensteten bestand im Rahmen der Übergangs-regelung eine bedeutend längere Optionsfrist (in der Regel bis zum ).

Es bestehen daher keine Bedenken, im konkreten Einzelfall auf das zum (tatsächlichen) Zeitpunkt der Abtretung bestehende Guthaben abzustellen.

5. Einkunftsart

Die Pensionen einschl. der Zulagen (Steuerausgleichszahlung, Familienzulagen und andere) sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG), auf die § 19 Abs. 2 EStG anwendbar ist.

Diese Rechtsauffassung wurde auch durch BStBl 2007 II S.  402 bestätigt. Eine gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde nicht zur Entscheidung angenommen (keine Grundrechtsverletzung durch Einkommensbesteuerung von NATO-Versorgungsbezügen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (vgl. Nichtannahmebeschluss )).

Vor diesem Hintergrund gab es vor dem FG Köln ein erneutes Klageverfahren hinsichtlich der Höhe der Besteuerung von NATO-Pensionen. Das FG hat die Klage aber als unbegründet zurückgewiesen. Mit hat es entschieden, dass die Ruhegehaltszahlungen der NATO in voller Höhe als Einkünfte nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen sind. Es hat dabei festgehalten, dass der Steuerpflichtige kein eigenes Vermögen zur Erlangung der späteren Ruhegehaltsbezüge eingesetzt habe. Dies aber sei Voraussetzung, damit im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG vorlägen. Die vom Arbeitslohn einbehaltene „staff members contribution” sei dem Steuerpflichtigen nicht als Arbeitslohn zugeflossen. Revision wurde vom FG nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom als unbegründet zurückgewiesen.

Es ist jedoch zu beachten, dass Bedienstete, die am bereits bei den koordinierten Organisationen tätig waren und vor diesem Zeitpunkt Beiträge in den Versorgungsfonds (vgl. Tz. 1) eingezahlt hatten, im Rahmen einer Übergangsregelung für die neu eingeführte Pensionsregelung optieren konnten. Die Ausübung der Option setzte voraus, dass der Betreffende sein Guthaben bei dem Versorgungsfonds an die koordinierte Organisation abtrat.

Die Versorgungsbezüge der ehemaligen Bediensteten, die von der Übergangsregelung Gebrauch gemacht haben, setzen sich mithin sowohl aus Ruhegehaltszahlungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als auch aus der Rückzahlung des verrenteten Guthabens zusammen. Der Anteil der Gesamtbezüge, der auf das verrentete Guthaben entfällt, unterliegt als Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG nur mit dem Ertragsanteil der Besteuerung (vgl. BStBl 1990 II S.  1062).

Die von den koordinierten Organisationen in einer Summe mitgeteilten Beträge (vgl. Tz. 7) sind im Veranlagungsverfahren wie folgt aufzuteilen:

Zunächst ist der Kapitalwert der gesamten Versorgung für den Zeitpunkt des Pensionsbeginns festzustellen. Dieser Kapitalwert berechnet sich nach der Tabelle in Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (zu § 14 BewG), wobei das zum Rentenbeginn vollendete Lebensalter des Berechtigten zugrunde zu legen ist.

Hiervon abzusetzen ist der Kapitalanteil an der Gesamtversorgung, der auf das am an die koordinierten Organisationen abgetretene Guthaben aus dem Versorgungsfonds entfällt (Kapitalwert der Leibrente). Dieser Anteil berechnet sich in der Weise, dass das am bestehende Guthaben durch Aufzinsung unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5,5 v. H. einschließlich Zinseszinsen auf den Pensionsbeginn ermittelt wird. Für die Berechnung ist der Kapitalbetrag zum auf volle Tausend DM und der Aufzinsungszeitraum auf volle Jahre aufzurunden; der aufgezinste Betrag ist anhand der Tabelle in Tz. 6 zu ermitteln.

Es verbleibt der Kapitalwert der Pensionsleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Sodann sind die prozentualen Anteile der Kapitalwerte der Leibrente und der Pension am Gesamtwert der Versorgungsleistung festzustellen.

Nach diesem für den Zeitpunkt des Pensionsbeginns maßgebenden Verhältnis sind alle künftigen Versorgungsleistungen in einen Renten- und einen Pensionsanteil aufzuteilen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beispiel:

Der Versorgungsberechtigte hat bei Pensionsbeginn am das 60. Lebensjahr vollendet. Am hat er sein Guthaben aus dem Versorgungsfonds in Höhe von 80.000 DM an die koordinierte Organisationen abgetreten. Die Versorgungsbezüge betrugen bei Pensionsbeginn monatlich 5.000 DM, der Jahreswert mithin 60.000 DM. Im Kalenderjahr 1997 betrugen die Versorgungsbezüge 20.000 DM.
 
Kapitalwert der Gesamtversorgung
60.000 DM (Jahreswert) × 10,448 (Vervielfältiger nach der Tabelle in Anlage zum BewG) =
628.000 DM
Rentenanteil der Gesamtversorgung
 
80.000 DM abgetretenes Guthaben ergibt bei einem Aufzin-sungzeitraum von 23 Jahren und 2 Monaten (aufgerundet: 24 Jahre) nach der Tabelle in Tz. 6 (3.614,39 × 80) =
289.151 DM
Der Rentenanteil der Gesamtversorgung beträgt
45,98 v. H.
Der Pensionsanteil der Gesamtversorgung beträgt
54,02 v. H.
Als Bezüge i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind (20.000 DM × 0,5402) =
10.804 DM
und als Bezüge i. S. d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG sind (20.000 DM × 0,4598) =
9.196 DM
zu behandeln.
 

6. Tabelle zur Aufzinsung des abgetretenen Guthabens

Der Kapitalanteil an der Gesamtversorgung, der auf das mit Wirkung vom an die koordinierten Organisationen abgetretene Guthaben entfällt, ist wie in Tz. 5 erläutert, auf der Grundlage der folgenden Tabelle zu ermitteln.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kapital zum Beginn der Laufzeit
Anzahl der Jahre
Kapital nach …. Jahren
Kapital zum Beginn der Laufzeit
Anzahl der Jahre
Kapital nach …. Jahren
1.000,00
1
1.055,00
1.000,00
21
3078,08
1.000,00
2
1.113,02
1.000,00
22
3247,37
1.000,00
3
1.174,23
1.000,00
23
3425,97
1.000,00
4
1.238,81
1.000,00
24
3614,39
1.000,00
5
1.306,94
1.000,00
25
3813,18
1.000,00
6
1.378,82
1.000,00
26
4022,90
1.000,00
7
1.454,65
1.000,00
27
4244,15
1.000,00
8
1.534,65
1.000,00
28
4477,57
1.000,00
9
1.619,05
1.000,00
29
4723,83
1.000,00
10
1.708,09
1.000,00
30
4983,64
1.000,00
11
1.802,03
1.000,00
31
5257,74
1.000,00
12
1.901,14
1.000,00
32
5546,91
1.000,00
13
2.005,70
1.000,00
33
5851,99
1.000,00
14
2.116,01
1.000,00
34
6173,84
1.000,00
15
2.232,39
1.000,00
35
6513,40
1.000,00
16
2.355,17
1.000,00
36
6871,63
1.000,00
17
2.484,70
1.000,00
37
7249,56
1.000,00
18
2.621,35
1.000,00
38
7648,28
1.000,00
19
2.765,52
1.000,00
39
8068,93
1.000,00
20
2.917,62
1.000,00
40
8512,72

7. Kontrollmitteilungen

Die koordinierten Organisationen leiten den nationalen Steuerverwaltungen jährlich Mitteilungen über alle Pensionen, die an Pensionäre mit Wohnsitz im jeweiligen Mitgliedstaat gezahlt worden sind, zu. Diese Mitteilungen werden als Kontrollmitteilung an die Wohnsitzfinanzämter weitergeleitet.

8. Abfindungen

Bedienstete der koordinierten Organisationen, die bei ihrem Ausscheiden aus der Organisation noch keine Pensionsrechte erworben haben, erhalten eine Abfindung (leaving allowance) in Höhe des Eineinhalbfachen des letzten Monatsgehalts multipliziert mit der Zahl der anrechenbaren Dienstjahre sowie den Betrag, um den das Gehalt für das Pensionssystem gekürzt wurde zuzüglich 4 v. H. Zinsen p. a.. Diese Zahlungen fallen unter die Bestimmungen über die Freistellung der Gehälter und Bezüge der aktiven Bediensteten von der nationalen Besteuerung nach den jeweils in Betracht kommenden Regelungen über die Vorrechte und Befreiungen. Sie sind deshalb von der deutschen Einkommensteuer befreit.

9. Ehemalige Bedienstete der Europäischen Patentorganisation (EPO)

Die EPO hat für ihre Bedienstete ein Versorgungssystem eingerichtet, das in vollem Umfang dem Pensionssystem für die ehemalige Bediensteten der koordinierten Organisationen entspricht (vgl. Tz. 1). Die Ausführungen in den Tz. 2 bis 8 gelten deshalb sinngemäß für die von der EPO gezahlten Pensionen. Weitere Einzelheiten sind der Rundvfg. S 1311 A – 30 – St 56 zu entnehmen.

10. Aufhebung von Verwaltungsanweisungen und Anwendung

Dieses Schreiben ersetzt die BStBl 1977 I S.  436, vom  – BStBl I 1978 S.  417 und vom – BStBl 1979 I S.  699. Die Unterscheidung der Einkunftsarten nach Tz. 5 erfolgt auf Antrag des Steuerpflichtigen auch rückwirkend für alle nicht bestandskräftig veranlagten Veranlagungszeiträume.

OFD Frankfurt/M. v. - S 1311 A - 5 - St 56

Fundstelle(n):
JAAAE-68140