BAG Urteil v. - 8 AZR 144/13

Gesellschaftsrechtliche Nachhaftung - Auflösung der Gesellschaft - Betriebsübergang

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 736 Abs 1 BGB, § 736 Abs 2 BGB, § 128 S 1 HGB, § 160 HGB

Instanzenzug: Az: 2 Ca 2330/11 EU Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 7 Sa 77/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte für offene Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Jahre 2011 haftet.

2Der Kläger war ab in der Gaststätte „Z“ in K als Koch beschäftigt. Inhaber und Betreiber der Gaststätte war damals J. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum , weil das Gasthaus „mit Ablauf des unter neuer gewerblicher Verantwortung weitergeführt“ werde.

3Die Gaststätte „Z“ wurde ab dem von der „K u. P GbR“ weitergeführt, die aus dem Beklagten und P bestand und nicht im Handelsregister eingetragen war. Für diese setzte der Kläger seine Arbeit als Koch fort gegen ein auf rd. 2/3 seines bisherigen Verdienstes reduziertes Gehalt. Die K u. P GbR erteilte für Dezember 2010 eine Lohnabrechnung für den Kläger.

4Die beiden Gesellschafter der GbR, also der Beklagte und Herr P, fassten auf einer Gesellschafterversammlung vom folgenden Beschluss:

5P führte ab die Gaststätte in eigener Regie alleine weiter. Dem Kläger, der für ihn seine Tätigkeit als Koch fortsetzte, stellte dieser die Lohnabrechnungen ab Januar 2011 aus. P kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem , worauf dieser vor dem Arbeitsgericht Bonn Kündigungsschutzklage erhob (- 5 Ca 1274/11 EU -). Am verglichen sich der Kläger und P auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige, ordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des ; P verpflichtete sich zur Zahlung rückständiger Vergütung iHv. insgesamt 3.417,94 Euro.

6Eine Zahlung durch P auf die nach dem rechtskräftigen Vergleich geschuldeten Beträge erfolgte nicht; infolge der Zahlungsunfähigkeit von P blieb auch die vom Kläger betriebene Zwangsvollstreckung erfolglos. Von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Kläger 1.730,35 Euro netto Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III.

7Zur Begründung der vorliegenden Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte als ehemaliger Gesellschafter der K u. P GbR im Wege der sogenannten Nachhaftung für die bei P uneinbringlich gebliebenen Vergütungsansprüche vom bis zum . Ein Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers habe nie stattgefunden, der Beklagte sei lediglich aus der fortbestehenden Gesellschaft ausgeschieden.

8Soweit für die Revision von Interesse hat der Kläger zuletzt beantragt,

9Der Beklagte hat sich zur Begründung seines Antrages auf Klageabweisung darauf berufen, dass er nur im Dezember 2010 als Gesellschafter der K u. P GbR Arbeitgeber des Klägers gewesen sei. Diese sei zum aufgelöst worden, sodass er für später entstandene Vergütungsansprüche nicht haftbar gemacht werden könne. Insbesondere scheide eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung aus.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg; das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Als Gesellschafter der ehemaligen, zum aufgelösten „K u. P GbR“ haftet der Beklagte für 2011 entstandene Lohnansprüche des Klägers nicht nach.

12A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte hafte nicht für die nach Auflösung der GbR entstandenen Zahlungsansprüche. Ein Fall der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB sei nicht gegeben. Die Regelung des § 736 BGB gelte für den Fall, dass der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus den dort aufgeführten Gründen aus der Gesellschaft ausscheide, während die Gesellschaft selbst als solche aber fortbestehe. Für eine derartige Fallkonstellation verweise § 736 Abs. 2 BGB auf die für die Personenhandelsgesellschaften geltenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung, insbesondere auf § 160 HGB. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB hafte ein aus der Gesellschaft ausscheidender Gesellschafter für deren bis dahin begründete Verbindlichkeiten.

13Zwar komme es bei Dauerschuldverhältnissen für die Begründung einer Verbindlichkeit auf den Zeitpunkt der Begründung des Dauerschuldverhältnisses an, nicht darauf, wann die einzelne Forderung entstanden und fällig geworden sei. Bei Arbeitsverhältnissen komme es also auf den Abschluss des Arbeitsvertrages an. Vorliegend liege jedoch weder ein Fall eines Gesellschafterwechsels vor, noch ein in § 736 Abs. 1 BGB vorausgesetzter Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters bei gleichzeitigem Fortbestand der Gesellschaft. Die „K u. P GbR“ sei nämlich selbst als solche ersatzlos aufgelöst worden. Dies ergebe sich aus dem Gesellschafterbeschluss vom . Daher habe die GbR, die bis zum Arbeitgeberin des Klägers war, mit diesem Datum zu existieren aufgehört. Der Beklagte hafte nicht nach § 160 HGB nach.

14Zudem habe die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers gewechselt, wie es für einen Betriebsübergang kennzeichnend sei. Nach Auflösung der Gesellschaft habe der verbleibende ehemalige zweite Gesellschafter den Gaststättenbetrieb in Eigenregie als Einzelunternehmer fortgeführt. Damit liege ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB vor und nach § 613a Abs. 2 BGB hafte die „K u. P GbR“ als bisherige Arbeitgeberin nur für solche Arbeitgeberverpflichtungen, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden seien. Dagegen hafte sie nicht für Vergütungsansprüche des Klägers, die erst 2011 entstanden seien und mithin auch nicht der Beklagte, der als ehemaliger Gesellschafter der GbR für Arbeitnehmer der früheren Gesellschaft nicht weiter hafte als die Gesellschaft selbst. § 736 Abs. 2 BGB erfasse den Fall der Auflösung einer Gesellschaft nicht.

15B. Die im Hinblick auf die Rüge des Klägers zu § 613a BGB noch zulässige Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16I. Der Kläger kann den Beklagten nicht für die Vergütung nach seinem Arbeitsvertrag iVm. § 611 Abs. 1 BGB, § 128 Satz 1 HGB analog in Anspruch nehmen. Der Kläger macht Vergütungsforderungen geltend, die den Zeitraum vom bis zum betreffen und die spätestens mit dem Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am entstanden sind und fällig wurden. Am war die GbR, mit der der Kläger im Dezember 2010 ein Arbeitsverhältnis hatte, bereits seit geraumer Zeit aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass im Dezember 2010 allein die „K u. P GbR“ Arbeitgeberin des Klägers war und nicht etwa der Beklagte selbst oder sein damaliger Mitgesellschafter P. Ab war nur noch P alleiniger Arbeitgeber. An diese Feststellungen ist der Senat mangels einer erhobenen Verfahrensrüge gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).

17II. Eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung kommt nicht in Betracht. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten.

181. Eine begrenzte Nachhaftung des Beklagten nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 HGB ist nicht gegeben, da den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dem unstreitigen Akteninhalt und auch dem Vorbringen des Klägers Tatsachen nicht zu entnehmen sind, nach denen der Gesellschaftsvertrag der „K u. P GbR“ überhaupt eine Fortsetzungsklausel iSd. § 736 Abs. 1 BGB enthielt. Es wurde weder vorgetragen, dass einer der gesetzlichen Beispielsfälle des § 736 Abs. 1 BGB oder eine andere Konstellation des „Ausscheidens“ aus der Gesellschaft vertraglich zwischen den Gesellschaftern, also zwischen dem Beklagten und P geregelt worden ist. Daher ist auch nicht zu entscheiden, ob es in einem solchen Fall überhaupt eine „Ein-Mann-GbR“ geben kann.

192. Auch eine entsprechende Anwendung des § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB kommt nicht in Betracht. Der Sonderfall, dass bei einer zweigliedrigen Gesellschaft einer der beiden Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen - sämtliche Aktiva und Passiva - im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernimmt, liegt nicht vor (vgl.  - BGHZ 142, 324;  -;  -). Die Feststellung des Berufungsgerichts, vorliegend hätten sich die Gesellschafter nicht über einen Fortbestand der Gesellschaft, sondern mit Beschluss vom über die ersatzlose Auflösung der Gesellschaft geeinigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bereits in Ziff. 1 des Gesellschafterbeschlusses vom wird das Einvernehmen der Gesellschafter festgehalten, dass die Gesellschaft „zum … aufgelöst“ wird. Die sich aus der GbR ergebenden Rechte und Pflichten sollen nach Ziff. 2 „als erledigt“ gelten, die Gesellschaft soll also gerade nicht fortgeführt werden. Nach Ziff. 4 sollten die Geschäfte der aufgelösten Gesellschaft von P abgewickelt werden, wobei er bestehende Geschäftsverbindungen auf seine Person umschreiben durfte, aber auch musste. Der Beklagte erhielt „seinen eingebrachten Anteil“ in Form eines Pauschalbetrages von 1.500,00 Euro. Die Ziffern 3 und 4 des Auflösungsbeschlusses enthalten somit eine Regelung, wie die einen Monat am Markt werbend aufgetretene Gesellschaft ab Januar 2011 zu liquidieren ist. Dem Willen der Gesellschafter ist gerade nicht zu entnehmen, dass P die Gesellschaftsanteile des Beklagten „übernehmen“ und die Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge weiterführen sollte. Es gibt im Übrigen keine Feststellungen und auch keinen Vortrag des Klägers, dass die aufgelöste GbR überhaupt nennenswerte Vermögensgegenstände oder Aktiva gehabt hatte. Eine Nachhaftung des Beklagten auch für nur „begründete“ Ansprüche nach § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB analog kommt daher nicht in Betracht.

203. Die Lohnansprüche des Klägers für Dezember 2010, für die der Beklagte nach § 611 Abs. 1 BGB, § 128 HGB haftete, sind befriedigt und nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Für danach entstandene Lohnansprüche des Klägers haftete der Beklagte selbst im Falle eines Betriebsübergangs von der GbR auf P nicht nach § 613a Abs. 2 BGB, da solche Verpflichtungen nicht vor dem Zeitpunkt des Übergangs, also vor dem entstanden sind.

21C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1587 Nr. 26
DB 2014 S. 1438 Nr. 25
DStR 2014 S. 12 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 33/2014 S. 2462
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2014 S. 788
ZIP 2014 S. 1782 Nr. 37
DAAAE-67251