Zur anstehenden Reform der Selbstanzeige: Steuerstrafrecht in der Steuerberatung
Steuerrechtler und Strafrechtler scheinen in unterschiedlichen Welten zu leben. Das Verständnis des einen für die Denkweise des anderen ist nicht besonders stark ausgeprägt. In der steuerlichen Ausbildung spielt das Strafrecht kaum eine Rolle. Denn bei der Steuerberatung geht es nicht primär um die Vermeidung von Strafbarkeit, sondern um die Nutzung legaler Gestaltungen und die Abgabe korrekter Steuererklärungen. Umgekehrt kann von Strafrichtern und Strafverteidigern kaum erwartet werden, dass sie zugleich Experten des komplexen Steuerrechts sind – auch wenn § 370 AO als Blankettvorschrift, die das gesamte Steuerrecht inkorporiert, dies eigentlich erfordern würde.
Die Bevölkerung dagegen scheint, inspiriert von spektakulären Fällen prominenter Steuerhinterzieher, aus einem Heer von „Experten“ in Sachen Steuerstrafrecht zu bestehen. Kein anderes steuerliches Thema erhitzt so sehr die Gemüter wie die Frage nach der richtigen Ahndung von Steuerhinterziehung.
Für die Politik entsteht hieraus Handlungsdruck. Nachdem 2007 als Antwort auf die Zunahme organisierter Kriminalität im Bereich der Umsatzsteuer in § 370 Abs. 3 AO eine Strafverschärfung für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung eingeführt wurde (s. auch den bereits 2001 eingeführten § 26c UStG), rückt derzeit die Selbstanzeige in den Fokus. Die Finanzministerkonferenz ist sich einig, zum einen die Zuschläge deutlich zu erhöhen, zum anderen soll der Zeitraum der Offenlegung von derzeit fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Während es plausibel ist, den Tribut für das Absehen von Strafverfolgung durch Anhebung der Zuschläge zu erhöhen, läuft die Verlängerung der Berichtigungsfristen Gefahr, die Selbstanzeige zu entwerten. Schließlich führen schon geringfügige Abweichungen (größer als 5 % des Verkürzungsbetrags) zur Wirkungslosigkeit der Selbstanzeige. Hier sind steuerliche Berater – meist unter erheblichem Zeitdruck – maximal gefordert, wirksame Selbstanzeigen vorzubereiten.
Die Konzentration auf die spektakulären Fälle prominenter Steuersünder verstellt zudem den Blick darauf, dass das Strafrecht in fragwürdiger Weise auch in den Steuerberatungsalltag Einzug gehalten hat. Um sich nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt auszusetzen, sind Betriebsprüfer gehalten, Zweifelsfälle an die Buß- und Strafsachenstelle (BuStra) abzugeben (s. BStBl 2009 I S. 829 ff. NWB IAAAD-28011, zu § 10 Abs. 1 BpO). Dabei geht es vielfach in der Sache nur um unterschiedliche Wertungen in streitigen Rechtsfragen, etwa der Bewertung von Rückstellungen. Auch die in Steuererklärungen nicht hinreichend kenntlich gemachte abweichende Rechtsauffassung wird schnell zum steuerstrafrechtlichen Problem. Um sich vor derartigen Risiken zu schützen, bedarf es sowohl der genauen Kenntnis der Auffassung der Finanzverwaltung als auch der Sensibilität für mögliche steuerstrafrechtliche Folgen. Deshalb muss das Steuerstrafrecht zur steuerlichen Ausbildung dazugehören.
Vor diesem Hintergrund ist es außerdem Aufgabe der steuerberatenden Berufe, in der aktuellen Reformdebatte eine weniger einseitige, sehr viel gründlichere Diskussion notwendiger Veränderungen des steuerstrafrechtlichen Sanktionssystems einzufordern. Es muss klar werden, dass es nicht nur um Verschärfungen gehen kann. Wenigstens in einem Punkt, nämlich der Strafbarkeit bei verspäteter Abgabe von Steueranmeldungen oder nachträglichen Berichtigungen, scheint dies auch die Politik erkannt zu haben und zieht Erleichterungen in Erwägung. Damit sind aber längst nicht alle problematischen Fälle erfasst.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre der aktuellen SteuerStud-Ausgabe.
Herzliche Grüße
Ihre
Johanna Hey
Fundstelle(n):
SteuerStud 6/2014 Seite 317
NWB RAAAE-64783