BGH Urteil v. - IX ZR 147/11

Insolvenzeröffnungswirkung: Unwirksamkeit einer Leistungsbestimmung des Schuldners

Leitsatz

Eine vom Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Leistungsbestimmung zugunsten eines Dritten ist unwirksam.

Gesetze: § 81 Abs 1 InsO, § 267 Abs 1 S 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB

Instanzenzug: Az: 1 U 34/10vorgehend Az: 11 O 308/09 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt als Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W.     K.   (nachfolgend: Schuldner) die Rückzahlung von 15.000 € zur Insolvenzmasse, die dem beklagten Amt (nachfolgend: Beklagter) über ein Notaranderkonto zur Erfüllung eines notariellen Grundstückskaufvertrages zugeflossen sind.

2Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, folgender Sachverhalt zugrunde:

3Am wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am schloss der Schuldner mit dem Beklagten namens und in Ausübung einer notariellen Generalvollmacht des R.      L.     vom einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück, wobei er der beurkundenden Notarin sofort einen Betrag von 15.000 € in bar als Anzahlung auf den Kaufpreis von 65.000 € aushändigte, den diese umgehend auf ein von ihr hierfür errichtetes Notaranderkonto einzahlte. Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aufgehoben und die Restschuldbefreiung angekündigt. Auf Antrag der Klägerin wurde mit Beschluss vom die Nachtragsverteilung wegen der 15.000 € angeordnet und der Vollzug der Klägerin übertragen.

4Die Klägerin hat von dem Beklagten in erster Instanz unter anderem Freigabe dieses Geldes auf dem Notaranderkonto verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat die Klägerin - nach Auszahlung des Geldes vom Notaranderkonto an den Beklagten - Zahlung begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Wegen der vom Schuldner übergebenen 15.000 € hat der Senat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.

Gründe

5Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, ausgeführt:

7Ein Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB in Verbindung mit § 81 InsO hinsichtlich der Geldscheine scheide aus, weil das Geld auf das Anderkonto eingezahlt worden sei. Ein Anspruch nach § 812 ff BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB (Leistungskondiktion) scheitere daran, dass nicht der Beklagte als Empfänger der Leistung anzusehen sei. Hätte nämlich der Schuldner eigenes Geld einbezahlt, liege eine Zahlung auf fremde Schuld gemäß § 267 Abs. 1 BGB vor. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Tilgungsbestimmung gemäß § 81 InsO unwirksam sei. Die Tilgungsbestimmung sei keine Verfügung. Maßgebend sei allein, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstelle. Jedenfalls im Zeitpunkt des Eingangs des Geldes auf dem Notaranderkonto hätten die Vertreter der Beklagten noch nichts von einem angeblichen Missbrauch der Generalvollmacht des Zeugen L.    gewusst. Eine spätere Kenntnis sei unerheblich.

8Habe der Schuldner fremdes Geld übergeben, liege eine direkte Leistung des Zeugen L.      an den Beklagten vor. Die Klägerin könne deshalb in jedem Fall nur vom Zeugen L.     eine Rückzahlung verlangen.

9Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 2. Altern. BGB komme wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht in Betracht. Ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung scheide gemäß § 129 Abs. 1 InsO aus, weil die fragliche Handlung nach Eröffnung vorgenommen worden sei. Auch ein solcher Anspruch könne sich zudem nur gegen den Zeugen L.     richten.

II.

10Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

11Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die vom Schuldner an die Notarin übergebenen 15.000 € eigenes Geld des Schuldners oder im Eigentum des Zeugen L.     stehendes Geld war. Dies durfte indessen nicht dahinstehen, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Klage im Falle, dass es sich um Geld des Schuldners handelte, begründet ist.

121. Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass ein Anspruch der Klägerin ausscheidet, wenn es sich um Geld des Zeugen L.      gehandelt hat. Dann hat der Schuldner als Vertreter des Zeugen gehandelt und für diesen das Geld über die Notarin und die Bank als Leistungsmittler an den Beklagten geleistet. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Masse im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners scheidet dann aus. Das wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

132. Handelte es sich dagegen um Geld des Schuldners, ist ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gegeben.

14a) Dem steht nicht schon die Auffassung der Revisionserwiderung entgegen, es liege auch in diesem Falle eine Leistung des Zeugen L.    an den Beklagten vor, weil der Schuldner das Geld zunächst durch Insichgeschäft dem Zeugen L.    übereignet habe, bevor er es der Notarin als dessen Vertreter übereignet habe. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil eine solche Übereignung an den Zeugen L.     gemäß § 81 Abs. 1 InsO unwirksam gewesen wäre. Stand das Geld zuvor im Eigentum des Schuldners, war es gemäß § 35 Abs. 1 InsO vom Insolvenzbeschlag erfasst. Anhaltspunkte für eine Unpfändbarkeit liegen nicht vor. Jedenfalls konnten gemäß § 91 InsO weder der Zeuge L.     noch die Notarin Eigentum an den Geldscheinen erwerben.

15b) Liegt, wie das Berufungsgericht angenommen hat, eine wirksame (Teil-)Erfüllung des Anspruch des Beklagten gegen den Zeugen L.     aus dem Kaufvertrag vor, hat die Klägerin allerdings nur einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB (Leistungskondiktion) gegen den Zeugen L.    (, WM 1975, 1235; vom - VI ZR 11/76, BGHZ 70, 389, 396 f; vom - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 94 f; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. § 267 Rn. 7). Diesem Anspruch kann der Schuldner der befriedigten Forderung auch nicht § 814 BGB entgegenhalten (BGH, je aaO).

16Eine derartige Leistung eines Dritten mit Erfüllungswirkung setzt allerdings voraus, dass der Dritte den Willen hat und zum Ausdruck bringt, auf die Verpflichtung des Schuldners zu leisten; maßgeblich ist, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (, NJW 1995, 128, 129; vom , aaO je mwN).

17Allerdings gilt auch hier der allgemeine Grundsatz der Rechtsscheinslehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei Fehlen der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt werden kann. Der Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers kann die fehlende wirksame Tilgungs- und Zweckbestimmung nicht ersetzen (, BGHZ 147, 145, 151 mwN; vom - IX ZR 226/08, WM 2010, 473 Rn. 13; vom - IX ZR 52/13, WM 2014, 21 Rn. 17).

18c) Es liegt danach - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine wirksame Schuldtilgung gegenüber dem Beklagten vor. Deshalb besteht der Anspruch des Beklagten aus dem Kaufvertrag weiter. In diesem Fall findet der Bereicherungsausgleich zwischen dem scheinbar Leistenden, hier dem Insolvenzschuldner, und dem Gläubiger statt ( aaO S. 95; vom , aaO S. 149; Palandt/Grüneberg, aaO § 267 Rn. 3; vgl. auch aaO Rn. 11; MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl. § 267 Rn. 23).

19Der Beklagte hat, weil keine Leistung des Schuldners vorliegt, auf sonstige Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 2 BGB).

20aa) Die Erfüllungshandlung des Schuldners war gemäß § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Schuldner gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht mehr berechtigt, im Verhältnis zu dem Beklagten eine wirksame Erfüllungszweckbestimmung zu treffen. Bedient sich der Schuldner zur Begleichung einer Verbindlichkeit eines Zahlungsmittlers, hängt die Erfüllung von der konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung ab, dass er eine entsprechende Tilgungsbestimmung verlautbart. Diese Tilgungsbestimmung hat verfügungsähnliche Wirkung. Sie erfordert deshalb die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Schuldners ( aaO Rn. 21).

21Unwirksam nach § 81 Abs. 1 InsO ist auch eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Senat hat unter Verfügungen in diesem Sinne alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken. Daher sind alle Zahlungen des Schuldners sowie die Genehmigung im Einzugsermächtigungsverfahren betroffen (, BGHZ 174, 84 Rn. 19 mwN). Es werden auch verfügungsähnliche Geschäfte erfasst ( aaO mwN; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 81 Rn. 2 f). Auch die Ermächtigung eines Dritten durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen, ist nach § 81 InsO unwirksam (, ZIP 2012, 1565 Rn. 7; vom - IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517 Rn. 14). Für die Leistungsbestimmung nach § 267 Abs. 1 BGB gilt dasselbe. Auch sie ist eine verfügungsähnliche Handlung. Da somit eine wirksame Leistung durch den Schuldner als Dritten nicht vorliegt, trat durch die Auskehrung an den Beklagten auch keine Erfüllungswirkung ein ( aaO S. 95).

22Ob die Klägerin eine Leistungsbestimmung nach § 267 BGB hätte nachholen können (vgl. dazu , NJW 1964, 1898, 1899; vom - VII ZR 274/85, NJW 1986, 2700; vom , aaO; Beschluss vom , aaO Rn. 15 f) kann dahinstehen. Eine solche Leistungsbestimmung, die in einer Klage gegen den Zeugen L.    möglicherweise hätte gesehen werden können, ist vorliegend jedenfalls nicht erfolgt.

23bb) Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Bereicherungsrecht. § 143 InsO ist entgegen der Ansicht der Revision nicht analog anwendbar. Diese Vorschrift gilt nur für das Insolvenzanfechtungsrecht, das hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil es gemäß § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen betrifft, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Im Übrigen fehlt es für die Bemessung der Höhe des Bereicherungsanspruchs an einer Regelungslücke, weil der Umfang des Anspruchs in den §§ 812 ff BGB ausreichend geregelt ist.

III.

24Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr festzustellen haben, ob es sich bei den 15.000 € um eigenes Geld des Schuldners oder um Geld des Zeugen L.    gehandelt hat.

Kayser                      Gehrlein                        Vill

             Lohmann                       Fischer

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1217 Nr. 21
DB 2014 S. 1134 Nr. 20
DB 2014 S. 6 Nr. 20
NJW 2014 S. 2192 Nr. 30
NJW-RR 2014 S. 873 Nr. 14
WM 2014 S. 1002 Nr. 21
ZIP 2014 S. 1037 Nr. 21
JAAAE-63834