BGH Beschluss v. - EnVR 61/12

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Antragstellerin, die ein Verteilernetz für Elektrizität betreibt, hat am die Genehmigung eines Investitionsbudgets gemäß § 23 Abs. 6 ARegV für Maßnahmen zum Anschluss eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks mit einer geplanten Einspeiseleistung von bis zu 450 MW an ihr Hochspannungsnetz beantragt. Die Bundesnetzagentur hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag erneut zu entscheiden. Dagegen hat sich die Bundesnetzagentur mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewendet, der die Antragstellerin entgegengetreten ist.

2 Mit Beschluss vom hat die Bundesnetzagentur ihren ursprünglichen Bescheid geändert und die Investitionsmaßnahme genehmigt. Daraufhin haben beide Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie stellen nunmehr wechselseitige Kostenanträge.

3 II. Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Bundesnetzagentur zu tragen.

4 1. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist gemäß § 90 EnWG in Verbindung mit § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO und § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur noch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden, und zwar nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (, WuW/E DE-R 3465 Rn. 3 mwN).

5 Das Kostenverfahren nach § 91a ZPO ist nicht dazu bestimmt, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden. Deshalb genügt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten. Sofern die Entscheidung in der Hauptsache von einer grundsätzlichen Frage abhängt und deren Beantwortung offen ist, entspricht es dabei in der Regel billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben (BGH WuW/E DE-R 3465 Rn. 4 f. mwN). Eine abweichende Kostenentscheidung kann aber geboten sein, wenn andere Gesichtspunkte dies als angemessen erscheinen lassen (, AG 2006, 666 Rn. 4).

6 2. Bei Anlegung dieses Maßstabes erscheint es im Streitfall angemessen, die Kosten der Bundesnetzagentur aufzuerlegen, weil diese dem Begehren der Antragstellerin in der Sache entsprochen hat und einiges dafür spricht, dass die Antragstellerin ohne das erledigende Ereignis obsiegt hätte.

7 a) Die Bundesnetzagentur hat sich mit ihrem Änderungsbescheid zwar nicht vollständig in die Rolle des Unterlegenen begeben. Sie hat darin aber zumindest die Möglichkeit eingeräumt, dass die Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren hätte obsiegen können.

8 Die Bundesnetzagentur hat die nunmehr erteilte Genehmigung auf die am in Kraft getretene Regelung in § 23 Abs. 7 ARegV gestützt, die für Investitionsmaßnahmen in Verteilernetzen der Hochspannungsebene erleichterte Genehmigungsvoraussetzungen vorsieht. Zur Begründung ihrer Änderungsentscheidung hat sie jedoch ergänzend ausgeführt, sie habe aufgrund einer Reihe von Gerichtsentscheidungen zu § 23 ARegV ihre Beschluss- und Regulierungspraxis bei der Genehmigung von Investitionsbudgets der Auffassung des Gerichts angepasst. Ob eine Anpassung auch im Streitfall erforderlich gewesen wäre, hat sie offengelassen, weil die Maßnahmen jedenfalls nach neuem Recht genehmigungsfähig seien. Damit hat sie eingeräumt, dass die Betroffene möglicherweise auch nach dem früheren Rechtszustand einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hatte.

9 b) Nach Einschätzung des Senats spricht einiges dafür, dass die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur keinen Erfolg gehabt hätte.

10 Dabei bedarf die für den Verfahrensausgang entscheidende Frage, ob die in Rede stehenden Investitionen durch den Erweiterungsfaktor nach § 10 ARegV berücksichtigt werden, keiner abschließenden Entscheidung. Vor dem aufgezeigten Hintergrund reicht vielmehr aus, dass das Beschwerdegericht diese Frage mit beachtlichen Gründen verneint und die Maßnahmen deshalb auch auf der Grundlage von § 23 Abs. 6 ARegV als grundsätzlich genehmigungsfähig angesehen hat. Die hiergegen vorgebrachte Argumentation der Bundesnetzagentur, die Investition werde durch den Erweiterungsfaktor berücksichtigt, weil in diesen auch die Anzahl der Einspeisepunkte dezentraler Erzeugungsanlagen einfließe und sich diese durch den Anschluss des neuen Kraftwerks um 1 erhöhe, erscheint zwar nicht offensichtlich unbegründet. Sie unterliegt aber jedenfalls deshalb erheblichen Zweifeln, weil diese Erhöhung dem Charakter der in Rede stehenden Maßnahme nicht einmal ansatzweise Rechnung trägt.

11 Die Bundesnetzagentur hat in Abschnitt 3.6 ihrer Festlegung vom (BK8-10/004), mit der sie die Anzahl der Einspeisepunkte als zu berücksichtigenden Parameter bestimmt hat, ausgeführt, die Höhe der installierten Erzeugungsleistung einzelner Einspeisungen in der Hochspannung könne von Fall zu Fall erheblich schwanken. Sie hat dies zum Anlass genommen, für EEG-Anlagen nicht auf die Anzahl der Einspeisepunkte, sondern auf die Anzahl der einzelnen Einrichtungen abzustellen. In dem der Festlegung zugrunde liegenden und dort zitierten Gutachten der Consentec GmbH vom wird die typische Erzeugungsleistung für Photovoltaikanlagen mit 2 MW angegeben (S. 35), für Biomasseanlagen mit 0,5 MW (S. 38) und für Windkraftanlagen mit 1 MW (S. 41). Für eine aus mehreren Einrichtungen bestehende und an einen gemeinsamen Einspeisepunkt angeschlossene EEG-Anlage mit einer Einspeiseleistung von 450 MW wäre deshalb die für die Berechnung des Erweiterungsfaktors maßgebliche Anzahl der Einspeisepunkte nicht nur um 1 zu erhöhen, sondern um einen Betrag, der zwischen 225 und 900 liegt. Für den Anschluss eines konventionellen Kraftwerks mit gleicher Leistung ist in der Festlegung zwar keine vergleichbare Korrektur vorgesehen. Gerade dies begründet aber erhebliche Zweifel daran, ob die Festlegung geeignet ist, eine Investition der hier in Rede stehenden Art zu erfassen und damit eine Genehmigung nach § 23 Abs. 6 ARegV auszuschließen.

12 c) Angesichts all dessen erschiene es unbillig, die Antragstellerin nur deshalb mit einem Teil der Kosten zu belasten, weil die aufgezeigte Frage durch das Inkrafttreten des § 23 Abs. 7 ARegV obsolet geworden ist. Dagegen spricht zudem, dass der Verordnungsgeber die Änderung des § 23 ARegV auf die Erwägung gestützt hat, die bisherige Regelung werde den aufgrund der Energiewende bestehenden Anforderungen an das Hochspannungsnetz nicht gerecht (BR-Drucks. 447/13, S. 20).

Fundstelle(n):
UAAAE-62974