Disziplinarverfahren gegen einen Notar: Missbilligung bei Verstoß gegen Treuhandauflagen
Leitsatz
Unter außergewöhnlichen Umständen kann auch bei einem Verstoß des Notars gegen § 54b Abs. 2 Satz 3 BeurkG und gegen Treuhandauflagen eine Missbilligung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO als Sanktion ausreichen.
Gesetze: § 94 Abs 1 S 1 BNotO, § 54b Abs 2 S 3 BeurkG
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 1 Not 2/12
Gründe
1Der zulässige Antrag, die Berufung gegen den eingangs bezeichneten Gerichtsbescheid zuzulassen, ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der anzufechtenden Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 3, § 64 Abs. 2 BDG und § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO) nicht.
2Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die angefochtene Disziplinarverfügung aufzuheben und stattdessen dem disziplinarisch nicht vorbelasteten Kläger lediglich eine Missbilligung (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO) auszusprechen, ist bei der im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Berufung gebotenen summarischen Prüfung (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 124 Rn. 7) nicht zu beanstanden.
3Nach § 60 Abs. 3 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO hat das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen. Es ist nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die dem Kläger zum Vorwurf gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich gegeben und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat - bejahendenfalls - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (vgl. § 88 VwGO i.V.m. § 3 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene "Ermessensentscheidung". Es kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern und an Stelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (Senatsbeschluss vom - NotSt(Brfg) 5/11, ZNotP 2012, 359 Rn. 3 m.umfangr.w.N.). Dies umfasst auch die Befugnis, statt einer Disziplinarmaßnahme eine bloße Missbilligung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO auszusprechen, die zwar einen Tadel beinhaltet, jedoch disziplinarischen Charakter nicht hat (Baumann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 94 Rn. 2; Herrmann in Schippel/Bracker, BNotO, § 94 Rn. 1; Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 94 Rn. 2). Da sie aber ebenso wie eine Disziplinarmaßnahme die Reaktion der Aufsichtsbehörde auf ein Dienstvergehen des Notars ist (Baumann, Herrmann jew. aaO), ist auch das Disziplinargericht befugt, die Disziplinarverfügung durch eine Missbilligung zu ersetzen. Von dieser Möglichkeit hat das Oberlandesgericht in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
4Die Missbilligung kann bei ordnungswidrigem Verhalten und Pflichtverletzungen leichterer Art ausgesprochen werden (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Dies kommt unter anderem in Betracht, wenn der Notar innerdienstlichen Vorschriften nicht Rechnung trug, ohne dass bleibende Schäden eingetreten sind oder eine Außenwirkung eingetreten ist (Baumann aaO Rn. 5; Herrmann aaO Rn. 2; Lerch aaO Rn. 4). Aber auch bei einem Verhalten mit Außenwirkung kann eine Missbilligung ausgesprochen werden, wenn das Verschulden besonders leicht wiegt (Herrmann; Lerch jew. aaO). Eine Maßnahme nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO kann dann insbesondere ausreichen, wenn zu erwarten ist, dass der Notar den betreffenden Fall zum Anlass nehmen wird, künftige Verstöße gleicher oder ähnlicher Art nicht mehr zu begehen und in der Vergangenheit nicht schon schärfere Maßnahmen verhängt werden mussten (Lerch aaO).
5Nach diesen Maßstäben und unter der gebotenen Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die anzufechtende Entscheidung nicht in zulassungsrelevanter Weise zu beanstanden.
6Der Beklagte meint, das Oberlandesgericht habe verkannt, dass der Kläger hinsichtlich des Verstoßes gegen § 54b Abs. 2 BeurkG zumindest grob fahrlässig gehandelt habe, da er sich über die eindeutige Regelung des Satzes 3
hinweg gesetzt habe. Es sei offensichtlich, dass diese Mussvorschrift nicht aus Praktikabilitätsgründen außer Acht gelassen werden dürfe. Im Übrigen zeige das Klagevorbringen, dass der Kläger uneinsichtig sei und einen Pflichtverstoß immer noch in Abrede stelle. Diese Rügen sind unbegründet. Aufgrund der vom Oberlandesgericht herausgestellten außergewöhnlichen Umstände, die den Kläger in dem vereinzelt gebliebenen Sonderfall zur Führung eines unzulässigen Sammelkontos veranlasst hatten, und der Tatsache, dass selbst die Notarkammer die Vorgehensweise des Klägers für vertretbar hielt, ist nur von einem geringfügigen Verschulden auszugehen. Unzutreffend ist, dass sich der Kläger uneinsichtig gezeigt hat. In der Klageschrift hat er ausdrücklich hervorgehoben, ein Sammelkonto in Zukunft nicht mehr zu führen. Die von ihm herausgestellten besonderen Umstände dienten nicht dazu, sein Verhalten zu rechtfertigen. Vielmehr hatten die Ausführungen den Zweck zu erklären, wie es zu dem Pflichtverstoß kam, und dass ihn aufgrund dessen nur ein leichter Schuldvorwurf trifft.
7Unbegründet ist weiter die Rüge des Beklagten, der Kläger habe entgegen der Ansicht der Vorinstanz grob leichtfertig gehandelt, indem er eine Auszahlung aus dem Anderkonto vornahm, obgleich die vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen nicht vorlagen. Zwar stellt ein solches Vorgehen in der Regel einen schwerwiegenden und groben Verstoß gegen die notariellen Amtspflichten dar, da peinliche Genauigkeit bei der Erfüllung von Treuhandauflagen für einen Notar eine grundlegende Pflicht ist (z.B. Senatsbeschluss vom - NotZ 37/06, juris Rn. 6; zu einseitigen Verwahrungsanweisungen siehe auch , WM 2008, 1662 Rn. 8 mwN). Dies hat das Oberlandesgericht jedoch beachtet und wiederum unter Berücksichtigung der ungewöhnlichen Besonderheiten des Einzelfalls eine disziplinarische Ahndung des Pflichtverstoßes des Klägers ausnahmsweise nicht für erforderlich gehalten. Diese Würdigung lässt einen Grund zur Zulassung der Berufung nicht erkennen.
8Soweit der Beklagte beanstandet, das Oberlandesgericht habe eine Gesamtwürdigung aller der Disziplinarverfügung zugrunde liegenden Dienstvergehen unterlassen, vermag sich der Senat dem ebenfalls nicht anzuschließen. Der anzufechtende Gerichtsbescheid enthält eine umfassende Würdigung aller Umstände. Insbesondere weil Schäden nicht entstanden sind und zu erwarten ist, dass der Kläger auch ohne eine disziplinarische Ahndung die ihm unterlaufenen, weitgehend kleinere formale Nachlässigkeiten beinhaltenden und im Übrigen durch außergewöhnliche Umstände veranlassten, vom Regelfall abweichenden Pflichtverstöße nicht wieder begehen wird, begegnet es nicht ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO), lediglich eine Missbilligung auszusprechen.
9Auch vermag der Senat dem Beklagten nicht zu folgen, soweit er schließlich meint, selbst wenn der Verstoß gegen § 54b Abs. 2 Satz 3 BeurkG lediglich eine Missbilligung rechtfertigte, sei nicht einsichtig, weshalb die Hinzunahme der weiteren Pflichtverstöße, insbesondere die Abweichung von den vertraglichen Auszahlungsvoraussetzungen, demgegenüber nicht ins Gewicht fielen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist hieraus nicht zu schließen, dass nach Auffassung des Oberlandesgerichts für den letztgenannten Vorgang noch nicht einmal eine Missbilligung zu erteilen gewesen wäre. Auch mehrere Pflichtverstöße, die jeweils für sich genommen bereits ein Vorgehen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO gebieten, führen nicht notwendig dazu, dass eine Disziplinarmaßnahme angezeigt ist. Bei der gebotenen Würdigung aller Umstände kann gleichwohl insgesamt lediglich eine Missbilligung gerechtfertigt sein.
Galke Herrmann Wöstmann
Doyé Strzyz
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 6 Nr. 16
DNotZ 2014 S. 470 Nr. 6
NJW 2014 S. 8 Nr. 18
WM 2014 S. 815 Nr. 17
NAAAE-61734