Instanzenzug:
Gründe
1 Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. März 2013 zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 11. Juni 2013 beim Berufungsgericht zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der am 28. Mai 2013 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist eingegangen.
2 Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass sie die ausgefertigte und unterzeichnete Berufungsbegründung am Nachmittag des 28. Mai 2013 in die Unterschriftenmappe gelegt und die Büroangestellte H. beauftragt habe, den Schriftsatz vorab an das Berufungsgericht zu faxen. Die Angestellte H. habe dies auf dem Schriftsatz vermerkt und die im Abendsekretariat eingesetzte, für die Überwachung der Fristen zuständige Angestellte M. mit der Fristenkontrolle und Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht betraut. Frau M. habe gegen 19 Uhr die Unterschriftsmappe bei der sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingesammelt und die darin befindlichen Schriftstücke danach sortiert, ob sie mit normaler Post verschickt, als Gerichtspost übermittelt oder vorab gefaxt werden sollten. Die Berufungsbegründung habe Frau M. nach Entnahme aus der Unterschriftsmappe beiseite gelegt, um die angeordnete Übermittlung vorab per Fax sicherzustellen. Gegen 19.50 Uhr habe sie die Gerichtspost zu dem nahegelegenen Briefkasten der Berliner Justizboten gebracht, die bei einem Einwurf vor 20 Uhr eine Zustellung noch am selben Tag durchführten.
3 Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht per Fax an das Berufungsgericht übermittelte Berufungsbegründung habe Frau M. nicht zu der Gerichtspost gegeben, sondern auf dem Stapel der noch zu faxenden Schriftsätze belassen. Bei der später veranlassten Faxübermittlung seien Frau M. weitere Fehler unterlaufen. Sie habe statt der ihr gut bekannten Nummer des Berufungsgerichts eine andere Nummer angewählt. Da das Faxgerät nicht durch ein akustisches Signal eine fehlgeschlagene Übersendung angezeigt habe, habe Frau M. den Sendebericht ohne weitere Kontrolle in den Posteingang der für den nächsten Vormittag zuständigen Angestellten H. gelegt und den Originalberufungsschriftsatz zu der am Folgetag abgehenden Gerichtspost gegeben. Weiter habe sie aus unerfindlichen Gründen eine Kontrolle des Fristenkalenders unterlassen, so dass die an diesem Tag ablaufende Berufungsbegründungsfrist nicht gestrichen worden sei. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehe die allgemeine Anweisung, Fristen erst dann zu streichen, wenn sichergestellt sei, dass der fristgebundene Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingehe, das Schriftstück also die Kanzlei auf geeignete Weise verlassen habe. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe sie auf deren Nachfrage vor dem Verlassen des Büros um 23.10 Uhr geantwortet, alle Fristsachen des Tages seien erledigt.
II.
4 Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO), das der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
5 Die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffenen Vorkehrungen zur Behandlung von Fristensachen genügen nicht den organisatorischen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzuhalten sind. Der Rechtsanwalt muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleisten, dass die für den Postversand vorgesehenen Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei unter anderem die Anordnung, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend jedes Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378 Rn. 7). Dass eine entsprechende Anordnung in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin besteht, lässt sich dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsgesuch indes nicht entnehmen. Im Übrigen ist die Ausgangskontrolle auch deshalb unzureichend, weil die allgemein gehaltene Anordnung, eine Frist erst zu streichen, wenn sichergestellt sei, dass das Schriftstück rechtzeitig beim Gericht eingehe, es der Beurteilung der jeweiligen Angestellten überlässt, wann sie diese Voraussetzung als erfüllt ansieht. Erforderlich ist eine konkrete Anweisung - etwa in dem Sinne, dass die Frist erst gestrichen wird, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei gelegt wird, von wo aus er unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird (, NJW 2011, 2051 Rn. 7).
6 Auf diese Mängel der allgemeinen Ausgangskontrolle käme es allerdings nicht an, wenn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine konkrete Einzelweisung erteilt hätte, deren Befolgung die Einhaltung der Frist sichergestellt hätte (vgl. , NJW 2004, 367 unter II 2). Die hier erteilte Anweisung, die Berufungsbegründung vorab an das Berufungsgericht zu faxen, erfüllt diese Voraussetzungen indes schon deshalb nicht, weil die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffenen Vorkehrungen zur Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze ebenfalls unzureichend sind. Denn der Rechtsanwalt muss durch geeignete Anordnungen sicherstellen, dass die richtige Nummer des Empfangsgerichts - vorzugsweise anhand des letzten in der Handakte befindlichen Schreibens dieses Gerichts oder eines gebräuchlichen Verzeichnisses - ermittelt und nicht etwa aus dem Gedächtnis abgerufen wird (BGH, Beschlüsse vom 17. August 2011 - VIII ZB 39/10; NJW-RR 2011, 1557 Rn. 11; vom 19. März 1997 - IV ZB 14/96, NJW-RR 1997, 952; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373 unter II 1 b). Außerdem muss der Sendebericht daraufhin überprüft werden, ob die richtige Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde und die Sendung vollständig übermittelt worden ist (, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.). Dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin derartige (umfassende) Anordnungen zur Behandlung von Faxsendungen bestehen, lässt sich dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen.
7 Die genannten organisatorischen Mängel sind für die Fristversäumung ursächlich geworden, da nicht auszuschließen ist, dass ohne sie eine fristgerechte Übermittlung erfolgt wäre.
8 Schließlich entfällt ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb, weil die Prozessbevollmächtigte, bevor sie das Büro am Tage des Fristablaufs verlassen hat, bei der Büroangestellten noch einmal nachgefragt hat, ob alle Fristen des Tages erledigt waren. Eine derartige Nachfrage kann eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht ersetzen.
Fundstelle(n):
KAAAE-61722