BGH Beschluss v. - 1 StR 40/14

Rechtsmittelverzicht in der Hauptverhandlung: Wirksamkeit bei fehlender Rücksprache mit dem Verteidiger

Gesetze: § 302 StPO

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 3 KLs 253 Js 23695/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und zu Gunsten der Nebenklägerin eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

2Die Revision ist unzulässig. Der Angeklagte hat nach Verkündung des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung erklärt: "Ich akzeptiere das Urteil und verzichte auf Rechtsmittel." Seine Verteidiger haben anschließend keine Erklärung abgegeben. Damit hat der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

31. Der Angeklagte hat eindeutig, vorbehaltlos und ausdrücklich erklärt, dass er auf Rechtsmittel verzichtet und das Urteil annimmt. Diese Prozesserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 589/85, NStZ 1986, 277, 278).

42. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Angeklagten führen könnten, liegen nicht vor:

5a) Eine die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts hindernde Verständigung nach § 257c StPO (vgl. § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) oder eine ebenso wirkende informelle Verständigung (vgl. ) gab es in dem Verfahren nicht. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts.

6b) Die von der Verteidigerin vorgetragenen Umstände führen - selbst wenn sie zutreffen sollten - nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts:

7aa) Dass es sich bei der Erklärung des Angeklagten um eine wütende Spontanäußerung handelt, stellt die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht in Frage; auch der in emotionaler Aufgewühltheit erklärte Rechtsmittelverzicht ist wirksam (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 14/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 261). Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten wird weder vorgebracht, noch wäre hierfür sonst etwas ersichtlich.

8bb) Soweit die Revision vorträgt, der Angeklagte habe vor seiner Erklärung keine Rücksprache mit seinen Verteidigern gehalten, steht dies der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht entgegen.

9Zwar entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass durch das Gericht dem Angeklagten vor Erklärung eines Rechtsmittelverzichts Gelegenheit gegeben werden muss, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen, oder dass der Verteidiger Gelegenheit erhalten muss, seinen Mandanten zu beraten (, BGHSt 45, 51, 57 mwN; vgl. auch BVerfG - Kammer, Beschluss vom - 2 BvR 325/06, NStZ-RR 2008, 209). Ein bindender Rechtsmittelverzicht wird deshalb nicht angenommen, solange der Angeklagte oder sein Verteidiger zu erkennen geben, dass sie die Frage des Verzichts noch miteinander oder mit Dritten erörtern wollen (vgl. BVerfG aaO; Senat, Urteil vom - 1 StR 561/62, BGHSt 18, 257, 260). Solche Umstände sind hier jedoch weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Anstatt Erörterungsbedarf hinsichtlich der Frage des Rechtsmittelverzichts anzumelden (vgl. Senat aaO S. 259), haben die Verteidiger nach der eindeutigen und unmissverständlichen Erklärung des Angeklagten, er nehme das Urteil an und verzichte auf Rechtsmittel, keine Erklärung abgegeben. Es gibt deshalb nach dem Vortrag der Revision keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht dem Angeklagten einen Rechtsmittelverzicht ohne vorherige Beratung mit seinem Verteidiger abverlangt oder ihm jedenfalls vor der Verzichtserklärung keine Gelegenheit gegeben hätte, sich mit seinen Verteidigern zu besprechen (vgl. hierzu , NStZ 2000, 441, 442 mwN).

10cc) Soweit die Revision behauptet, dem nicht deutsch sprechenden Angeklagten sei die Tragweite seiner Erklärung nicht bewusst gewesen, sind hierfür außer der Fremdsprachigkeit keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die Sprachunkundigkeit eines Angeklagten ist jedoch regelmäßig unerheblich, wenn - wie hier - ein Dolmetscher anwesend ist und dieser die Rechtsmittelbelehrung des Vorsitzenden übersetzt, so dass der Angeklagte weiß, dass er über die Frage einer Anfechtung des Urteils entscheidet (vgl. , NStZ 2000, 441, 442 mwN; vgl. auch , NStZ-RR 2004, 214).

11dd) Dass die Erklärung des Angeklagten nicht vorgelesen und genehmigt wurde, ist für ihre Wirksamkeit ohne Belang; dieser Umstand betrifft lediglich die Frage des Nachweises (vgl. , NStZ 2000, 441 f. mwN). Die Richtigkeit des Protokollvermerks wird vorliegend nicht nur durch die Verfügung des in der Sitzung anwesenden Vertreters der Staatsanwaltschaft (Band III Bl. 614 d.A.), sondern auch von der Verteidigung bestätigt. Weiterer Nachforschungen insoweit bedurfte es deshalb nicht.

123. Verzichtet der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel, ist - anders als die Revision meint - ein später eingelegtes Rechtsmittel seines Verteidigers wirkungslos (vgl. , bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986, 206, 208; Jesse in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 297 Rn. 10 mwN; SSW-StPO/Hoch, § 297 Rn. 5).

134. Infolge des wirksamen Verzichts ist das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom rechtskräftig. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO als unzulässig zu verwerfen.

Raum                         Graf                               Jäger

               Cirener                     Mosbacher

Fundstelle(n):
ZAAAE-60223