Urlaubsabgeltung - lang andauernde Arbeitsunfähigkeit - Tilgungsbestimmung bei Zahlung der Urlaubsabgeltung
Gesetze: § 7 Abs 4 BUrlG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 362 Abs 1 BGB, § 366 Abs 1 BGB
Instanzenzug: ArbG Essen Az: 6 Ca 1516/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 5 Sa 1370/11 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgeltung gesetzlichen Urlaubs nach dem BUrlG und nach § 125 SGB IX sowie des tariflichen Mehrurlaubs.
2Die 1959 geborene Klägerin war vom bis zum als Verkäuferin bei der Beklagten beschäftigt. Nach Ziff. 11 des zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrags vom fanden die Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrags „des Tarifpartners, bei dem EUREST Mitglied ist“, Anwendung. Zum Urlaub enthält § 8 des Manteltarifvertrags zwischen der EUREST DEUTSCHLAND GmbH und der Gewerkschaft NGG vom (MTV) ua. folgende Bestimmungen:
…
3Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 1.917,00 Euro. Sie war seit dem durchgehend arbeitsunfähig krank. Nach dem Bezug von Krankengeld erhielt sie zunächst eine befristete und ab dem eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung. Für die Klägerin ist zumindest seit 2007 eine Schwerbehinderung festgestellt. Die Beklagte rechnete zuletzt eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.664,10 Euro brutto ab und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus. In der Entgeltabrechnung ist der Betrag als „Urlaubsabgeltung/Tag“ ausgewiesen.
4Mit Schreiben vom machte die Klägerin ua. ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis einschließlich 2007 geltend.
5Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage die Abgeltung von 179 Urlaubstagen mit jeweils 87,14 Euro brutto für die Jahre 2006 bis einschließlich 2011.
6Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.933,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
8Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 9.933,96 Euro stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.672,54 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
9A. Die Revision der Beklagten ist begründet.
10Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 8 Ziff. 10 MTV auf weitere Abgeltung von Urlaub. Zwar macht sie nach der Rechtsprechung des Senats zu Recht geltend, auch während des Bezugs der Rente wegen Erwerbsminderung seien Urlaubsansprüche entstanden ( - Rn. 8 ff., BAGE 142, 371). Die in den Jahren 2006 bis einschließlich 2009 entstandenen Urlaubsansprüche sind jedoch noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses untergegangen. Die Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 und 2011 sind durch Zahlung erfüllt.
11I. Die gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2006 bis 2009 sind 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres und damit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen. Abgeltungsansprüche konnten nicht mehr entstehen. Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. - [KHS] Rn. 38, Slg. 2011, I-11757). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit dem Ende des Übertragungszeitraums ausscheidet ( - Rn. 14 mwN). Der MTV sieht zugunsten der Klägerin keine längere Übertragungsdauer vor. Nach § 8 Ziff. 9 Satz 3 MTV muss der übertragene Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.
12II. Für das Jahr 2010 und anteilig für das Jahr 2011 beansprucht die Klägerin die Abgeltung von insgesamt 44 Tagen Urlaub. Dieser Anspruch ist gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
131. Bei dem geltend gemachten Abgeltungsbetrag je Urlaubstag in Höhe von 87,14 Euro brutto ergibt sich bei 44 Urlaubstagen ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.834,16 Euro brutto. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zahlte die Beklagte auf die Geltendmachung der Klägerin mit Schriftsatz vom insgesamt 5.664,10 Euro brutto Urlaubsabgeltung.
142. Die Beklagte nahm bei dieser Zahlung keine nach Urlaubsjahren differenzierte Leistungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor. Sie gab in der Abrechnung als Leistungszweck der Zahlung von 5.664,10 Euro nur „Urlaubsabgeltung/Tag“ an. Dies war nach §§ 133, 157 BGB so zu verstehen, dass jeglicher etwaig bestehender Abgeltungsanspruch erfüllt werden sollte ( - Rn. 19). Soweit das Landesarbeitsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung angenommen hat, die Beklagte habe insoweit auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche für die Jahre 2008 bis 2011 geleistet, ist dies rechtsfehlerhaft. Diese Annahme beruht auf der unwirksamen nachträglichen Tilgungsbestimmung der Beklagten im Schriftsatz vom . Die Bestimmung muss nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Leistung erfolgen, eine nachträgliche Bestimmung ist grundsätzlich unwirksam (vgl. - Rn. 46; - XI ZR 49/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 140, 391).
15B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Fundstelle(n):
WAAAE-59243