Mord: Besondere Schuldschwere bei Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale
Gesetze: § 57a Abs 1 S 1 Nr 2 StGB, § 211 StGB
Instanzenzug: Az: 2020 Js 23270/12 - 3 Ks
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Zudem hat es ausgesprochen, dass die in Monaco erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 angerechnet wird. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur zum Ausspruch über die besondere Schuldschwere Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen trat der in Monaco lebende Angeklagte seit dem mehrfach über eine Internetplattform an den Autohändler D. heran, um Fahrzeuge der Luxusklasse von ihm zu erwerben. Da der Angeklagte nicht über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, wollte er seine Zahlungsfähigkeit vorspiegeln, um die Fahrzeuge dann - gegebenenfalls auch gewaltsam - ohne Zahlung des Kaufpreises zu erhalten. Mehrere Anbahnungen eines konkreten Verkaufsgeschäfts scheiterten jedoch daran, dass der Geschädigte D. auf Barzahlung bei Übergabe der Fahrzeuge bestand.
3Am reiste der Angeklagte unter Mitführung eines Revolvers nach Deutschland und einigte sich mit dem Geschädigten über den Ankauf von vier Fahrzeugen. Der Angeklagte beabsichtigte den Verkauf soweit voranzutreiben, dass der Geschädigte schließlich der Übergabe der Fahrzeuge ohne Barzahlung zustimmen würde. Während am Morgen des drei der vier Fahrzeuge verladen wurden, warteten der Angeklagte und der Geschädigte in dessen Büro auf die Ankunft des vom Angeklagten wiederholt angekündigten Geldbotens. Der Geschädigte wies schließlich die Fahrer des Fahrzeugtransporters an, mit drei der vier Fahrzeuge loszufahren. Als der Angeklagte erkannte, dass es ihm nicht gelingen werde, den Geschädigten dazu zu bringen, ihm die Fahrzeugschlüssel und -papiere sowie das vierte Fahrzeug vor Zahlung des Kaufpreises auszuhändigen, trat er unter einem Vorwand von hinten an den Geschädigten heran und schoss ihm in den Hinterkopf. Sodann floh er mit dem vierten Fahrzeug unter Mitnahme aller Papiere und Schlüssel sowie von mehreren im Büro deponierten hochwertigen Uhren. Der Geschädigte verstarb alsbald an den Folgen des Schusses.
42. Das Landgericht ist von der Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke und der Habgier sowie der tateinheitlichen Begehung eines (besonders) schweren Raubs mit Todesfolge ausgegangen. Neben der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 211 StGB hat es unter „zusammenfassender Würdigung der einzelnen Taten (§ 57b StGB)" und der Persönlichkeit des Angeklagten die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festgestellt.
II.
51. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
6Eine solche Feststellung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Mordfällen so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unangemessen wäre (, BGHSt 39, 121, 125; vgl. auch , BGHSt 40, 360, 370). Ein solches über die Erfüllung des Mordtatbestands wesentlich hinausgehendes Maß von Tatschuld ist nach den bisherigen Feststellungen auch unter Berücksichtigung eines nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs nicht rechtsfehlerfrei begründet.
7Zwar hat das Landgerecht zu Recht auf den besonders gewichtigen und schulderschwerenden Umstand abgestellt, dass der Angeklagte neben dem Mordmerkmal der Habgier auch das der Heimtücke verwirklicht hat. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt aber für sich genommen nicht ohne weiteres zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, und zwar auch dann nicht, wenn die Mordmerkmale - wie hier - auf materiell verschiedenen schulderhöhenden Umständen beruhen; erforderlich ist auch in diesem Fall eine Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles (vgl. - NJW 1993, 1999, 2000; Urteil vom - 1 StR 708/98, StV 1998, 420, 421; Urteil vom - 1 StR 159/05, NStZ-RR 2006, 236, 237).
8Soweit das Landgericht ausdrücklich den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge schulderhöhend berücksichtigt, hat es jedoch nicht bedacht, dass bei dem Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier der Unrechtskern beider Tatbestände sich weitgehend überschneidet (vgl. auch , NStZ 2009, 203, 204). Aus dem Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel, sich auf Kosten des Geschädigten zu bereichern, über einen Zeitraum von mehr als einem Monat zielstrebig verfolgt und dabei ab dem Zeitpunkt seiner Anreise auch den Einsatz von Gewalt einkalkuliert hat, lässt sich der Vorwurf besonders großer krimineller Energie nicht ohne Weiteres ableiten.
9Demgegenüber hat das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten lediglich seine geständige Einlassung berücksichtigt. Es fehlt eine umfassende Auseinandersetzung mit der Täterpersönlichkeit; insbesondere die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Würdigung einbezogen.
10Ungeachtet dessen, dass schon die Bezugnahme des Landgerichts auf den hier nicht einschlägigen § 57b StGB die Besorgnis begründen könnte, dass es seiner Entscheidung nicht den richtigen Maßstab zu Grunde gelegt hat, kann daher der Senat nicht ausschließen, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig.
112. Im Übrigen erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Fischer Appl Eschelbach
Ott Zeng
Fundstelle(n):
TAAAE-56464