Heranziehung zum Notfalldienst; nebenberufliche Privatpraxis; Heilkunde
Gesetze: Art 12 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, HeilBerG NW
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 13 A 1431/12 Urteil
Gründe
1Der Kläger ist als Arbeitsmediziner bei einem öffentlichen Arbeitgeber vollzeitbeschäftigt. Seit Juni 2009 betreibt er nebenberuflich eine Privatpraxis für traditionelle chinesische Medizin (TCM), in der er nach eigenen Angaben in einem Umfang von weniger als 10 Stunden wöchentlich tätig wird. Mit Bescheid vom zog ihn die Beklagte zum ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom bis heran. Danach entfielen auf den Kläger zwei Sitzdienste in einer eingerichteten Notfalldienstpraxis sowie zwei Fahrdienste. Den Antrag des Klägers, ihn wegen der Geringfügigkeit seiner Nebentätigkeit von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst zu befreien, lehnte die Beklagte ab. Die Klage auf Feststellung, dass seine Heranziehung zum ärztlichen Notfalldienst rechtswidrig gewesen sei, blieb in den Vorinstanzen ebenso ohne Erfolg wie die hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten, ihn dauerhaft vom ärztlichen Notfalldienst zu befreien. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Heranziehungsbescheid finde seine Rechtsgrundlage im nordrhein-westfälischen Heilberufsgesetz (HeilBerG) in Verbindung mit der Berufsordnung der Beklagten (BO) sowie der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) der Beklagten und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Entscheidendes Kriterium für die Teilnahmepflicht am Notfalldienst sei die Niederlassung in einer Praxis. Dieser Tatbestand sei beim Kläger erfüllt. Er übe als Arzt in seiner Praxis für TCM berufsmäßig Heilkunde aus. Ob er sich hierbei schulmedizinisch anerkannter Methoden bediene und ob seine Leistungen mit der Krankenkasse abgerechnet werden könnten, sei für das Merkmal der Praxisniederlassung ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob die Ausstattung der Praxis die Durchführung eines Notfalldienstes ermögliche. Aus der Entscheidung des ) ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die grundsätzliche Einbeziehung aller niedergelassenen Ärzte in den ärztlichen Notfalldienst sei auch mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu noch liegt der gerügte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor.
31. Die als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob es mit Art. 3 und Art. 12 GG sowie § 75 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V vereinbar ist, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die Pflicht, sich an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) zu beteiligen, an die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit knüpft (§ 30 Nr. 2 HeilBerG), ohne dieses Tatbestandsmerkmal inhaltlich dahingehend einzuschränken, dass im Rahmen der Niederlassung - zumindest auch - solche Tätigkeiten ausgeübt werden müssen, die dem Sicherstellungsauftrag des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V unterfallen,
verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Nach der den Senat bindenden berufungsgerichtlichen Auslegung des Landesrechts werden von der Pflicht zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst grundsätzlich sämtliche niedergelassenen Ärzte erfasst. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger im Sinne von § 30 Nr. 2, § 31 Abs. 1 HeilBerG, § 26 BO und § 2 Abs. 1 GNO als niedergelassener Arzt in einer Praxis tätig ist. Auch hieran ist der Senat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gebunden. Die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge greift nicht durch (dazu nachfolgend unter 2.). Ausgehend davon besteht der geltend gemachte Klärungsbedarf nicht. In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt, dass es im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist, wenn sämtliche niedergelassene Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen haben ( BVerwG 3 C 21.81 - BVerwGE 65, 362; BVerwG 3 B 89.82 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 58 Heranziehung eines Arztes für Naturheilverfahren>; zuletzt BVerwG 3 B 67.09 - juris). Daraus folgt zugleich, dass die vom Kläger geltend gemachte einschränkende Auslegung des § 30 Nr. 2 HeilBerG verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Auch aus § 75 Abs. 1 SGB V lässt sich das nicht ableiten. Die Vorschrift ist hier nicht einschlägig, weil sie allein die Heranziehung zum Notfalldienst für den vertragsärztlichen Bereich regelt. Die Pflicht der Nichtvertragsärzte zur Teilnahme am Notfalldienst ergibt sich demgegenüber ausschließlich aus anderen - landesrechtlichen - Bestimmungen (vgl. zur Abgrenzung der Zuständigkeiten Urteil vom a.a.O.; - juris Rn. 20, 22; - juris Rn. 22 ff.).
4Fehl geht der Einwand des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe die nach § 30 Nr. 2 HeilBerG verlangte ambulante ärztliche Tätigkeit allein „statusbezogen" bestimmt. Das Berufungsgericht hat vielmehr auch die konkrete Tätigkeit in den Blick genommen und darauf abgestellt, dass der Kläger in seiner Praxis für TCM berufsmäßig Heilkunde ausübt. Damit lässt sich auch das von dem Kläger angeführte Beispiel einer ärztlich betriebenen Massagepraxis sachgerecht lösen. Als erlaubnispflichtige, ärztliche Heilkundeausübung in einer Praxis kann diese Tätigkeit nämlich nur angesehen werden, wenn sie heilkundliche Verrichtungen umfasst, die gesundheitliche Schäden verursachen können (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 3 B 39.09 - juris Rn. 3 und vom - BVerwG 3 B 31.11 - juris Rn. 4).
5Schließlich zeigt die Beschwerde einen weitergehenden Klärungsbedarf auch nicht mit der Bezugnahme auf das (a.a.O.) auf. Das Bundessozialgericht hat für den vertragsärztlichen Bereich angenommen, dass die Beschränkung der Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst auf die in einer Praxis niedergelassenen Ärzte mit Bundesrecht in Einklang steht ( a.a.O. Rn. 20, 22). Insoweit ergibt sich kein Widerspruch zur Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Bereich der Nichtvertragsärzte. Nichts anderes gilt für die Ausführungen des Bundessozialgerichts zum Nichtvorhandensein einer ärztlichen Praxis. Grundlage dafür waren die Feststellungen der Vorinstanzen, wonach der Kläger jenes Verfahrens lediglich sechs bis acht Behandlungsfälle (mit Patienten aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis) pro Quartal gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet hatte und er zudem das Bereitsein zur Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit nicht gegenüber der Öffentlichkeit durch das Anbringen eines Praxisschildes kenntlich gemacht hatte ( a.a.O. Rn. 29). Vergleichbares hat das Oberverwaltungsgericht hier nicht festgestellt. Es hat daher zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Kläger für seine Auffassung, er sei nicht als niedergelassener Arzt tätig, nicht auf die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stützen könne (UA S. 9).
62. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
7Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör den Vortrag des Klägers zu der Entscheidung des (a.a.O.) und zu den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen nicht aufgegriffen, greift nicht durch. Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschlüsse vom - BVerwG 9 B 70.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64 und vom - BVerwG 3 B 18.08 - juris Rn. 10). Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass das Oberverwaltungsgericht auf den Vortrag des Klägers eingegangen ist. Es kann auch keine Rede davon sein, dass es das Vorbringen verfahrensfehlerhaft ausgeblendet habe, weil sich die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil auf den schlichten Hinweis beschränkten, die Entscheidung des Bundessozialgerichts sei für den Streitfall unergiebig. Dass und warum es die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht für einschlägig erachtet hat, hat das Berufungsgericht ausreichend begründet. Mit der Kritik an dieser Auffassung zeigt der Kläger kein Übergehen seines Vortrags oder eine fehlende inhaltliche Befassung auf. Es begründet keinen Gehörsverstoß, wenn das Gericht den Rechtsausführungen eines Prozessbeteiligten nicht folgt.
8Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstelle(n):
AAAAE-56197