BGH Beschluss v. - 4 StR 453/13

Strafbarkeit bei absichtlichem Rammen eines Motorradfahrers durch einen Autofahrer

Gesetze: § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB

Instanzenzug: Az: 8 KLs 305 Js 43321/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten P.    wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer früher verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt; ferner hat es eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet. Den Angeklagten S.    hat es wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen ihre Verurteilung richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten S.    hat keinen Erfolg. Die Revision des Angeklagten P. führt zu einer Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung einer Einzel- und einer Gesamtstrafe.

21. Die Verurteilung des Angeklagten P.    im Fall B.3. der Urteilsgründe (auch) wegen gefährlicher Körperverletzung hat keinen Bestand.

3a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw von hinten absichtlich auf das vom Zeugen Pö.   gesteuerte Motorrad auf, wodurch dieser zu Sturz kam. "Durch" den Sturz erlitt der Zeuge einen Rippenbruch sowie weitere Verletzungen.

4b) Diese Feststellungen belegen die vom Landgericht - ohne Subsumtion zu den in dieser Vorschrift genannten Tatalternativen - bejahte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB nicht.

5Einer Verurteilung nach dem in der Liste der angewendeten Vorschriften insofern allein aufgeführten § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB steht die Rechtsprechung des Senats entgegen, wonach in Fällen, in denen eine Person nach einem gezielten Anfahren mit einem Kraftfahrzeug stürzt, die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB voraussetzt, dass bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen, die nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen sind, können dagegen für sich allein die Beurteilung als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht tragen (st. Rspr.; vgl. zuletzt [juris Rn. 12] mwN).

6Feststellungen, die eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB rechtfertigen könnten, hat das Landgericht weder zur objektiven noch zur subjektiven Tatseite getroffen.

7c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB. Da weitere, eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung rechtfertigende Feststellungen nicht zu erwarten sind und sich der geständige Angeklagte gegen diesen Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab. Das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung der Körperverletzung (§ 230 Abs. 1 StGB) hat der Generalbundesanwalt bejaht.

8d) Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall B.3. verhängten Einzelstrafe. Dies hat zur Folge, dass die für die Taten B.3. und 4. verhängte Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann. Einer Aufhebung der insofern getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht; sie sind von dem Rechtsfehler ebenso wenig beeinflusst wie die vom Landgericht angeordnete Maßregel nach § 69a StGB.

9Für das neue Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der vom Landgericht mehrfach angesprochene, erfolgreich durchgeführte "Täter-Opfer-Ausgleich" die Erörterung des § 46a StGB und in der Folge gegebenenfalls die Prüfung eines minder schweren Falles bzw. einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB gebietet.

102. Im Übrigen weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten P.    auf. Die Revision des Angeklagten S.    ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible                            Roggenbuck                          Franke

                        Mutzbauer                                Bender

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Fundstelle(n):
JAAAE-54386