BGH Beschluss v. - XII ZB 229/13

Wiedereinsetzung bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax: Ausgangskontrolle hinsichtlich der im Faxgerät hinterlegten Kurzwahl

Leitsatz

Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass der Sendebericht nicht nur auf vollständige und fehlerfreie Übermittlung des Textes, sondern auch auf die richtige Empfängernummer abschließend kontrolliert wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 166/09, FamRZ 2010, 879). Die Überprüfung lediglich anhand einer geräteintern verwendeten Kurzwahl steht dem nicht gleich.

Gesetze: § 117 Abs 5 FamFG, § 233 ZPO

Instanzenzug: OLG Rostock Az: 10 UF 2/13vorgehend AG Schwerin Az: 21 F 158/11

Gründe

I.

1Mit Beschluss vom , der dem Antragsteller am zugestellt worden ist, hat das Familiengericht dessen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Zahlungsantrag abgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Nach richterlichem Hinweis, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist begründet worden sei, hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er glaubhaft gemacht, sein Verfahrensbevollmächtigter habe die Beschwerdebegründung am fertig gestellt und unterschrieben und den Schriftsatz am selben Tag per Telefax gesendet, wobei er die in das Faxgerät eingespeicherte Kurzwahl des Beschwerdegerichts "OLG HRO" verwendet habe, welche geräteintern mit der Telefaxnummer des Beschwerdegerichts verknüpft sei. Durch einen Sendebericht, mit dem die Übermittlung der Sendung an den Empfänger "OLG HRO" bestätigt worden sei, habe der Bevollmächtigte sich von der ordnungsgemäßen Versendung des Telefaxes überzeugt. Auch andere Sendungen in anderen Rechtsangelegenheiten seien vor und nach der hier streitigen Sendung erfolgreich unter Verwendung der Kurzwahl "OLG HRO" an das Beschwerdegericht übermittelt worden.

2Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei nicht schuldlos versäumt. Ausweislich des vom Empfangsgerät des Beschwerdegerichts aufgezeichneten Faxjournals sei zum angegebenen Zeitpunkt keine Sendung des Bevollmächtigten des Antragstellers eingegangen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers habe sich auch nicht anhand des Sendeberichts auf eine ordnungsgemäße Versendung des Telefaxes verlassen dürfen, weil allein aus einer Sendebestätigung an einen Empfänger mit der Kurzwahl "OLG HRO" nicht hervorgehe, welche Empfängernummer bei der Versendung verwendet worden sei. Für die korrekte Eingabe der Empfängernummer sei jedoch der Rechtsanwalt, der die Versendung persönlich vornehme, selbst verantwortlich.

II.

3Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

41. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).

52. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Bedient sich der Verfahrensbevollmächtigte für die Übersendung des Schriftsatzes eines Telefaxgeräts, hat er das seinerseits Erforderliche getan, wenn er bei Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und korrekter Eingabe der Empfängernummer so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit dem Abschluss der Übertagung bei Fristende zu rechnen ist (BVerfG NJW 1996, 2857, 2858; - NJW-RR 2001, 916).

6Für die Ausgangskontrolle genügt es, wenn ein vom Faxgerät des Absenders ausgedrucktes Sendeprotokoll die ordnungsgemäße Übermittlung an den Adressaten belegt und dieses vor Fristablauf zur Kenntnis genommen wird. Trägt der Sendebericht den Vermerk "OK", kann es einem am Verfahren Beteiligten nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn es bei dem elektronischen Übertragungsvorgang dennoch zu Fehlern kommt ( - NJW 2006, 1518, 1519). Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem "OK"-Vermerk versehenen Sendeprotokolls den Empfänger nicht erreicht, ist jedenfalls so gering, dass sich der Rechtsanwalt auf den "OK"-Vermerk verlassen darf (Senatsbeschluss vom - XII ZB 100/00 - VersR 2002, 1045, 1046).

7Die Ausgangskontrolle muss sich allerdings auch darauf beziehen, dass bei der Versendung des Telefaxes die zutreffende Empfängernummer verwendet wurde (BGH Beschlüsse vom - VI ZB 61/12 - MDR 2013, 1303; vom - III ZB 51/12 - juris Rn. 6; vom - IV ZB 20/12 - NJW-RR 2013, 305 Rn. 9; vom - VI ZB 54/11 - NJW-RR 2012, 1267 Rn. 7; vom - VI ZB 49/11 - NJW-RR 2012, 744 Rn. 7; vom - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811; vom - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; BAGE 79, 379 = NJW 1995, 2742). Diese Gewissheit kann das Sendeprotokoll nur vermitteln, wenn es nicht nur eine technisch fehlerfreie Versendung als solche belegt, sondern ebenfalls ausweist, an welche konkrete Empfängernummer das Telefax gesendet wurde. Nur der mit dieser Angabe versehene "OK"-Vermerk kann das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Versendung an den zutreffenden Empfänger begründen.

8Dem steht ein "OK"-Vermerk, der sich lediglich auf eine im Faxgerät hinterlegte Kurzwahl bezieht, nicht gleich. Denn ein Sendeprotokoll, das nur die verwendete Kurzwahl ausweist, ermöglicht keine verlässliche Überprüfung, ob die mit der Kurzwahl intendierte Empfängernummer tatsächlich angewählt wurde. Die Verwendung von Kurzwahlnummern birgt gewisse Risiken einerseits von technischen Fehlern bei der geräteinternen Zuordnung der anzuwählenden Nummer, andererseits von Bedienungsfehlern, beispielsweise einer versehentlichen Umprogrammierung der Kurzwahlnummer, gegebenenfalls auch durch andere Gerätebenutzer. Dass sich eine der möglichen Fehlerquellen verwirklicht haben könnte, lässt sich mit hinreichender Sicherheit nur durch einen Sendebericht ausschließen, der die tatsächlich angewählte Telefaxnummer zu erkennen gibt.

93. Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller die Fristversäumung nicht ausreichend entschuldigt. Nach seinem eigenen Vorbringen hat sein Bevollmächtigter nicht überprüft, an welche Nummer das Telefaxgerät die Sendung verschickt hat, sondern sich allein darauf verlassen, dass die eingespeicherte Kurzwahl mit dem Kürzel "OLG HRO" im Moment der Versendung korrekt mit der Empfängernummer des Beschwerdegerichts verknüpft sei. Das genügt nicht, um Fehlerquellen der aufgezeigten Art hinreichend verlässlich auszuschließen und somit die Wahrscheinlichkeit, dass das Schriftstück den Empfänger nicht erreicht, so gering wie möglich und zumutbar zu halten (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 166/09 - FamRZ 2010, 879 Rn. 9).

10Auch der Umstand, dass vorangegangene und nachfolgende Schriftstücke in anderen Rechtsangelegenheiten fehlerfrei unter Verwendung der Kurzwahl "OLG HRO" übermittelt werden konnten, entbindet nicht von einer gesonderten Kontrolle der korrekt angewählten Empfängernummer in jedem Einzelfall.

Dose                                 Weber-Monecke                        Schilling

            Nedden-Boeger                                   Guhling

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 257 Nr. 6
DB 2014 S. 422 Nr. 8
DB 2014 S. 7 Nr. 5
NJW 2014 S. 6 Nr. 6
NJW-RR 2014 S. 316 Nr. 5
WM 2014 S. 429 Nr. 9
GAAAE-53927