Zeitpunkt der Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs
Nach § 23 Abs. 4 GrEStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 1997 (BGBl 1996 I S. 2049) sind die §§ 8 Abs. 2 und 11 Abs. 1 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden. Vorher verwirklichte Erwerbsvorgänge sind nach der bisherigen Gesetzesfassung zu besteuern. Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt Erwerbsvorgänge verwirklicht sind, in denen beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ein vollmachtloser Vertreter beteiligt war, gilt Folgendes:
Ein Erwerbsvorgang ist i. S. des § 23 GrEStG verwirklicht, wenn die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind ( BStBl 1987 II S. 35). Unabhängig von der zivilrechtlichen Rückwirkung einer Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) tritt die nach dieser Rechtsprechung erforderliche Bindung beider Beteiligten erst im Zeitpunkt der Genehmigung des schuldrechtlichen Geschäfts durch den Vertretenen ein. Entscheidend ist damit, zu welchem Zeitpunkt die Genehmigung wirksam wird und ob für die Genehmigung besondere Formerfordernisse gelten.
Als empfangsbedürftige Willenserklärung setzt die Genehmigung den Zugang beim Dritten oder beim Vertreter voraus (Schramm im Münchner Kommentar zum BGB, § 177 BGB, Rd-Nr. 22 [1]). Das bis dahin schwebend unwirksame Rechtsgeschäft wird damit unwiderruflich wirksam (Schramm, § 182 BGB, Rd-Nr. 26 [2]). Die Genehmigung bedarf vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Formvorschriften oder besonderer Abmachungen in dem genehmigungsbedürftigen Vertrag nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (Schramm, § 184 BGB, Rd-Nr. 2 [3], sowie § 182 BGB, Rd-Nr. 13 ff., 16 [4]). Sie kann daher ggf. auch mündlich erteilt werden.
§ 29 GBO gehört nicht zu den besonderen gesetzlichen Formvorschriften der Genehmigung. Nach dieser Bestimmung müssen die zur Grundbucheintragung erforderlichen Erklärungen zwar durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Dieses Formerfordernis betrifft jedoch nur den dinglichen Vollzug der Eigentumsübertragung, nicht aber die Wirksamkeit des ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrages.
Tragen die Vertragspartner eines im Jahr 1996 durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrages vor, die Genehmigung sei noch vor dem erteilt worden, kann der erhöhte Steuersatz nur dann angewendet werden, wenn die Finanzbehörde das Gegenteil nachweist. Sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für steuerbegründende Tatsachen. Sofern aufgrund besonderer oder im genehmigungsbedürftigen Vertrag festgelegter Formerfordernisse eine genaue Bestimmung des Genehmigungszeitpunkts möglich ist, bleibt dieser für die Anwendung des Steuersatzes maßgebend.
Zusatz der OFD:
Durch Artikel 9 des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 vom (Nds. GVBl. S. 310) ist mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer in Niedersachsen der Steuersatz für die Grunderwerbsteuer für Rechtsvorgänge, die sich auf in Niedersachsen liegende Grundstücke beziehen und ab dem verwirklicht werden, auf 5 Prozent festgesetzt worden. Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt Erwerbsvorgänge verwirklicht sind, gelten die in dem o. a. Erlass enthaltenen Ausführungen entsprechend.
OFD Niedersachsen v. - S
4500 - 156 - St
262
Fundstelle(n):
GrESt-Kartei
NI GrEStG §
23 Karte 1 - 486 - 14.01.2014
DB 2014 S. 456 Nr. 9
VAAAE-53157