BGH Beschluss v. - IV ZR 122/13

Regress einer Wohngebäudeversicherung: Arglistige Täuschung eines Versicherungsnehmers bei Verdacht auf Eigenbrandstiftung

Gesetze: § 61 aF VVG

Instanzenzug: Az: 20 U 86/12 Urteilvorgehend Az: 115 O 124/11 Urteil

Gründe

1I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten Regressansprüche geltend, nachdem sie als Gebäudeversicherer Entschädigungsleistungen an dessen Realgläubiger erbracht hat. Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin für das in seinem Eigentum stehende Grundstück L.          5b in M.        eine Gebäudeversicherung, die unter anderem das Risiko Feuer erfasste. Dem Vertrag liegen die "Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung" (BFIMO) zugrunde. Am 2. Februar und wurde das versicherte Gebäude, das seit Dezember 2006 leer stand, durch zwei vorsätzlich gelegte Brände beschädigt. Das Ermittlungsverfahren wurde mangels Ermittlung eines Täters eingestellt. Die Klägerin erbrachte Entschädigungsleistungen an zwei Realgläubiger des Beklagten in Höhe von 5.456,37 € sowie 99.590,59 €.

2Nachdem sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten auf Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG a.F. berufen hatte, nahm dieser sie zunächst in einem Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vor dem Landgericht Berlin in Anspruch (7 O 102/09). Das Landgericht Berlin wies den Antrag mit Beschluss vom zurück, da aufgrund der feststehenden Umstände von einer Eigenbrandstiftung auszugehen sei. Die Beschwerde des Beklagten beim Kammergericht hatte keinen Erfolg.

3Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 105.046,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage abgewiesen.

4II. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zulassung der Revision folgt aus einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.

51. Das Berufungsgericht hat eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es ohne vorherigen Hinweis von einer Vernehmung des Zeugen S. zur Behauptung der Klägerin abgesehen hat, das von diesem im Februar 2008 unterbreitete Kaufangebot über 550.000 € für das Grundstück sei nur vorgetäuscht gewesen. Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Senatsbeschlüsse vom - IV ZR 188/12, juris Rn. 7; vom - IV ZR 32/05, VersR 2007, 225 Rn. 4). Diese in Art. 103 Abs. 1 GG normierte Gewährleistung stellt eine Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens für das gerichtliche Verfahren dar. Hieraus folgt insbesondere, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senatsbeschluss vom aaO; , NJW 2012, 3035 Rn. 6-8).

6Hier hatte das Landgericht der Klage stattgegeben, weil es von einer Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß § 61 VVG a.F. wegen Eigenbrandstiftung des Beklagten ausgegangen war. Der Beklagte hat sich i n seiner Berufungsbegründung ausschließlich darauf gestützt, das Landgericht hätte nicht von einer Vernehmung des Zeugen S.    zum Beweis seiner Behauptung absehen dürfen, dieser habe dem Beklagten ein Angebot für das Grundstück zu einem Preis von 550.000 € vorgelegt. Nur mit diesem Vorbringen hat sich die Klägerin sodann in ihrer Berufungserwiderung befasst. Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom den Zeugen S.    gemäß § 273 ZPO zu dem voraussichtlichen Beweisthema "Kaufangebot für das Mehrfamilienhaus L.       5b in M.           im Februar 2008" geladen. Im Termin ist der Zeuge nicht erschienen, hat allerdings mitgeteilt, er sei erkrankt und nach seiner Genesung bereit, in dem Rechtsstreit auszusagen. In der mündlichen Verhandlung am hat das Berufungsgericht weder darauf hingewiesen, dass es eine Vernehmung des Zeugen S.    für nicht mehr erforderlich hält, noch mitgeteilt, dass es anders als das Landgericht sowie die Gerichte im Vorprozess die von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen für eine Eigenbrandstiftung für nicht ausreichend hält.

7Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es trotz Beweisangebots der Klägerin den Zeugen S.    nicht zu deren Behauptung vernommen hat, das gegenüber dem Beklagten abgegebene Kaufangebot sei nur vorgetäuscht gewesen (Schriftsatz im Verfahren LG Berlin 7 O 102/09, S. 4, i.V.m. Protokoll vom , GA 136). Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei nicht auszuschließen, dass ein Kaufangebot nur vorgetäuscht wurde, um einen unberechtigten Verdacht von vornherein nicht aufkommen zu lassen, beruht auf bloßen Spekulationen und wird nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag der Parteien oder sonstige Umstände gestützt. Hinzu kommt, dass im Falle einer Vortäuschung des Kaufangebots durch den Beklagten eine Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß § 24 Nr. 1 BFIMO in Betracht kommt. Hiernach ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Für eine derartige arglistige Täuschung ist eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Es genügt das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung auch berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (Senatsurteil vom - IVa ZR 18/84, VersR 1986, 77 unter II 1; OLG Köln VersR 2012, 1514, 1515 unter 1 c; Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 28 Rn. 117). Im Falle arglistigen Handelns des Beklagten kommt mithin eine Leistungsfreiheit der Klägerin selbst dann in Betracht, wenn das Kaufangebot nur vorgetäuscht wurde, um einen unberechtigten Verdacht gegenüber dem Beklagten nicht aufkommen zu lassen.

82. Das Berufungsgericht wird nach Aufhebung und Zurückverweisung die Frage, ob der Beklagte den Versicherungsfall gemäß § 61 VVG a.F. herbeigeführt hat, neu zu prüfen haben.

9a) Insbesondere wird es zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin den Zeugen Sch. zum Fehlen der Installationsrohre und zu den Wahrnehmungen des Beklagten hierzu benannt hat. Zu Recht weist die Nichtzulassungsbeschwerde darauf hin, der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei bei lebensnaher Betrachtung so zu verstehen, dass der Beklagte bei der Besichtigung im Januar 2008 das Fehlen von Heizungsrohren bemerkt hat. Jedenfalls nach dieser Klarstellung wird das Berufungsgericht den angetretenen Beweis zu erheben haben.

10b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht bislang auch davon abgesehen, zu klären, wer für das Scheitern der Verkaufsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der ... verantwortlich war. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin Vortrag zum Zustand bzw. Wert des Gebäudes und dem diesbezüglichen Kenntnisstand des Beklagten gehalten und diesen unter Beweis durch Vernehmung der Zeugen H. und Sch. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt. Auf den betreffenden Vortrag hat die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend hingewiesen.

Mayen                                    Wendt                                    Felsch

              Harsdorf-Gebhardt                       Dr. Karczewski

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TAAAE-52446