Vorschriftsmäßiger Lohnsteuereinbehalt bei einer Nettolohnvereinbarung; erhöhte Nachweispflicht hinsichtlich des Abschlusses als auch des Inhalts der Vereinbarungen
Leitsatz
1. Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Dienstverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzlichen Lohn zuwendet, indem er auch die im Lohnsteuerabzugsverfahren zu erhebende Lohnsteuer trägt. Da die Nettolohnvereinbarung einen Sonderfall des Lohnsteuerregelabzugs mit der aus § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG abgeleiteten Tilgungsannahme darstellt, darf der Arbeitnehmer von einem vorschriftsmäßigen Lohnsteuereinbehalt nur ausgehen, wenn er dem Arbeitgeber die für den Lohnsteuerregelabzug erforderliche Lohnsteuerkarte ausgehändigt hat.
2. Wegen der Außergewöhnlichkeit der Nettolohnvereinbarung und ihrer Folgen muss der Abschluss einer Nettolohnvereinbarung klar und eindeutig feststellbar sein.
3. Denjenigen, der sich auf den Abschluss einer Nettolohnvereinbarung beruft, trifft eine erhöhte Nachweispflicht sowohl hinsichtlich des Abschlusses als auch des Inhalts der Vereinbarungen.
4. Das Gericht st nicht verpflichtet, sich in seiner Entscheidung mit jedem Beteiligtenvorbringen im Einzelnen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. des Art. 103 Abs. 1 GG kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht den Vortrag eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, EStG § 42d Abs. 3 Nr. 1, EStG § 42 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes entsprechen, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vor.
2 1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nicht in Betracht.
3 Eine Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (Senatsbeschlüsse vom VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Die im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt.
4 a) Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Dienstverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzlichen Lohn zuwendet, indem er auch die im Lohnsteuerabzugsverfahren zu erhebende Lohnsteuer trägt. Folge einer derartigen Vereinbarung ist, dass der Arbeitgeber mit der Auszahlung des Nettolohns aus der Sicht des Arbeitnehmers die Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten hat (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—). Im Falle einer Nettolohnvereinbarung gilt die abzuführende Lohnsteuer für den Bruttolohn, der sich aus der Hochrechnung des Nettolohns ergibt, auch dann als entrichtet, wenn Lohnsteuer nicht abgeführt worden ist, es sei denn, der Arbeitnehmer hat gewusst, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG). Da die Nettolohnvereinbarung einen Sonderfall des Lohnsteuerregelabzugs mit der aus § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG abgeleiteten Tilgungsannahme darstellt, darf der Arbeitnehmer von einem vorschriftsmäßigen Lohnsteuereinbehalt nur ausgehen, wenn er dem Arbeitgeber die für den Lohnsteuerregelabzug erforderliche Lohnsteuerkarte ausgehändigt hat. Wegen der Außergewöhnlichkeit der Nettolohnvereinbarung und ihrer Folgen muss der Abschluss einer Nettolohnvereinbarung klar und eindeutig feststellbar sein. Die Feststellungen sind insoweit vom Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz zu treffen (Senatsurteil vom VI R 146/87, BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733; Senatsbeschluss vom VI B 30/05, BFH/NV 2005, 2046). Denjenigen, der sich auf den Abschluss einer Nettolohnvereinbarung beruft, trifft eine erhöhte Nachweispflicht sowohl hinsichtlich des Abschlusses als auch des Inhalts der Vereinbarungen (Senatsurteil vom VI R 118/76, BFHE 129, 377, BStBl II 1980, 257).
5 b) Im Streitfall ist das FG von der Beweispflicht des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ausgegangen und hat die vorgelegten Unterlagen (Geschäftsführervertrag; Schreiben der X-GmbH vom ) gewürdigt. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich daraus nichts ergebe, was auf die behauptete Nettolohnvereinbarung schließen lasse. Zudem hat das FG die Vorentscheidung darauf gestützt, dass der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen habe, dass er seinem Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte ausgehändigt habe. Diese nachvollziehbare Würdigung der Umstände des Einzelfalls bindet die Revisionsinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO).
6 c) Im Übrigen macht der Kläger mit seinen Ausführungen zur Beweisführung betreffend das Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung im Grunde geltend, das FG habe die vorgelegten Unterlagen unzutreffend gewürdigt. Hiermit kann er indes im Beschwerdeverfahren nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO gehört werden.
7 2. Auch eine Revisionszulassung wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) scheidet aus.
8 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) kann in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn das FG den Vortrag eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht den Beteiligtenvortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist indes nicht verpflichtet, sich in seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen im Einzelnen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr kommt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. des Art. 103 Abs. 1 GG nur dann in Betracht, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht den Vortrag eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2011, 1177).
9 Im Streitfall hat das FG die Bestätigung der X-GmbH vom im Rahmen der Entscheidungsfindung herangezogen. Es hat sie in den Entscheidungsgründen ausdrücklich erwähnt und den Inhalt gewürdigt. Soweit das FG ausführt, die Bescheinigung beziehe sich nicht ausdrücklich auf den Lohnzahlungszeitraum 2008 —statt den streitigen Lohnzahlungszeitraum 2009—, handelt es sich hierbei offensichtlich um ein Versehen. Dieser Auffassung sind im Übrigen auch der Kläger (vgl. Schreiben an das Bl. 68 der FG-Akte) und das Bl. 72 der FG-Akte).
10 b) Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) durch Übergehen eines Beweisantrags hat der Kläger nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
11 Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch Unterlassen von Sachaufklärungsmaßnahmen gerügt, muss u.a. dargelegt werden, weshalb die Nichterhebung von Beweisen nicht gerügt worden ist bzw. weshalb eine solche Rüge nicht möglich war (z.B. , BFH/NV 2005, 43). Hieran fehlt es im Streitfall.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 181 Nr. 2
EStB 2014 S. 20 Nr. 1
PStR 2014 S. 27 Nr. 2
StBW 2014 S. 44 Nr. 2
PAAAE-51231